Keiner weiß genau, wie Bitcoin, Blockchain und Co. funktionieren. Der Fantasie tut das überhaupt keinen Abbruch – im Gegenteil.

Stuttgart - Der Boom bei Kryptowährungen und der ihnen zugrunde liegenden Blockchain-Technologie treibt immer seltsamere Blüten. In einem Spielcasino in Las Vegas steht der erste Geldautomat der Welt, bei dem man angeblich auch Bitcoin bekommen kann. Der Versuch eines Reporters, sich den Gegenwert von einem Dollar in der digitalen Währung auszahlen zu lassen, scheiterte allerdings an der „Miners Fee“, einer Gebühr für das extrem energieintensive Erwirtschaften von Bitcoins, die zwischen 40 und 45 Dollar liegt – pro Auszahlung!

 

Im Herbst letzten Jahres nahmen ein paar börsennotierte Unternehmen spaßeshalber den Begriff Blockchain in ihre Firmennamen auf, was zu erstaunlichen Reaktionen führte. Im Fall der britischen Firma On-line Plc – nunmehr On-line Blockchain Plc – stieg der Börsenkurs am Tag nach dem Namenswechsel um 394 Prozent. Der Dow-Jones-Wirtschaftsnachrichtendienst Market Watch weiß noch von einer anderen Aufregung auf dem Gebiet, einer „Finanz-Domina“ mit Namen Theodora, die Männer („ab Ende dreißig und ziemlich nerdig“) dazu bringt, ihre Rechner mithilfe einer speziellen App für sie mühevoll Bitcoins erarbeiten zu lassen.

Acht Teenies werben für Kryptowährungen

Und jetzt gibt es endlich eine Kryptowährungs-Girlgroup! Am 11. Januar legten Kasotsuka Shojo, die „Virtuelle-Währungen-Girls“, in Tokio ihren ersten Auftritt hin. Ersonnen wurde die Formation in einer Entertainment-Brutstätte namens Cinderella Academy, hinter der bemerkenswerterweise die Firma Shin-Etsu steht, einer der größten Kunststoffproduzenten der Welt. Jeder der acht Teenies repräsentiert eine der neuartigen Krypto-Tauscheinheiten, von denen die Wikipedia inzwischen mehr als 100 auflistet.

Zwar erschließt sich nicht recht, in welchem Zusammenhang zu moderner Finanztechnologie die Aufmachung der Sängerinnen steht – sie sind in kesse Dienstmädchenuniformen gekleidet –, allerdings ist diese Mode in Mangas und bei der Kostümierung ihrer weiblichen Fans seit Langem beliebt. Die Währungen von Bitcoin über Ethereum bis Ripple lassen sich an den mit dem jeweiligen Logo gekennzeichneten, kunstpelzgesäumten Masken erkennen, die von den Mädchen getragen werden.

„Wir möchten gern auf unterhaltsame Weise die Idee unter die Leute bringen, dass virtuelle Währungen nicht einfach nur etwas sind, mit dem man spekulieren kann, sondern eine wundervolle Zukunftstechnologie“, so die 18-jährige Rara Naruse, Frontgirl und Bitcoin-Symbol der Band, in einem Online-Statement. Bezahlen konnte man die Tickets für das erste Konzert von Kasotsuka Shojo natürlich nur in einer Kryptowährung. Der erste Song der Band, „Der Mond und virtuelle Währungen und ich“, scheint seine Inspiration aus den Warnungen der vergangenen Wochen zu einer möglicherweise notwendigen Regulierung der Technologie bezogen zu haben – er ist eine gesungene Lektion in Online-Sicherheit, Datenschutz und Warnungen vor betrügerischen Kryptogeldgeschäften.

Digitalgeld lockt auch Hacker

Seit die japanische Regierung den Handel mit Bitcoin erlaubt hat, sind Kryptowährungen in Japan extrem beliebt, allein deren Wertsteigerung hat das japanische Bruttonationalprodukt um 0,3 Prozent anwachsen lassen. Um das Vertrauen in das neue Wirtschaftsinstrument zu erhalten, hat die japanische Finanzaufsicht jüngst die Handelsplattform Coincheck in die Pflicht genommen. Nach dem Diebstahl von umgerechnet mehr als 300 Millionen Euro Digitalgeld durch Hacker will die Plattform die betroffenen 260 000 Nutzer nun entschädigen – in japanischen Yen.

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