Wenn es ums Heiraten ging, kamen sich die Herrscherhäuser von Russland und Württemberg oft nahe. Davon erzählt die Landesausstellung „Im Glanz des Zaren“ im Alten Schloss.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Wahrscheinlich bedarf es für eine gute Ehe einfach nur verlässlicher Absprachen. Paul jedenfalls schickte seiner Zukünftigen vor der Hochzeit eine ausführliche Liste, wie sie sich fortan zu verhalten habe. Russisch müsse sie lernen, sparsam sein, auch geduldig und sanftmütig. Vor allem habe sie seine Launen zu ertragen und solle sich ihm gegenüber so verhalten, wie er es wünsche. Die Ehe gelang.

 

Aber Sophie Dorothee heiratete den kleinen Paul mit der Stupsnase ohnehin nicht aus Liebe, sondern weil es wichtige Machthaber so beschlossen hatten: Katharina die Große und Friedrich der Große. Sie erhoffte sich für Russland, er für Preußen Vorteile, wenn das nette Mädchen aus Württemberg einen russischen Romanow heiraten würde, den Thronfolger Paul I.

Sophie Dorothee fügte sich, trat zum orthodoxen Glauben über, bekam den Namen Maria Fjodorowna und zog nach Russland. Im Landesmuseum Württemberg zeigt eine Landkarte, wie elendig weit weg dieses Russland von der Heimat entfernt war. Denn im Alten Schloss von Stuttgart führen von diesem Wochenende an fünf Frauen das Regiment: jene Fürstentöchter aus Württemberg, die bei den Romanows einheirateten – Sophie Dorothee und Charlotte Marie. Und jene drei Russinnen, die umgekehrt nach Stuttgart kamen: die kaum bekannte Wera sowie Katharina und Olga, die bis heute in Stuttgart sehr präsent sind – von der Olgastraße bis zum Katharinenhospital.

Die Vitrinen biegen sich vor lauter Gold

Im Glanz der Zaren“ nennt sich die Große Landesausstellung, in der es glitzert und glimmert und sich die Vitrinen unter dem schweren Gold schier biegen. Allein die Mitgift von Olga ist unverschämt prächtig. 300 Kisten wurden aus Russland mit dem Schiff verschickt, über den Rhein nach Mannheim und von dort weiter mit Karren und Kutschen nach Stuttgart. Darin Kerzenhalter, Etageren und riesige Prunkvasen, Kannen und Schalen, Reiseservice und Schreibtischgarnitur, Schätze aus Gold, Silber, Lapislazuli, Rosenquarz und Malachit. Oder das weiße Krönungskleid von Maria Fjodorowna: ein Meisterstück aus Silberfaden und Flittergold, Pailletten, Taft und Glanzbrokat. Nach der Krönungsfeier wanderte es in die Rüstkammer des Kremls – und ist nun nach mehr als 200 Jahren zum ersten Mal außerhalb Moskaus zu sehen, sogar frisch restauriert.

Aber die Kuratoren Katharina Küster-Heise und Fritz Fischer wollen nicht nur mit dem unverschämten Prunk und Luxus prahlen. Sie wollen nicht in den schönen Schätzen schwelgen, sondern haben ein vielschichtiges Konzept entwickelt. Es geht um die politischen Zusammenhänge wie das private Lebensglück der Frauen, um ihre Rolle in der Gesellschaft und ihre Taten. Die mehr als 500 Exponate, von denen 216 aus Russland geliehen wurden, die Gemälde und Stiche, Möbel und Kleidungsstücke, Waschutensilien und Frühstückstässchen erzählen vom Leben bei Hofe und spannen dabei einen kulturgeschichtlichen Bogen vom 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert, vom Klassizismus bis zum aufkommenden Jugendstil.

Ein roter Läufer zieht sich durch die Ausstellung. Tapeten schaffen Schlossatmosphäre, Lüster hängen an den Decken, Möbel wurden wie einst arrangiert – etwa das Kabinett, in dem Sophie Dorothee Erinnerungsstücke aus der Heimat versammelte wie die Dannecker-Gipsbüste ihrer verstorbenen Mama. Auch Olgas Schlafzimmer wurde nachgestellt mit dem goldenem Ehebett, in dem sie die Nächte mit ihrem Mann, dem König Karl I. verbrachte, der sich allerdings mehr für seine Günstlinge interessierte. Auch Fürsten, Könige und Zaren sind eben nur Menschen.

Silvester wird in Wien gefeiert

Sophie Dorothee und ihr Mann Paul bekamen von Friedrich dem Großen ein „Tête-à-tête“ geschenkt – ein Frühstücksservice für intime Stunden – mit ihren eigenen Porträts darauf. Die beiden sollen durchaus glücklich, sogar verliebt gewesen sein – wie Briefe belegen, in denen sie „mein Herzblatt“ schreiben und „ich liebe Dich“. Das junge Paar reist viel; Künstler dokumentieren die Stationen. In Rom empfängt sie der Papst, in Venedig feiern sie die Nächte durch, in Stuttgart herzen sie die Verwandtschaft, in Wien begehen sie „DAS NEVE IAHRSFEST IN WIENN Ano 1782“. In der Nähe von Petersburg lassen die beiden sich ein Schloss mit gigantischem Park anlegen – so groß wie der Stuttgarter Talkessel. Man kann verstehen, dass sich das Mädchen aus der beschaulichen württembergischen Enklave Mömpelgard in diesem Luxus wohl fühlte.

Kleine Kojen in der Ausstellung lenken den Blick aber auch darauf, was außerhalb der Schlösser geschah, dort, wo man nicht in goldenen Bettchen schlief, aus goldenen Tässchen trank und von goldenen Tellern aß. „Reichtum und Armut, Pracht und Elend: man springt von dem einen zum anderen“, schrieb Georg Seume über die russische Gesellschaft, in der Bauern „wie Höhlenmenschen“ wohnten.

Alle fünf Frauen engagieren sich sozial. Sophie Dorothee unterstützt Armenküchen und Waisenhäuser. Charlotte Marie treibt soziale Reformen voran, setzt sich für die Abschaffung der Leibeigenschaft ein und organisiert Hilfen für Kriegsopfer. Auch als Katharina nach Stuttgart kommt, regiert der Hunger im Land. „Die halbe Bevölkerung schlich bettelnd umher, eine hohläugige, zerlumpte, sieche Armee des Hungers“, heißt es da. Sie gründet einen Wohltätigkeitsverein und das erste moderne Krankenhaus, Olga hilft später Blinden.

Im Nachthemd flieht die Königin in den Park

So sind sie durchaus ambivalente Figuren: hier sozial gestimmt, dort konservative Luxusgeschöpfe. Katharina gibt sich gern bescheiden, hat aber ehrgeizige Pläne für die Residenzstadt: Sie will Triumphbogen und Sommertheater bauen lassen – aber stirbt zu früh mit nur dreißig Jahren. Sie soll einen Schlaganfall erlitten haben, ausgelöst durch einen hysterischen Anfall. Angeblich hatte sie (die natürlich auch einen Liebhaber hatte) ihren Mann mit seiner Geliebten erwischt, rannte dünn bekleidet ins Freie und verkühlte sich.

Eine kolorierte Radierung zeigt den „Tempel auf dem Rothenberg bei Stuttgart, welcher „die irdischen Reste Ihrer Majestät der verewigten Königin von Württemberg enthält“. Die Grabkapelle auf dem Rotenberg ist heute eines der Wahrzeichen der Stadt. Als Katharina starb, stand auf dem Hügel noch die Stammburg der Württemberger. König Wilhelm ließ sie kühn abreißen für das Mausoleum seiner Gattin, weil das in seine Selbstinszenierung passte: Er wollte seine große Liebe zu Katharina dokumentieren, die in der Bevölkerung sehr beliebt gewesen war.

Schon damals gab es vieles, was auch heute noch zur Monarchie gehört – von der Selbstinszenierung bis zum Starkult. So wurde Katharinas Federkiel, eine hundsgewöhnliche Gänsefeder, sorgfältig aufbewahrt wie eine Heiligenreliquie. Die Ludwigsburger Porzellanmanufaktur fertige Tassen mit ihrem Bildnis, gerade so, wie heute bei Kate und William.

Olga leidet unter dem Tratsch der Schwaben

Und wie in jeder großen Familie kann man auch bei den Württembergern und den Romanows manchmal durcheinander kommen, wer nun wie mit wem verwandt ist. In der Ausstellung sind die Objekte nicht beschriftet, stattdessen bekommen die Besucher ein kostenloses Begleitbüchlein mit Erklärungen, Geschichten und Anekdoten, die eine Ahnung geben, wie diese Frauen waren, die so anmutig wie würdig von den großen Ölgemälden blicken.

Olga, die man als sanfte Schönheit von dem Porträt von Franz Xaver Winterhalter kennt, war nicht glücklich in ihrer Ehe. Da sie keine Kinder bekamen, adoptierte sie ihre Nichte Wera, die letzte der Romanows in Württemberg. Olgas zahllose Briefe an ihre Verwandtschaft in Russland lassen ahnen, wie heftig ihr Heimweh war. Sie litt auch unter dem Tratsch. Denn auch den gab es damals bereits: „Ich verstehe nicht, wer diese Gerüchte über mich in Umlauf bringt; hier hält man mich für schwanger, in Petersburg für schwindsüchtig.“

Öffnungszeiten der Ausstellung „Im Glanz der Zaren“

Die Ausstellung
„Im Glanz der Zaren“ ist von Samstag, 5. Oktober, an bis zum 23. März 2014 zu sehen und immer von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet. „Märchenhaftes Russland“ im Kindermuseum ist von Samstag an täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr geöffnet.