Bei der Realisierung ist Stuttgart auf die Kooperation der 179 Städte und Gemeinden angewiesen.

Stuttgart - Gefragt, ob er auch gerne Bezirksvorsteher von Stuttgart-Sindelfingen geworden wäre, muss Sindelfingens Oberbürgermeister Dr. Bernd Vöhringer nicht allzu lange nachdenken. Eine Eingemeindung wie in den 1970er Jahren wäre für seine Stadt sicherlich der falsche Weg gewesen, so Vöhringer beim traditionellen Eurohypo-Talk am Vorabend des Immobiliendialogs im Meilenwerk auf dem Flugfeld Böblingen/Sindelfingen. Zuvor hatte Gabriele Eick, Vizepräsidentin des Deutschen Marketing-Verbandes und 1993 vom Wirtschaftsmagazin Forbes zur Managerin des Jahres gekürt, die Kommunen in der Region dazu aufgerufen, den Mut zu haben, Macht- und Planungshoheiten abzugeben.

 

Dann könnte ein gemeinsamer Masterplan für Stuttgart und die Region aufgestellt werden, mit dem die strukturellen Fehlentwicklungen bei der Verkehrspolitik und dem Gewerbeflächenmanagement in der Region korrigiert werden könnten. Ob denn die starken Städte in der Region im Wettbewerb mit anderen Regionen von Nachteil seien, fragte Moderator Frank Peter Unterreiner Thomas S. Bopp, den Vorsitzenden vom Verband Region Stuttgart, etwas provozierend. Der ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Ja und Nein”, antwortet der diplomatisch. Die Menschen wollten heute nicht in einem Großstadtmoloch wohnen.

Der Verband kann nur planen und nicht selbst in die Realisierung gehen

Sie schätzten deshalb auch die dezentrale Struktur der Region. Gelänge es dann auch noch, die gemeinsame Infrastruktur regional zu organisieren, sei die kommunale Selbstverwaltung mit ihren 179 Städten und Gemeinden in der Region Stuttgart sogar eine Stärke. Das sieht IHK-Hauptgeschäftsführer Andreas Richter dann doch etwas anders. Zwar habe man in den zurückliegenden 30 bis 40 Jahren eine sehr prosperierende Region gehabt, mittlerweile stoße man aber an die Grenzen. So sei der IHK der „kommunale Autismus” der Städte und Gemeinden in der Region etwas zu ausgeprägt. Wir brauchen nicht nur Gewerbe-, sondern auch Industriegebiete. Insbesondere Flächen für Unternehmen aus der Logistikbranche. Ändert sich an der Situation nichts, wird es langfristig zu einer Deindustrialisierung kommen, warnt der IHK-Geschäftsführer eindringlich. So tritt der Regionalverband zum Beispiel mit seiner Wirtschaftsförderung beim geplanten Güterverkehrszentrum in Kornwestheim seit Jahren auf der Stelle.

„Der Verband kann nur planen und nicht selbst in die Realisierung gehen. Das gibt das Gesetz über den Verband Region Stuttgart bisher nicht her ”, erläutert Bopp. Der Vorsitzende vom Verband Region Stuttgart hält das längst für einen Fehler. Gerade bei bedeutsamen Infrastrukturprojekten müsste auch der Verband ins Invest gehen dürfen. Das wäre seiner Ansicht nach in Kornwestheim möglich, gerne auch interkommunal mit Stuttgart und Ludwigsburg, lässt er durchblicken. Auch aus dem geplanten 75 Hektar großen interkommunalen Gewerbegebiet an der A 81 zwischen Pleidelsheim und Murr wird nichts. „Der Gemeinderat von Pleidelsheim hat kein Interesse an einem interkommunalen Gewerbeschwerpunkt”, so Bopp. „Wir werden diesen Standort jetzt aus dem Regionalplan streichen und entlang der A 81 weiter suchen”, ärgert sich Bopp. Doch die fehlenden Logistikflächen sind nicht der einzige Engpass in der Region. Allein die Landeshauptstadt benötigt bis zum Jahr 2020 laut Stuttgarts Wirtschaftsförderin Ines Aufrecht rund 119 Hektar neue Gewerbe- und Industrieflächen. Und das seien nur die Flächen, die einen Flächenbedarf über einem Hektar haben. Aufgrund der Kessellage der Stadt und dem ständig steigenden Flächenbedarf setzt Stuttgart deshalb schon länger auf Nachverdichtung. „Doch das ist zu wenig”, ist sich Aufrecht sicher. Zwar gibt es im Stuttgarter Neckarpark noch rund 22 Hektar, die für gewerbliche Ansiedlungen vorgesehen sind, doch werden diese mittelfristig bei weitem nicht ausreichen, sagte die Wirtschaftsförderin. Deshalb sei sie auch ein großer Fan interkommunaler Lösungen. Langfristig führe daran kein Weg vorbei.

Seitdem darbt „Echterdingen-Ost” vor sich hin

Wie schwierig die interkommunale Anbahnung zwischen zwei Kommunen in der Region sein kann, zeigt die Entwicklung des ersten interkommunalen Gewerbegebietes zwischen der Landeshauptstadt und Leinfelden-Echterdingen. Nach einem Streit wurde die anfangs euphorisch gefeierte Partnerschaft der beiden Städte vor zwei Jahren jäh beendet. Seitdem darbt „Echterdingen-Ost” - so der Arbeitstitel des Gewerbegebietes - vor sich hin. Heute redet man wieder miteinander, aber es wird wohl noch Jahre dauern, bis das Projekt in die Gänge kommt, vermuten Fachleute. Auch Sindelfingens Oberbürgermeister Bernd Vöhringer hat so seine Erfahrungen gemacht, was die interkommunale Zusammenarbeit betrifft. Während das interkommunale Immobilienprojekt Flugfeld Böblingen/Sindelfingen mit seinen 80 Hektar von beiden Städten von Anfang an angenommen wurde, hat er sich mit seinem Vorstoß einer Städtefusion zwischen Sindelfingen und Böblingen nicht nur Freunde bei Gemeinderat und Bürgern gemacht. Auch für Backnangs Oberbürgermeister Dr. Frank Nopper lösen Eingemeindungen nicht die drängenden Probleme der Region. Bevor am großen Rad gedreht werde, sollte man erst einmal lernen, besser zusammenzuarbeiten, so Nopper. Bis dahin reiche es, an der einen oder anderen Stelle in der Region vielleicht noch etwas nachzujustieren.

Das sieht Vöhringer trotz seiner Erfahrungen mit dem Vorstoß einer Städtefusion zwischen Böblingen und Sindelfingen anders. Er denkt, dass die Kommunen aufgrund der großen Herausforderungen in den nächsten Jahren ihr kleinräumiges Denken überwinden müssten. Das werde aber nur dann funktionieren, wenn die Kooperation auf Augenhöhe erfolge. Die Führungsrolle in der Region könne dabei durchaus Stuttgart übernehmen, nur müsse der Kapitän dann auch das Steuer in die Hand nehmen.