Der US-Internetkonzern baut München zum größten deutschen Standort aus und erlaubt auf eigene Art einen Blick hinter die Kulissen.

München - Wenn US-Internetkonzerne zur Eröffnung eines Entwicklungszentrums laden, sind dazu gereichte Informationen und Einblicke in das Innenleben recht eigen. Das gilt umso mehr, wenn es sich um die Datensammelkrake Google handelt. Die baut München gerade zum größten deutschen Standort aus – noch vor der Hamburger Deutschland-Zentrale – und verdoppelt dazu das Entwicklungspersonal an der Isar auf 800 IT-Spezialisten. In welchem Zeitraum das geschehen soll und was Google sich die Investition kosten lässt, könne er leider nicht sagen, sagt Wieland Holfelder. Er ist nicht irgendwer sondern Google-Entwicklungschef Deutschland und Hausherr in der Münchner Entwicklungszentrale. Dafür weiß er anderes. „Monatlich verpressen wir hier zweieinhalb Tonnen Orangen zu Saft, wir wollen Mitarbeitern was bieten.“

 

Dann beginnt eine recht eigenwillige, man könnte auch sagen leicht chaotische Führung durch das Gebäude. Man sei vom großen Andrang völlig überrascht, sagen Google-Repräsentanten. Überrascht über Andrang, wenn Google einen Blick in eine große Entwicklungszentrale also mit das Geheimste des Konzerns anbietet? Im Vorbeigehen sieht man Massagebänke. „Zweimal die Woche haben wir eine Masseurin hier, wird gut genutzt“, erklärt Holfelder.

Optisch gewöhnungsbedürftig ist ein Raum, den der US-Konzern „bavarian library“ nennt. Das Bayerische der mitarbeitereigenen Bibliothek sind offenkundig große Leuchter aus Hirschgeweih. Auch Brettspiele gibt es hier und Tische zum Zocken. Jeder Mitarbeiter könne jederzeit kommen, sagt Holfelder. Das gilt auch für den Fitnessraum mit eigenem Trainer und allerlei Gerät, das einen professionellen Betrieb neidisch machen würde. Für Beschäftigte ist alles gratis. Eine Arbeitszeiterfassung gebe es bei Google nicht, erklärt der Hausherr. Für Beförderungen seien nicht Manager sondern Mitarbeiter-Komitees zuständig. „Die Kollegen merken schon, wenn jemand nur im Fitnessstudio ist“, beschreibt Holfelder die internen Spielregeln des Google-Universums.

In München werden Datenschutzprodukte entwickelt

Auf den Gängen wuselt es. Oft hört man englische Satzfetzen. Junge, schlanke Menschen überall. Unwillkürlich denkt man an den Fitnessraum oder den Basketballplatz. Dazu Kantinen mit aktuell asiatischen Themenwochen und einem selbst gebrauten Bier, alles bio versteht sich. Die Google-Zentrale in Innenstadtlage versprüht die leicht Party-lastige Atmosphäre eines lebhaften Universitätscampus. „Typisch kreative und innovative Google-Arbeitswelt“ heißt das Ganze in der Selbstdarstellung. Nur vereinzelt wird beim Rundgang der Blick durch einen Türrahmen auf Computerarbeitsplätze frei. Server gibt es keine, alles läuft per Cloud. Täglich 100 Billionen Bits werden hier bewegt.

Der Stellenwert des Standorts München ist auch im globalen Google-Maßstab beachtlich. Hinter Zürich mit 1600 Entwicklern wird er nun zum zweitgrößten in Europa ausgebaut. Mit 800 Spezialisten, die binnen zwei bis vier Jahren an Bord sein sollen, wie man dann doch noch zugeraunt bekommt, wird er sogar die Hamburger Deutschland-Zentrale mit 500 Beschäftigten überflügeln. In München ist zudem die weltweite Entwicklung aller Datenschutzprodukte angesiedelt. „Das Thema hat in Deutschland einen besonderen Stellenwert“, erklärt Datenschutzchef Stephan Micklitz die Wahl des Standorts dafür. Wer überzeugt bei der Arbeit ist, leiste mehr und es falle dann auch leichter, Spitzenpersonal zu rekrutieren. Allgemein hat Google damit kein Problem bei weltweit rund zwei Millionen Bewerbungen jährlich. In der IT-Branche sei Google Deutschlands beliebtester Arbeitgeber, betont Micklitz.

Doppelt so viele Entwickler brauche man am Standort in den nächsten Jahren, weil das Thema Datensicherheit weltweit immer wichtiger werde.