Grün-Schwarz gibt vor, das Kabinett zu verschlanken, steigert aber die Zahl der Staatssekretäre: Diese treten auf wie Regierungsmitglieder, sind aber keine. Wieso politische Staatssekretäre? Es gibt eine Reihe von Motiven, diese Posten zu schaffen – gute und schlechte.

Stuttgart - Auf den ersten Blick scheint es, als hätten sich Grüne und CDU in ihrem Koalitionsvertrag auf eine Kabinettsverkleinerung verständigt: Das Integrationsministerium verschwindet im Sozialressort, der Ministerposten im Staatsministerium (zuletzt Silke Krebs, Grüne) entfällt ebenso wie der Bundesrats- und Europaminister (zuletzt Peter Friedrich, SPD). Stattdessen kümmert sich künftig wieder ein Bevollmächtigter um die Belange des Landes in Berlin, und die Europapolitik geht an ein CDU-Ressort.

 

Doch von Verschlankung kann keine Rede sein. Schließlich zeigen sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann und sein künftiger Vize, Thomas Strobl, entschlossen, im Gegenzug die Zahl der Staatssekretäre aufzublähen. Für nahezu jedes Ressort – acht von zehn – ist ein Miniminister vorgesehen – eigentlich ein verfassungsrechtlich untragbarer Zustand, begrenzt doch Artikel 45 der Landesverfassung die Zahl der Staatssekretäre: Sie dürfen „ein Drittel der Zahl der Minister nicht übersteigen“. Damit soll Sorge getragen werden, so der Verfassungskommentator Klaus Braun, dass „das Kabinett nicht durch Mitglieder ohne Ressortverantwortung schwerfällig“ gemacht wird. Bei zehn Ministern plus einem Ministerpräsidenten bedeutet das: Bei drei Staatssekretären ist Schluss.

Die Dienstwagen sind etwas kleiner

Bedeutung und Würde eines Staatssekretärs, dies nur nebenbei, steigen, wenn ihm der Ministerpräsident Stimmrecht im Kabinett verleiht. Dies widerfuhr zuletzt Gisela Splett, die für Lärmschutz zuständige Staatssekretärin im Verkehrsministerium. Ebenso Gisela Erler, die den Titel einer Staatsrätin trägt und sich in der vergangenen Legislaturperiode um die Bürgerbeteiligung kümmerte.

Dennoch begehen Kretschmann und Strobl keinen Verfassungsbruch, wenn sie jetzt acht Staatssekretäre kreieren. Sie bedienen sich eines verfassungsrechtlichen Taschenspielertricks aus der Regierungszeit von Hans Filbinger, den der Staatsgerichtshof durchgehen ließ – die SPD-Landtagsfraktion hatte seinerzeit eine Normenkontrollklage erhoben, war damit aber nicht durchgedrungen. Die erstaunliche Begründung der Verfassungsrichter lautet in leicht zugespitzter Interpretation: Es ist nicht zu beanstanden, wenn Staatssekretäre, die gar keine richtigen Staatssekretäre sind, Staatssekretär genannt werden.

Wie das? 1972 kam die Regierung Filbinger mit der Idee des politischen Staatssekretärs nieder, der nicht zu verwechseln ist mit den Parlamentarischen Staatssekretären der Bundesregierung oder dem bereits erwähnten Staatssekretärstypus à la Splett. Die Pointe an den politischen Staatssekretären: Sie werden als Regierungsmitglieder wahrgenommen, sind aber keine. Sie residieren im Ministerium, verfügen über Büro und Vorzimmer, haben hilfreiche Geister an ihrer Seite, dazu Dienstwagen – eine Nummer kleiner als der Minister – samt Fahrer, sie nehmen an den Kabinettssitzungen teil, vertreten den Minister im Parlament. Und sie tun wichtig, auch wenn sie es nicht in jedem Fall sind. Ihr Gehalt entspricht dem eines „richtigen“ Staatssekretärs, sie sind in ihrem jeweiligen Ministerium aber nicht Dienstvorgesetzte. Ihr Minister kann ihnen spezielle Aufgaben übertragen, sie bleiben jedoch in ihrem Handeln von ihm abhängig. Paul Feuchte merkt in seiner Verfassungsgeschichte des Landes zu den politischen Staatssekretären mit leichter Ironie an: „Dem Formenreichtum verfassungspolitischer Institutionen in der Führungsspitze ist damit eine weitere Institution hinzugefügt worden.“

Mitunter auch nur Grüß-Gott-August

Wieso aber diese besondere Subspezies der politischen Staatssekretäre? Es gibt eine Reihe von Motiven, diese Posten zu schaffen – gute und schlechte. Erstens vermehren sie die Zahl der Ämter, die im Zuge der Regierungsbildung vergeben werden können. Das erzeugt Loyalität in den Regierungsparteien und – in der Regel handelt es sich um Abgeordnete – in den Regierungsfraktionen. Zweitens leisten Staatssekretäre ihrem Minister als Grüß-Gott-August gute Dienste: Sie nehmen ihm Termine ab, die er sich gerne erspart. Drittens lässt sich mit Staatssekretären der Geschlechter-, Regional- und Parteiproporz innerhalb einer Koalition feinjustieren. Viertens bewegt sich jeder Staatssekretär nicht nur als Regierungsvertreter, sondern zugleich auch als Parteimann respektive Parteifrau durchs Land. Das macht die Partei sichtbar.

Fünftens, und das ist ein positiver Aspekt der Staatssekretäre, kann ein exekutiver Neuling als Juniorminister Regierungserfahrung sammeln. Sechstens erhöht ein Staatssekretär das Prestige des Ministers, aber nur solange nicht jeder Minister über einen Staatssekretär verfügt. Heribert Rech zum Beispiel avancierte 2001 vor allem deshalb zum Staatssekretär im Innenministerium, weil Ressortchef Thomas Schäuble befand, ihm stehe ein solcher zu. Für Rech hatte dies die angenehme Folge, dass er 2004 Innenminister wurde.

Siebtens sind Staatssekretäre in der Lage, ihren Ministern Themenblöcke abzunehmen und ihnen auf diese Weise hilfreich zur Seite zu stehen. Zuletzt gab es drei politische Staatssekretäre: Marion von Wartenberg (Kultusministerium), Jürgen Walter (Kunst) und Peter Hofelich (Wirtschaft). Die Artenvielfalt in der Welt der Staatssekretäre wäre nicht hinreichend beschrieben ohne den Amtschef des Staatsministeriums, derzeit Klaus-Peter Murawski (Grüne). Er koordiniert die Arbeit der Regierung, ist auskömmlich beschäftigt, ist politischer Beamter und steht in der Beamtenhierarchie ganz oben.