Die digitale Revolution macht auch vor dem Verbrechen nicht Halt: Ganster aller Art rüsten technisch auf, berichtet der StZ-Kolumnist Peter Glaser. Drogenbarone achten zum Beispiel auf ihre Privatsphäre – und wechseln ihr Handy nach jedem Gespräch.

Stuttgart - Die Bekämpfer von Hightech-Kriminalität versuchen ebenso mit der Technik Schritt zu halten wie die Gegenseite. So verbietet im US-Bundesstaat Colorado das Gesetz Nr. 01-1221 unter anderem das Tragen von Aluminium-Unterwäsche. Ladendiebe sollen dadurch abgeschreckt werden, gestohlenes Gut durch die Sicherheitsschleusen an den Ausgängen zu schmuggeln. Das Verbrechen ist längst dabei, sich die Instrumente des digitalen Zeitalters zueigen zu machen. Schon die Drogenbarone in Medellin ließen sich für ihre transnationale Logistik eigene Rechenzentren einrichten und entwickelten eine geradezu vorbildliche Auffassung von Privatsphäre: Jedes Handy wurde jeweils nur für einen einzigen Anruf benutzt.

 

Untaten werden ständig virtueller, und ich spreche hier nicht von einfachen „Black Hat”-Hackern. Beide Seiten spüren die Zeitenwende, die braven Bürger wie auch die Unholde. Etwas verändert sich. Das Gefühl lässt sich an einer kulturhistorischen Beobachtung festmachen: Der Computer ist das erste Werkzeug in der Geschichte, mit dem man keine Bierflasche mehr aufmachen kann. Als mediengestählte Menschen des 21. Jahrhunderts stellen wir aber auch neue Ansprüche an das Verbrechen. Es genügt nicht mehr, dass kriminelle Vorgänge unser Unterscheidungsvermögen zwischen Moral und Verwerflichkeit schärfen. Verbrecher haben auch eine gewisse Unterhaltungsverpflichtung zu erfüllen, der sich beispielsweise drei Räuber in Südafrika bewusst gewesen zu sein scheinen. Sie fesselten einen Mann, den sie überfallen hatten nicht einfach konventionell, sondern klebten ihn mit Superkleber an einem Fitnessrad in seinem Haus fest.

In einem Youtube-Video führt ein junger Franzose die Modernisierung des Eigentumsdelikts vor. Mit einem selbstgebauten Robotarm, der über den modifizierten Controller einer Spielkonsole gesteuert wird, entwendet er eine Dose Limonade aus einem Getränkeautomaten. Wobei man sich in diesem Fall fragen muss, ob es sich bei der Gerätschaft nicht eher um die futuristische Version einer Rube-Goldberg-Maschine handelt (die mit möglichst großem Aufwand einen möglichst kleinen Effekt erzielt). Wie viele Dosen Limonade müsste der Bastler wohl klauen, ehe sich die Konstruktion amortisiert?

Hanf-Bauern sind leichte Beute für Erpresser

Auf neue Weise unangenehm wird es für Menschen am Rande der Legalität durch sozusagen reguläre Schurken, die ihnen technisch hochgerüstet das Spiel verderben. In der britischen Grafschaft Shropshire im Umland von Birmingham arbeiten Ganoven einem Bericht zufolge mit unbemannten Drohnen, die mit Wärmebildkameras ausgerüstet sind, um Cannabis-Plantagen ausfindig zu machen und die Ernte zu klauen oder die Betreiber zu erpressen. Da für die Aufzucht der Pflanzen viel Licht und Wärme benötigt wird, werden die Hanfbauern leichte Opfer moderner Sensorik. Einer Polizeistatistik zufolge wurden 2012 in England im Schnitt 21 Cannabis-Farmen pro Tag entdeckt.

Für Tom Watson, Abgeordneter des Regionalparlaments und Vorsitzender einer Allparteien-Arbeitsgruppe zum Thema Drohnen, ist es „keine Überraschung, dass geschäftstüchtige Kriminelle in der Unterwelt die Oberhand behalten wollen, indem sie Drohnen einsetzen.“ Die Gesellschaft werde sich in den kommenden Jahren mit den Auswirkungen der Drohnen auf Gesetze und Vorschriften auseinandersetzen müssen. Es werde Zeit, dass die Regierung „auf die Besorgnis über die Gefährdung der Privatsphäre durch den Missbrauch von Drohnen hört.“