Der Untergang des Abendlandes beginnt mit witzigem PC-Zubehör, wie beispielsweise der beheizbaren PC-Maus und anderen Spielereien.

Stuttgart - Der Umgang mit Hightech war lange eine reine Männerdomäne. Noch in den siebziger Jahren waren Computer ernsthafte Maschinen in hammerschlaglackierten Blechgehäusen, bedient von echten Männern in weißen Hemden. Frauen mit Nylonstrümpfen wurden in Rechenzentren nicht gern gesehen, da sie (die Strümpfe) sich reibungselektrisch aufluden und die Elektronengehirne störten.

 

Mit dem Aufkommen der PCs geriet das urtümliche Großgeräte-Machotum in die Krise. Als 1984 der Macintosh auf den Markt kam, stand der Untergang des Abendlandes kurz bevor: Nun fingen auch junge Frauen an, sich massenhaft für kleine Computer zu interessieren. Der Mac war schick und der erste Computer, der ohne die Eingabe undurchsichtiger Zauberformeln zu benutzen war. Maus und grafische Benutzeroberfläche entfachten einen Glaubenskrieg. Der Kampf ist längst entschieden, die bequemere Benutzung hat gewonnen.

Die beheizbare Maus ist da

Nun schlägt das Pendel nach der anderen Seite hin aus: Es gibt - Inbild einer sich abzeichnenden Gadget-Dekadenz - eine beheizbare Maus! Es gibt eine ganze Produktgruppe von lauwarmen Peripheriegeräten wie etwa beheizte USB-Hausschuhe, eine beheizte Handballenauflage, beheizbare USB-Strickhandschuhe oder ein beheizbares Mauspad. Gut, an kalten Aprilabenden überlegt mancher fröstelnd, die Heizung wieder einzuschalten. Aber was zu weit geht, geht zu weit. Wir müssen ein paar Dinge unterscheiden.

Es ist in Ordnung, albern zu sein und Jingle Bells auf den Kühlungslamellen einer Grafikkarte zu spielen. Es ist bescheuert, aber immer noch okay, wenn tödlich gelangweilte Büroangestellte USB-Raketenwerfer benutzen, um Kollegen mit Schaumgummigranaten zu beschießen.


Den Rechner zur übergroßen Bierdose machen

Es ist naturnotwendig und okay, dass der technisch interessierte junge Mensch pubertiert und dies im digitalen Zeitalter erstmals auch in globalem Maßstab tun kann, indem er die Foren und Kommentarbereiche dieser Erde mit den Ausformungen der Hormonprotuberanzen bestückt, unter denen er und damit der Rest der Menschheit zu leiden hat, indem er Furzgeräusche als Klingeltöne benutzt oder aus seinem Rechner per Casemodding eine übergroße Bierdose macht.

Nicht okay ist, desorientierte Menschen zur Würdelosigkeit zu verführen. Wer kalte Hände hat, soll aufhören zu rauchen oder sich ein Youtube-Video von (Name eines großartigen Musikers einsetzen) ansehen und applaudieren. IT-Enthusiasten haben ein Imageproblem, da Computer von körperorientierten Menschen oft als verweichlichende Gerätschaft angesehen werden. Ein Nerd, der sich stückchenweise lauwarm halten lässt, macht 30 Jahre Entwicklung zunichte, in der sich rohe, digitale Urmenschen in hypermoderne Kulturwesen zu verwandeln bemühten. Es kann nicht schaden, die Warmduscher-Ware zum Fenster (analog) rauszuschmeißen - und das Fenster zehn Minuten offenzulassen.

E-Mail an den Autor: p.glaser@stz.zgs.de

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