Helfen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen, so sollte Zivilcourage aussehen. Achtklässler konnten das im Busprojekt Zivilcourage unter den Augen der Polizei ausprobieren.
Göppingen - Ein Linienbus als Theaterbühne, wo gibt es denn so was? In Göppingen vor dem Hauptbahnhof hat das Busprojekt Zivilcourage des Ludwigsburger Theaters Q-Rage auf Einladung der Polizei gastiert und mit Achtklässlern aus dem Landkreis ein interaktives Theaterprojekt zum richtigen Verhalten in Notsituationen bei Mobbing und Gewalt probiert. Immerhin seien die 15- bis 21-Jährigen die größte Zielgruppe für Übergriffe im öffentlichen Raum, in Bussen und S-Bahnen, begründete Thorsten Göthe von der Polizeidirektion Göppingen die Aktion.
Der rüpelhafte Christian ist kaum zu bremsen
„Nimm mal einen Gang raus, sonst geh ich zum Busfahrer“, versuchte etwa der 13-jährige Simon den rüpelhaften Christian zu bremsen, der gerade die Mitschülerin Lisa im Bus angerempelt und mit dummen Sprüchen belästigt hatte. Auch wenn Christian alias Jörg Pollinger und Lisa, die mit echtem Namen Sandra Hehrlein heißt, von ihrem Alter her eher als Eltern denn als Gleichaltrige durchgehen würden, sind die beiden Schauspieler des Theaters Q-Rage aus Ludwigsburg bei den Schülern aus Süßen mit ihrem Auftritt im Bus auf Anhieb gut angekommen. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass das kleine Ensemble, zu dem auch der Musiker Michael Fiedler gehört und das im Auftrag des Landeskriminalamts mit dem Mitmachstück durch das Land tingelt, eine ganz alltägliche Situation thematisiert.
Lisa ist nicht gut drauf, weil sie ihr Bioreferat komplett vermasselt hat. Auf der Heimfahrt im Bus macht sich ihr Mitschüler Christian nicht nur über Lisas Misserfolg lustig, er zieht sie auch wegen ihrer angeblichen Schweißflecken auf und entreißt ihr schließlich sogar das Biobuch, das ihr der Lehrer Meier zum Nacharbeiten aufs Auge gedrückt hat.
„Ein Wort – und du kriegst Stress.“
„Gib mir das Buch zurück“, bittet Lisa, erntet aber nur höhnisches Lachen. „Ich sag’s dem Meier“. Da wird Christian pampig, drängt das Mädchen gegen die Bustür und packt sie mit den Worten am Kragen: „Ein Wort zu Meier und du kriegst Stress!“
Helfen, ohne sich selbst zu gefährden
Solche und ähnliche Situationen kennen auch die 13- bis 14-jährigen Realschüler aus Süßen und erzählen schon nach dem ersten Durchgang der kurzen Szene von ihren eigenen Erlebnissen mit verbalen und körperlichen Übergriffen. „Wo sind denn hier die Grenzen überschritten worden“, fragt Sandra Hehrlein und reicht das Mikrofon zwischen den Jugendlichen hin und her. Nach der ersten Analyse werden Ideen gesammelt, wie Jugendliche reagieren könnten, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Dann folgt der zweite Durchgang, und jeder darf in den Dialog eingreifen, wann und wie er möchte.
Deeskalation ist besser als Provozieren
Spätestens bei der Manöverkritik wird deutlich, dass es immer auch um Deeskalation geht. „Ihr müsstet mit einer Anzeige rechnen, wenn ihr ebenfalls provoziert und euch hinreißen lasst, selbst zuzuschlagen, das hat nichts mit Notwehr zu tun“, macht Polizist Göthe klar.
Dank der schlagfertigen Moderation der Schauspieler wurden auch gleich noch die Alternativen ausprobiert wie Hilfe beim Busfahrer zu suchen, das Opfer Lisa verbal in Schutz zu nehmen oder ihr einen sicheren Sitzplatz anzubieten, wie es mehrere Schülerinnen vorgeschlagen hatten.