Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

In Zukunft, meint der Londoner Geschichtsprofessor Jerry Brotton, werde man „noch sehr viel genauere, zunehmend interaktive und auf den Benutzer zugeschnittene“ Straßen- und Landkarten aus dem Web zu sehen bekommen: „Irgendwann wird wahrscheinlich auch der grafische Bildschirm anderen Formen erweiterter Realität Platz machen. Dann werden wir hören, riechen und sogar berühren können, was die Karten uns zeigen.“

 

Wieviel Umbruch diese Entwicklung im alten Königreich der Forscher, Abenteurer, Seeleute und Kolonialisten verursacht, ist an einer anderen großen britischen Institution abzulesen: dem „Ordnance Survey“ (OS), dem Landesvermessungsamt Britanniens. Fast 225 Jahre alt ist der OS. Sein Kartenschatz soll der detaillierteste und umfangreichste der Welt sein. Hunderte von Kartografen arbeiten für das Ordnance Survey, teils durchs Land marschierend und teils in Flugzeugen, aus der Luft.

Karten gehören zum kulturellen Vermächtnis

Mit seinen schönen, maßstabsgetreuen Karten, in feinen Wasserfarben und voll sorgsam gewählter Symbole, gehört das OS-Opus zum großen kulturellen Vermächtnis des Königreichs. Ihre imperiale Geschichte ebenso wie die Liebe zur heimischen Landschaft mag den besonderen Enthusiasmus der Briten für Karten erklären. Was die Geschichte betrifft, waren die OS-Ursprünge ja tatsächlich militärischer Art. Die Obrigkeit in London begann sich für Kartografie zu interessieren, als im 18. Jahrhundert die Schotten rebellierten. Zur Abwehr von Feinden aller Art wurden präzise Karten gebraucht. Den Süden Englands fing man an zu vermessen, als eine Invasion Napoleons befürchtet wurde. Viel später, in der Ära der Weltkriege, liefen die OS-Druckerpressen auf Hochtouren. 400 Millionen Karten sollen allein im Zweiten Weltkrieg produziert worden sein.

All die Jahre aber bildete der „Ordnance Survey“ zugleich die Grundlage für Straßenatlanten, Wanderkarten, Stadtpläne, kommunale Planungsvorhaben. Das Copyright lag beim Staat – weshalb vor noch nicht allzu langer Zeit Schulkinder, die eine OS-Karte für eine Hausarbeit fotokopieren wollten, bei der örtlichen Bücherei schriftlich Erlaubnis einholen mussten.

Neue Zielgruppen werden gesucht

Solch antiquierten Praktiken und der dominanten Rolle der amtlichen Kartenherstellung, hat das Internet ein Ende gesetzt. Inzwischen sah sich der OS gezwungen, sein Material zum Online-Abruf freizugeben. Bedrängt von Google und anderen, versucht der „Ordnance Survey“ – jetzt teilprivatisiert – neue Zielgruppen zu erreichen. Wobei globale Konzerne wie Google natürlich weit größere Ressourcen ins Feld führen als der alte nationale Vermessungsbetrieb.

Riechen, was die Karten sagen

In Zukunft, meint der Londoner Geschichtsprofessor Jerry Brotton, werde man „noch sehr viel genauere, zunehmend interaktive und auf den Benutzer zugeschnittene“ Straßen- und Landkarten aus dem Web zu sehen bekommen: „Irgendwann wird wahrscheinlich auch der grafische Bildschirm anderen Formen erweiterter Realität Platz machen. Dann werden wir hören, riechen und sogar berühren können, was die Karten uns zeigen.“

Wieviel Umbruch diese Entwicklung im alten Königreich der Forscher, Abenteurer, Seeleute und Kolonialisten verursacht, ist an einer anderen großen britischen Institution abzulesen: dem „Ordnance Survey“ (OS), dem Landesvermessungsamt Britanniens. Fast 225 Jahre alt ist der OS. Sein Kartenschatz soll der detaillierteste und umfangreichste der Welt sein. Hunderte von Kartografen arbeiten für das Ordnance Survey, teils durchs Land marschierend und teils in Flugzeugen, aus der Luft.

Karten gehören zum kulturellen Vermächtnis

Mit seinen schönen, maßstabsgetreuen Karten, in feinen Wasserfarben und voll sorgsam gewählter Symbole, gehört das OS-Opus zum großen kulturellen Vermächtnis des Königreichs. Ihre imperiale Geschichte ebenso wie die Liebe zur heimischen Landschaft mag den besonderen Enthusiasmus der Briten für Karten erklären. Was die Geschichte betrifft, waren die OS-Ursprünge ja tatsächlich militärischer Art. Die Obrigkeit in London begann sich für Kartografie zu interessieren, als im 18. Jahrhundert die Schotten rebellierten. Zur Abwehr von Feinden aller Art wurden präzise Karten gebraucht. Den Süden Englands fing man an zu vermessen, als eine Invasion Napoleons befürchtet wurde. Viel später, in der Ära der Weltkriege, liefen die OS-Druckerpressen auf Hochtouren. 400 Millionen Karten sollen allein im Zweiten Weltkrieg produziert worden sein.

All die Jahre aber bildete der „Ordnance Survey“ zugleich die Grundlage für Straßenatlanten, Wanderkarten, Stadtpläne, kommunale Planungsvorhaben. Das Copyright lag beim Staat – weshalb vor noch nicht allzu langer Zeit Schulkinder, die eine OS-Karte für eine Hausarbeit fotokopieren wollten, bei der örtlichen Bücherei schriftlich Erlaubnis einholen mussten.

Neue Zielgruppen werden gesucht

Solch antiquierten Praktiken und der dominanten Rolle der amtlichen Kartenherstellung, hat das Internet ein Ende gesetzt. Inzwischen sah sich der OS gezwungen, sein Material zum Online-Abruf freizugeben. Bedrängt von Google und anderen, versucht der „Ordnance Survey“ – jetzt teilprivatisiert – neue Zielgruppen zu erreichen. Wobei globale Konzerne wie Google natürlich weit größere Ressourcen ins Feld führen als der alte nationale Vermessungsbetrieb.

Karten sind beliebt – als Wandschmuck

Christopher Board von der Gesellschaft fürs Kartenstudium in England hält eine aus öffentlichen Mitteln finanzierte Karten-Produktion für unerlässlich: „Wenn man das Geschäft der Privatindustrie überlässt, gibt es nur noch Karten der populärsten Urlaubsgebiete – während riesige Bereiche von Agrarland, Moorgebieten oder Pachtland unberücksichtigt bleiben.“

Derweil zeugen immer neue Ausstellungen und Publikationen von einer wachsenden Karten-Nostalgie. Selbst Kaufhausketten wie John Lewis melden plötzlich kräftigen Aufschwung beim Verkauf von Karten. Karten allerdings, die keinem anderen Zweck dienen als dem, vom Käufer schön gerahmt daheim als Zimmerdekor verwendet zu werden. Als schmückender Wandbehang werden die wertvollen alten Wegweiser immer populärer. Zur eigenen Fortbewegung verlässt sich die Nation lieber auf den Bildschirm in der Hand.