Grammy-Gewinnerin Billie Eilish Der Star, der aus dem Kinderzimmer kam

Billie Eilish ist 18, hat auf Instagram mehr Follower als Donald Trump und ist jetzt die große Abräumerin bei der Grammy-Verleihung. Zu recht: Ihr Debütalbum „When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“ steckt voller düsterer Popfantasien und ist viel zu gut, um es kreischenden Teenies zu überlassen.
Los Angeles - Auf einmal hat sich das kleine Mädchen in ein Nachtgespenst verwandelt, lauert einem unter dem Bett auf, wird zu jenem Ungeheuer, das der Schlaf der Vernunft gebiert. Billie Eilish kriecht flüsternd, seufzend, jammernd durch das unheimlich blubbernde Schlaflied namens „Bury A Friend“, hangelt sich an einem nervös-geheimnisvoll tuckernden Elektro-Shuffle-Beat entlang, zerrt darunter einen hypnotischen Singsang hervor, der unruhig träumen lässt. Wohin gehen wir, wenn wir einschlafen, fragt Eilish, verstört und betört einen gleichermaßen in diesem düster eingefärbten Lied über Verlust, Trauer und Selbstfindung, bei dem auch Hamlet vorbeihuschen darf: „Sterben, schlafen, schlafen, vielleicht träumen“.
Der größte Teenie-Hype seit Justin Bieber
„Bury A Friend“ ist ein Song, auf den sich gerade alle einigen können sollten – depressiv veranlagte Teenager ebenso wie dauerskeptische Popkritiker. Und Billie Eilish, die hinter diesem Lied steckt, ist die Popsensation der Saison. Die 18-jährige, die den nächsten James-Bond-Song singen wird, gewann bei der Grammy-Gala in der Nacht auf Montag in Los Angeles die Auszeichnungen „Album Of The Year“, „Best Pop Vocal Album“, „Best New Artist“ und „Song Of The Year“ – allerdings nicht für „Bury A Friend“, sondern für „Bad Guy“.
Damals war Billie Eilish 13. Inzwischen ist sie 18 und hat über 50 Millionen Abonnenten auf Instagram. Ihr Debüt „When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“, das im März 2019 erschien, hat sich über drei Millionen Mal verkauft. Seit Justin Bieber hat kein Teenager mehr so viele andere Teenager in Aufruhr versetzt.
Grandios inszenierte Popfantasien
Allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass Billie Eilishs emotional aufgeladener Mix aus Hip-Hop, Avantgarde, Pop und Teenie-Schwermut viel zu gut ist, um damit nur Kinderzimmer zu beschallen. Denn obwohl hier jemand seine eigene Pubertät, seine eigenen Unsicherheiten vertont, sind bereits die Lieder von Billie Eilish 2017 erschienener EP „Don’t Smile At Me“ kein Kinderkram, sondern grandios inszenierte Popfantasien: Das sich fies um einen Beat schlängelnde „Copycat“ zum Beispiel, das niedlich-gemeine Ukulele-Lied „Party Favor“, die Ballade „idontwannabeyouanymore“, in der sie von Tränen erzählt, die ganze Swimmingpools füllen können, oder die gefährlich zuckende Brandstifter-Ode „&burn“, bei der Vince Staples als Gast zu hören ist – Songs, die schon damals erahnen ließen, was man noch alles von Billie Eilish erwarten durfte.
Mehr als nur ein Coming-of-Age-Soundtrack
Irgendwo zwischen Lana Del Rey und St. Vincent, zwischen Dark Wave und Bubblegum Pop findet Billie Eilish auch auf „When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“ ihre musikalische Lücke, nicht nur in „Bury A Friend“, füllt sie mit Zittern, Wabern, Blubbern sowie einer Überdosis Larmoyanz und Aufmüpfigkeit.
Da gibt es Platz für fies zickende und von Selbstbewusstsein strotzende Elektropop-Rabauken wie „You Should See Me In A Crown“, für empfindsam-labile Stimmungsbilder wie „When The Party’s Over“, für sensationell dekorierte und mit entzückender Grandezza vorgetragene Popballaden wie „I Wish You Were Gay“, für vertrackte Beats, dumpfe Bässe, großartige Melodien, poetische Tiefe und Vieldeutigkeit.
Die machen das Album zu viel mehr als einem Coming-of-Age-Soundtrack, sie lassen einen hoffen, das dieses umtriebige Nachtgespenst namens Billie Eilish uns noch viele wunderbare Albträume bescheren wird.
Unsere Empfehlung für Sie

Rosamund Pike in „I care a lot“ Schneidiges Biest mit fieser Masche
Golden Globe-Gewinnerin Rosamund Pike spielt im Netflix-Thriller „I care a lot“ die Meisterin eines bösen Geschäftsmodells. Dabei gerät sie an ein gefährliches Opfer.

Billie Eilish: The World’s A Little Blurry Billie Eilish ganz privat
Was Sie schon immer über Billie Eilish wissen wollten, sich aber nie zu fragen getraut habe: Die Filmdoku „The World’s A Little Blurry“ auf Apple TV+ gibt die Antworten – auch was diese Sache mit Justin Bieber betrifft.

Streamingtipps für März 10 Serien, die Sie jetzt bei Netflix, Amazon und Co. nicht verpassen sollten
Michelle Obama, Hirnforscherinnen und andere Superhelden: Diese zehn Streamingserien sollten Sie im März nicht verpassen.

Wiederveröffentlichung der Band Familie Hesselbach Tübingens Version der Talking Heads
Die Tübinger Band Familie Hesselbach hat sich 1985 aufgelöst. Nach einer Wiederveröffentlichung 2011 fand sie live wieder zusammen. Seither sind zwei weitere Platten quasi ausverkauft. Woher kommt die neue Lust auf alte Popmusik?

Pop-Förderer Walter Ercolino im Gespräch „Stuttgart droht ein kultureller Kahlschlag“
Als „Pop-Lobbyist“ bezeichnet sich Walter Ercolino, der Leiter des Pop-Büros Region Stuttgart. In der Pandemie kämpft er als Krisenmanager für Musiker, Veranstalter und Clubs.

Das neue Album der Foo Fighters Dave Grohls Rock’n’Roll-Medizin
Auf dem neuen Album „Medicine at Midnight“ greift der Foo Fighters-Chef und frühere Nirvana-Drummer Dave Grohl Stimmungen auf und ringt dem Classic Rock noch Facetten ab.