Bald wird erneut gegen zwei Mitglieder der Autonomen Nationalisten Göppingen verhandelt. Die Staatsanwaltschaft hatte vergeblich versucht, den Prozess loszuwerden.

Göppingen - Überraschende Nachricht vom Stuttgarter Landgericht: Der Prozess wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen zwei Mitglieder der Autonomen Nationalisten Göppingen geht am 6. Dezember in eine neue Runde. Eigentlich hatten Staatsanwaltschaft und Landgericht versucht, den Prozess einzustellen. Sie hatten über mehrere Monate hinweg mit den insgesamt vier Angeklagten und deren Anwälten verhandelt. Alles hatte darauf hingedeutet, dass es keine zweite Verhandlung geben würde, nachdem der Bundesgerichtshof das erste Urteil aus Stuttgart gegen die Männer kassiert hatte. Doch nun ist bekannt geworden, dass nur zwei der Angeklagten mit der Einstellung einverstanden sind. Die anderen beiden bestehen darauf, dass erneut verhandelt wird.

 

„Vielleicht erhoffen sie sich einen Freispruch“, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Stuttgart, Heiner Römhild. Denn eine Einstellung des Verfahrens bedeute nicht, dass die Angeklagten unschuldig seien. Im Gegenteil. Bei einer Einstellung eines Verfahrens gehe man davon aus, dass die Angeklagten die Straftaten, die ihnen vorgeworfen würden, begangen hätten. Allerdings seien die Straftaten in der Regel so geringfügig, dass sich eine aufwendige Verhandlung nicht lohne und Auflagen, etwa Geldstrafen, als Buße ausreichten. Allerdings müssen einer solchen Verfahrenseinstellung alle Prozessbeteiligten zustimmen, auch die Angeklagten selbst.

Der bisher aufwendigste Neonazi-Prozess im Land

Die 12. Strafkammer des Landgerichts hatte die vier Rechtsextremisten aus dem Raum Göppingen im aufwendigsten Verfahren, das es in Baden-Württemberg bisher gegeben hat, vor drei Jahren der Bildung einer kriminellen Vereinigung für schuldig befunden. Die Kammer hatte an 45 Verhandlungstagen 122 Zeugen vernommen. Die einzelnen Taten, um die es dabei ging, waren nicht spektakulär: Sachbeschädigungen durch Naziaufkleber und -Plakate sowie Farbschmierereien an Gebäuden, ein paar Beleidigungen und Prügeleien.

Doch das Gericht sah den viel schwerer wiegenden Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung als erwiesen an und verurteilte zwei der Angeklagten zu etwas mehr als zwei Jahren Haft, zwei zu Bewährungsstrafen. In Göppingen atmeten damals viele erleichtert auf. Denn die Neonazis hatten mit ihren Kumpanen das Klima in der Stadt über mehrere Jahre hinweg vergiftet. Sie hatten versucht eine „völkisch befreite Zone“ zu errichten und immer wieder mit rechtsextremen Kundgebungen und Zusammenstößen mit Andersdenkenden von sich reden gemacht.

Die selben Beweise und Zeugen wie im ersten Prozess

Doch zwei der Angeklagten gingen in Revision. Der Bundesgerichtshof (BGH) gab ihrer Beschwerde im Mai 2016 Recht (Aktenzeichen: 3 StR 86/16), denn er bezweifelte, dass die Straftaten so erheblich waren, dass sie eine Gefahr für die Bevölkerung darstellten. Und nur in einem solchen Fall, kann juristisch von der Bildung einer kriminellen Vereinigung gesprochen werden. Deshalb kassierte der Bundesgerichtshof das Urteil und verwies das Verfahren zurück an das Landgericht Stuttgart. Dort muss nun eine andere Kammer, nämlich die achte Strafkammer, das Verfahren erneut führen – mit den selben Zeugen und Beweisen wie beim letzten Mal.

Für den neuen Prozess sind laut dem Sprecher des Landgerichts, Johannes Friedrich, zunächst acht Verhandlungstage bis in den Februar 2019 angesetzt. Ob das ausreichen wird und was sich am Ende von den Vorwürfen juristisch halten lassen wird, ist offen. In Göppingen hatten sich dennoch viele gewünscht, dass das Verfahren erneut durchgezogen wird, um es den Neonazis nicht zu leicht zu machen – so etwa das Bündnis Göppingen nazifrei, dass sich stets gegen rechtsextreme Umtriebe in der Stadt und ihrer Umgebung gestellt hat.