Im Gespräch mit Zeitzeugen werden die historisch gewachsenen Unterschiede zwischen Merklingen und Weil der Stadt deutlich.

Das Verhältnis war immer emotional, Merklingen und Weil der Stadt waren wie Hund und Katze“, sagt Hans Joachim Dvorak. Allein dadurch, dass die Reichsstädter katholisch und die württembergischen Merklinger evangelisch waren, und dass die ländliche Gemeinde Merklingen relativ wohlhabend war, denn dort gab es Wasser, Wiesen und Wald in reichem Maße, während die Nachbarstadt oft weniger gut betucht war, so der frühere Vorsitzendes des Heimatkreises Merklingen.

 

Dvorak kam im Alter von sechs Jahren ins damals selbstständige Merklingen. Der heute 75-Jährige ist tief in die Orts-Geschichte eingetaucht und hat die Wochenblätter aus der Zeit der Gemeindereform in den 1970er Jahren gesammelt. Darin wurde die Vereinbarung veröffentlicht, die Weil der Stadt und Merklingen im Jahr 1972 zum bevorstehenden Zusammenschluss getroffen hatten. Es wurde durchaus „Lockstoff“ geboten: der kleiner Partner solle sogar ein Freibad bekommen. Einer von zahlreichen Punkten, aus denen nichts geworden sei, so Dvorak. Er sei bestimmt nicht gegen die neue Stadt, betont er. Aber vieles sei schwierig aufgrund des Geldmangels. „Bei manchen Merklingern herrscht immer noch der Eindruck, dass – übertrieben gesagt – die Sanierung der Stadtmauer wichtiger ist als ein Kindergarten in Merklingen“, sagt Dvorak.

Ein freiwilliger Zusammenschluss

Deutlich wurde diese vor Kurzem, als es im Gemeinderat um die Aufteilung der Gemarkungsflächen für Häugern-Nord ging. Das neue Baugebiet liegt zwar zu zwei Dritteln auf Merklinger Gemarkung, aber räumlich in direkter Nachbarschaft zur Bebauung der Kernstadt und zum Bahnhof. Die Stadträte stritten darüber, welchem der beiden Stadtteile das Gebiet zuzuschlagen sei oder ob Merklingen einen Ausgleich dafür bekommt, dass das neue Wohngebiet künftig zu Weil der Stadt gehört. Manfred Bürklen kann darüber nur den Kopf schütteln. Der langjährige Gemeinderat hat an der Fusion – „es war keine Eingemeindung, sondern ein freiwilliger Zusammenschluss“, betont er – mitgewirkt. „Es war klar, dass man die innerstädtischen Gemarkungsgrenzen aufgibt, da hat doch niemand einen Nachteil“, sagt der heute 84-Jährige. Der Weil der Städter hatte später als Erster Beigeordneter der Stadt sein Büro im Rathaus in Merklingen und habe als Vertreter der Gesamtstadt dort keinerlei Probleme gehabt. „Im Großen und Ganzen sind wir gut zusammengewachsen“, lautet sein Resümee nach Jahrzehnten in der Kommunalpolitik.

Zwei ungleiche Nachbarn

Fest verwurzelt in Weil der Stadt ist die Familie von Wolfgang Schütz. Im heutigen Stadtmuseum, das er ehrenamtlich leitet, hat er als Kind gelebt. Als junger Lehrer am Johann-Kepler-Gymnasium ließ er sich 1968 in Merklingen nieder, wo der 81-Jährige seither wohnt und wo sein Onkel Siegfried Schütz viele Jahre als „Landarzt“ tätig war. Ebenso wie dieser ist Wolfgang Schütz leidenschaftlicher Heimatforscher. „Obwohl ich schon so lange in Merklingen wohne, kenne ich mich in Weil der Stadt besser aus“, so der Ehrenbürger der Stadt. „Die Vereinigung hat mir damals keine schlaflosen Nächte verursacht.“ Er verstehe den Standpunkt der Merklinger gut, die eine eigene und eben andere Geschichte haben.

Als Heimatforscher weiß er, dass die wohlhabende Landgemeinde Merklingen und das traditionsreiche Weil der Stadt zwei sehr ungleiche Nachbarn waren und das nicht nur wegen Konfessionen und politischen Zugehörigkeiten. Da gibt es auch noch die schwäbisch-fränkische Dialektgrenze, die zwischen den beiden Orten verläuft, erklärt er. Die bescherte den Merklingern den Spitznamen „Heigäwele“, die katholischen Weil der Städter wurden „Kreuzköpf“ genannt. Es konnte früher vorkommen, erzählt Wolfgang Schütz, der Historie gern mit einer Prise Humor würzt, dass ein Merklinger, der zum Einkaufen in ein Geschäft am Weil der Städter Marktplatz kam, vom Ladeninhaber gefragt wurde: „So, wie isch’s denn draußen auf‘m Land?“

Immer den Kepler im Blick

Hans Joachim Dvorak hat auch eine Anekdote parat. Er erzählt von einem Freund, „der fürchterlich gegen Weil der Stadt“ sei. „Einmal war ich auf dem Marktplatz, als man dort noch parken durfte, und sein Auto stand direkt neben dem Kepler-Denkmal. Ich hab‘ an sein Fenster geklopft und gesagt, des darf jetzt aber net wahr sein, du direkt neben dem Kepler. Seine prompte Antwort war ‚ja, aber angeguckt hab‘ ich ihn nicht.“