Türen, die sich nicht per Druckknopf, sondern nur ganz altmodisch per Handhebel bewegen lassen. Fenster, die sich öffnen lassen, statt neumodischer Klimaanlage und schöne Gespräche statt surfen im Internet, weil es kein WLAN gibt – wer momentan im Rems-Murr-Kreis mit der Bahn unterwegs ist, der kann unter Umständen eine Reise in die Vergangenheit machen.
Tobias Richter erhält und verleiht historische Bahnfahrzeuge
Zu verdanken haben Zuggäste die Fahrt in den alten Waggons Tobias Richter und seinem Unternehmen TRI Train Rental, das sich auf den Erhalt und Verleih historischer Bahnfahrzeuge spezialisiert hat. Dadurch, dass die Betreibergesellschaft Go-Ahead BW ihre 66 elektrischen Triebzüge momentan nach und nach umrüsten lassen muss, damit diese den künftigen Anforderungen für den neuen digitalen Knotenpunkt im Stuttgart-21-Bahnhof entsprechen, musste die Train Rental GmbH aushelfen. Ausgestattet werden die Go-Ahead-Züge aktuell mit der sogenannten digitalen Sicherungstechnik European Train Control System.
Die charmanten Ersatzfahrzeuge sind seit Dezember 2022 im Einsatz
„Die Ersatzfahrzeuge von TRI Train Rental (TRI) sind deshalb seit Dezember vergangenen Jahres auf der Murrbahn RE90, der Remsbahn MEX13 sowie auf der Frankenbahn RE8 unterwegs. Die Züge der TRI Train Rental GmbH sind als Ersatzverkehr für Go-Ahead auf Anzeigen am Zug kenntlich gemacht“, sagt die Pressesprecherin von Go-Ahead, Daniela Birnbaum, und fügt noch hinzu, dass TRI nach einer Ausschreibung durch das Land den Zuschlag als Dienstleister für die Ersatzflotte erhalten habe und für insgesamt drei Jahre bis 2025 beauftragt worden sei.
14 E-Loks und 100 Reisewaggons hat TRI inzwischen zur Verfügung
Seit 2013 widmet sich TRI dem Erhalt historischer Bahnfahrzeuge. Darüber hat sich die Firma zu einem Dienstleister für Ersatz- und Notverkehre entwickelt – von reiner Fahrzeugvermietung bis zum Komplettservice mit Zugführer. 14 E-Loks und 100 Reisewaggons hat TRI inzwischen zur Verfügung – und wenn die Deutsche Bahn oder ein anderes Eisenbahnunternehmen wegen Baustellen, Ausfällen oder sonstigen Schwierigkeiten weitere Wagen oder Züge braucht, gehört TRI inzwischen zu den ersten Ansprechpartnern.
Firmeneigentümer Tobias Richter hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Bereits im dritten Lebensjahr wurden die Weichen des heute 61-Jährigen gestellt. „Ich war fasziniert von einer Bahnschranke, und man hat mich nicht mehr weggekriegt. Schon damals wusste ich, dass ich mal Eisenbahner werden will.“ Seinen Wunsch hat Tobias Richter erfolgreich umgesetzt – nach dem Abi studierte er bei der Bundesbahn, war unter anderem Pressesprecher und hatte auch in weiteren Berufsstationen immer mit Zügen zu tun.
Und dann hatte Tobias Richter die eine, entscheidende Idee, die den Mann aus Mittelfranken auch für den Rems-Murr-Kreis interessant macht. Denn mit der Wende 1989 beschloss er, Originalfahrzeuge der Bahn zu kaufen und aufzubereiten – eigentlich nur fürs Museum, aber dann kam die erste Anfrage, ob er wegen eines Engpasses mit einer seiner Loks aushelfen könnte. Weil es bei der einen Anfrage nicht blieb, machte sich der erfolgreiche Geschäftsmann im Jahr 2013 mit seinem Unternehmen TRI Train Rental selbstständig. „Wir kaufen ausrangierte Fahrzeuge, arbeiten sie auf und verleihen sie bei Bedarf auf Zeit weiter“, sagt Unternehmenseigentümer Tobias Richter.
Die Ersatzfahrzeuge von Train Rental fahren nicht im bekannten „bwegtDesign“
In einen Zug einsteigen und sich dadurch fühlen, als wäre man urplötzlich in die Vergangenheit gereist, das wird damit momentan für zahlreiche Bahnreisende, die mit der Zugverbindung RE90 fahren, Wirklichkeit. Denn auf der Strecke, die von Stuttgart über Schwäbisch Hall-Hessental bis nach Nürnberg reicht und auch Haltestellen im Rems-Murr-Kreis sowie auf den Strecken von Stuttgart bis Würzburg (RE8) und von Stuttgart bis Crailsheim (MEX13) hat, fahren bis auf Weiteres nun auch ältere Zugmodelle, die zwar modernisiert sind, aber doch den alten Charme der Deutschen Bahn zurückbringen. „Vor allem Baureihen, die zwischen 1968 und 1980 gebaut wurden, kommen zum Einsatz“, sagt Tobias Richter, der klein anfing und mittlerweile 130 Mitarbeiter hat und weiter expandiert.
Die Ersatzfahrzeuge von Train Rental fahren nicht im bekannten „bwegtDesign“, sie setzen sich aus Wagen zusammen, die von früheren Regionalzügen her bekannt sind und modernisiert wurden. Sie bestehen grundsätzlich aus einer Lok, vier Mittelwagen und einem Steuerwagen. Die Ersatzzüge halten wie gewohnt an allen Bahnhöfen.
Das Mehrzweckabteil für Fahrgäste im Rollstuhl, mit Kinderwagen oder sperrigem Gepäck befindet sich im Steuerwagen, der planmäßig nach Norden weist, das heißt von Stuttgart weg. Auf der anderen Seite des Zuges, das heißt in Richtung Stuttgart, befindet sich die Lok. Im Zugverband sind weitere Abteile vornehmlich für Radfahrer vorgesehen.
Für mobilitätseingeschränkte Gäste gibt es nur sehr begrenzt Möglichkeiten
Mobilitätseingeschränkte Fahrgäste können ihre Reise vorab anmelden, um Hilfestellung zu bekommen, aber Tobias Richter weist darauf hin, dass die alten Wagen nur bedingt barrierefrei sind. „Wir versuchen in jedem Zug eine Möglichkeit zu bieten, aber das ist leider wirklich nur in sehr geringem Maße umsetzbar.“
Ebenfalls aus früheren Zeiten, aber weit weniger problematisch, ist die Sitzaufteilung. „Heute gibt es mehr Einzelsitze, früher saß man sich eher gegenüber“, erklärt Tobias Richter. Der 61-Jährige sieht darin nur Vorteile, denn man habe so mehr Sitzplätze untergebracht. Ändern wolle man dagegen die nicht vorhandene Internetnutzung. „Am WLAN sind wir dran, aber das mit der fehlenden Klimaanlage ist gar nicht so schlecht, denn wenn sie ausfällt, ist man machtlos, wogegen man in den alten Loks einfach die Fenster öffnen kann.“
Wer Ersatzzüge von TRI nutzen – oder im Umkehrschluss, etwa aufgrund eingeschränkter Barrierefreiheit, eher meiden – will, findet den Fahrplan unter: www.go-ahead-bw.de