Private Geldvermögen sind 2022 weltweit so stark gesunken wie seit der Weltfinanzkrise nicht mehr. Die Inflation verstärkt das noch. Deutsche Sparer hat es besonders erwischt.

Ludovic Subran spricht von den Finanzmärkten. „2022 konnte man nirgendwo in Deckung gehen“, sagte der Allianz-Chefvolkswirt bei der Vorstellung des 14. Weltvermögensreports durch den Versicherungsriesen. Dieser misst, wie sich Geldvermögen privater Haushalte weltweit sowie in einzelnen Ländern entwickelt haben. Das Geldvermögen privater Haushalte, so Subran, sei global 2022 um 2,7 Prozent gesunken – der stärkste Rückschlag seit der Weltfinanzkrise 2008, die damals allerdings einen noch dreimal stärkeren Rückgang gebracht hatte. In Deutschland wiederum fiel dieser Rückgang zuletzt noch deutlich schlimmer aus. Deutsche Sparer mussten 2022 fast fünf Prozent an Bruttowertverlust (ohne private Schulden) hinnehmen – sogar noch mehr als 2008 (4,5 Prozent minus).

 

Die hohe Inflation kompensiert den Anstieg des privaten Geldvermögens

Verglichen mit der Zeit vor der Pandemie 2019 sind deutsche Sparer inklusive Inflation sogar mit ihren Geldvermögen unter Wasser. 2,2 Prozent beträgt das Minus auf dieser Basis, erläuterte Subran. Zieht man private Schulden ab, liegt der Verlust an Finanzvermögen netto bei gut acht Prozent.

„Jahrelang haben sich Sparer über Nullzinsen beschwert, doch der wahre Feind ist die Inflation“, stellte der Allianz-Chefvolkswirt klar. Für das laufende Jahr erwarten er und seine Kollegen zwar weltweit wieder einen Anstieg privater Geldvermögen um etwa sechs Prozent. Dem stehe aber eine ähnlich hohe Inflationsrate gegenüber. Für Deutschland sagen die Experten dagegen 2023 nur ein um gut drei Prozent höheres Geldvermögen voraus, das durch die Inflation erneut mehr als aufgefressen werden dürfte. „Der Kampf gegen die Inflation hat für Sparer gerade erst begonnen“, warnt Allianz-Vermögensspezialist Arne Holzhausen.

In dieser Situation ist es ein schwacher Trost, dass Deutsche im Urteil der Fachleute zunehmend intelligenter sparen, indem sie immer mehr auf Aktien und vor allem auf Fonds setzen. Weil deutsche Sparer in dieser Hinsicht international aber lange im Hintertreffen waren, legten sie im Schnitt immer noch vergleichsweise konservativ an.

In den Allianz-Report fließen Wertpapiere, Bankguthaben, Versicherungen und Pensionen, aber keine Immobilienvermögen oder künftige staatliche Rentenansprüche ein. Am stärksten gelitten mit einem Minus von global gut sieben Prozent haben 2022 dabei Wertpapiere, gefolgt von Versicherungen und Pensionen mit 4,6 Prozent Rückgang. Abgeschwächt wurden die Rückgänge durch weltweit um sechs Prozent höhere Bankeinlagen, was aber unter dem Strich den Verlust von Geldvermögen nicht verhinderte. Insgesamt gingen so weltweit gerechnet Finanzwerte von 6,6 Billionen Euro verloren – bei einem gesamten Geldvermögen privater Haushalte von weltweit noch 233 Billionen Euro.

US-Amerikaner und Schweizer verfügen über das größte Geldvermögen

In der Länderstatistik rangieren Deutsche dabei mit im Schnitt 63 450 Euro Geldvermögen auf Rang 19, was sich seit 20 Jahren nicht verändert hat. An der Spitze liegen 2022 US-Amerikaner mit im Schnitt mehr als 250 000 Euro auf der hohen Kante vor Schweizern (239 000 Euro). Gerechnet ist das jeweils netto nach Abzug privater Schulden.

Solche Durchschnittswerte sagen aber noch lange nicht, wie gleich Geldvermögen in einzelnen Ländern verteilt sind. Deutschland sticht dabei seit langem im Reigen der Industrieländer mit großer Ungleichheit hervor. An der hat sich laut Allianz-Report seit 20 Jahren auch kaum etwas geändert. „Die Mehrheit der deutschen Sparer braucht Hilfe von der Politik“, folgert Subran. Je schneller eine neue Riesterrente 2.0 komme, desto besser. Der Allianz-Chefvolkswirt fürchtet allerdings, dass das erst einmal ein frommer Wunsch bleibt.

Vermögenslücke zwischen Industrie- und Schwellenländern geschrumpft

Im globalen Maßstab war einer der wenigen Lichtblicke im Anlegerjahr des Schreckens 2022, dass sich die Vermögenslücke zwischen entwickelten Industrie- und Schwellenländern erstmals seit 2016 wieder verringert hat. Das sei aber nicht einer neuen Stärke von Entwicklungsländern, sondern einer seltenen Schwäche der Industrienationen geschuldet, stellten die Allianz-Experten klar. Auf Sicht seien Schwellenländer voraussichtlich die Verlierer einer voranschreitenden Deglobalisierung.