Eine Batteriezellenfabrik für Elektroautos – dieses Thema treibt schon lange die hiesigen Politiker um. Trotz beachtlicher Förderung haben bisher (fast) alle Unternehmen abgewunken. Nun wagt es ein chinesischer Konzern: CATL investiert 240 Millionen Euro in ein Werk.

Peking - Hoch aus der Luft sehen die Fabrikgebäude aus wie elektronische Komponenten: streng rechteckig, mit grauen Fassaden und funkelnd blauen Solardächern. Daneben erheben sich wie Skelette die Umrisse neuer Werkshallen. Am Rande der ostchinesischen Großstadt Ningde entsteht die weltweit größte Fertigung von Batterien für Elektroautos. An der Mauer neben dem Tor steht in blauen Lettern „CATL“. Die gleiche Firma wird nun auch in Deutschland langsam zu einer bekannte Größe. Bei den Regierungskonsultationen in Berlin haben Vertreter von CATL und des Landes Thüringen den Bau einer riesigen Fabrik für Batteriezellen bei Erfurt vereinbart. BMW gehört bereits zu den Kunden von CATL. Die Bayern kaufen Batteriezellen im Wert von vier Milliarden Euro bei CATL. Zellen im Wert von 1,5 Milliarden Euro sollen ab 2021 aus der geplanten CATL-Fabrik in Erfurt kommen, sagte BMW-Einkaufsvorstand Markus Duesmann in München. Von Erfurt würden die Zellen dann ins 400 Kilometer entfernte BMW-Werk Dingolfing gefahren, wo sie zu Modulen für den vollelektrischen BMW i-next zusammengebaut würden. Zellen für weitere 2,5 Milliarden Euro kauft BMW bei CATL in China. Auch Daimler hat Interesse bekundet. In China wird Volkswagen demnächst zu den Großkunden gehören.

 

CATL hat reichlich Geld für die Expansion: Das gerade einmal sieben Jahre alte Unternehmen hat am Anfang Juni an der Börse zwei Milliarden Euro eingesammelt, um die weltweite Expansion zu finanzieren. Der Bau der Batteriezellfabrik auf deutschem Boden ist ein schlauer Schachzug: Er passt zur chinesischen Gesamtstrategie, dass Auto-Akkus künftig „Made by China“ sein sollen – doch zugleich rückt der Zulieferer an seine Kunden heran. Auch politisch ist die Investition willkommen.

Chinesen haben ehrgeizige Ziele

Bisher haben chinesische Unternehmen in Deutschland eher Firmen zugekauft, statt echte neue Anlagen zu errichten. Jetzt investiert CATL in Erfurt 240 Millionen Euro und schafft langfristig bis zu 1000 Arbeitsplätze. Die chinesischen Batteriehersteller folgen bei alldem den Anreizen der chinesischen Wirtschaftsplaner: China will Großmacht der Elektromobilität werden und arbeitet jetzt schon die globale Marktführerschaft für eine entscheidende Komponente. Denn während am herkömmlichen Auto der Verbrennungsmotor den höchsten Anteil an der Wertschöpfung hat, ist es am Elektroauto die teure Batterie. Sie macht rund 40 Prozent des Preises aus. Wer die Akkus hat, beherrscht das Herzstück der Autoindustrie der Zukunft, so die Logik der Chinesen.

Derzeit ist der Markt zwar noch einigermaßen gleichmäßig zwischen Herstellern aus Japan, Südkorea und China aufgeteilt. Doch die chinesische Regierung hat konkrete Pläne, um die Japaner und Koreaner zurückzudrängen. „Es gibt keinen Zweifel daran, dass sich China im Zentrum eines industriellen Rüstungswettlaufs um Batterien befindet“, sagt Simon Moores, Chef der Forschungsfirma Benchmark Mineral Intelligence mit Sitz in London, gegenüber dieser Zeitung. Und: „China gewinnt,“ ist er überzeugt. China wird bis 2020 mindestens zwei Drittel des Weltmarkts mit Auto-Akkus beliefern, schätzt Benchmark Mineral Intelligence. Hier wiederholt sich die Wirtschaftsgeschichte: Auch die Produktion von Kameras, Handys oder Bildschirmen ist nach einer hoffnungsvollen Anfangsphase in großem Stil nach Asien abgewandert.

Chinesische Industriepolitik

Das spektakulärste Beispiel der jüngeren Zeit ist die Fotovoltaikbranche. Dort spielte sich vor 15 Jahren das ab, was jetzt bei den Akkus läuft: Staatlich erwünschte Milliardeninvestitionen schufen unschlagbar konkurrenzfähige Großanbieter. China wendet nun die bewährten Methoden der Industriepolitik an, um zum Zentrum der Mobilität der Zukunft zu werden. „Wenn eine Technologie als wichtig identifiziert ist, dann fördert die Regierung sie konsequent“, sagt Ulf Henning Richter, Professor für Industriestrategie an der renommierten Tongji-Universität in Shanghai. Wichtige Instrumente sind Subventionen und Forschungsförderung. Diese kommen insbesondere von den Provinzen, bei denen ein regelrechter Wettbewerb um die Ansiedlung des größten und erfolgreichsten Anbieters ausbreche.

Doch das bedeutet nicht, dass die Regierung hier Staatsbetriebe päppelt, für die damit alles von selbst läuft. Die Batteriehersteller sind Privatfirmen, die vorausschauend investiert haben und hart daran arbeiten müssen, im Konkurrenzkampf zu bestehen. Sie investieren hohe Summen in Forschung und Entwicklung. Analysten von Goldman Sachs bescheinigen ihnen einen hohen technischen Stand. Es gibt derzeit 140 Hersteller von Akkus in China, doch CATL in Ningde hat sich in erstaunlich kurzer Zeit an die Spitze des Rudels vorgearbeitet.

Volles Risiko

Der Physiker Zeng Yuqun hat das Unternehmen 2011 gegründet. Er war damals 42 Jahre alt und kannte das Geschäft bereits recht gut, weil er seinerzeit für den japanischen Batteriehersteller Amperex Technology (ATL) gearbeitet hat. Zugleich ist Zeng politisch bestens vernetzt. Er ist Mitglied der zweiten Kammer des chinesischen Parlaments. Die neue Firma nannte er nun Contemporary Amperex Technology (CATL) – das „Neue ATL“, wie es auf Chinesisch wesentlich direkter heißt. Zeng sammelte unter anderem von Staatsbanken Kapital ein und baute die erste Fabrik in seiner Heimatregion Ningde. Er ging damit voll ins Risiko: Damals verkauften sich in China lediglich etwas über tausend Elektroautos pro Jahr.

Zengs Rechnung ging auf: 2018 wird in China voraussichtlich über eine Million Elektroautos einen Käufer finden, schätzt der chinesische Autohersteller-Verband CAAM. Zeng ist damit Chef und Besitzer eines der aussichtsreichsten Unternehmens der Welt. Es gilt in der Branche als ausgemachte Sache, dass CATL in diesen Monaten zum Weltmarktführer für Batterien aufsteigt. In den Fabrikhallen, die sich im Bau befinden, sollen bis 2020 zusätzliche Produktionsstraßen für Batterien mit einer Kapazität von 24 Gigawattstunden entstehen. Zusammen mit den bestehenden Anlagen könnte CATL dann jährlich Batterien mit einer Kapazität von 42 Gigawattstunden herstellen. Damit kommt CATL auf ein Drittel mehr als die „Giga-Fabrik“, die US-Konkurrent Tesla im Bundesstaat Nevada errichtet. Die Anbieter können sich auf ihren Heimatmarkt verlassen – dafür sorgt Peking. Die stärkste Waffe sind selektive Subventionen für Elektroautos und Hybride, die chinesische Batterien verwenden. Das Ministerium für Industrie und Informationstechnik (MIIT) in Peking aktualisiert regelmäßig seine Liste der Elektroauto-Modelle, die beim Kauf einen Zuschuss erhalten. Derzeit stehen darauf 304 Modelle von 94 Herstellern. Darauf findet sich kein einziger Typ, der eine koreanische Batterie verwendet.