Am 22. September wird gewählt. Aber welcher Typ Mensch drängt ins Parlament, was treibt die Kandidaten an? Diesmal: Kerstin Andreae, Wirtschaftsfachfrau und Mutter.

Berlin/Freiburg - Sie sind Vertreter des Volkes. Und eben deshalb treffen sich Bundestagsabgeordnete mit allen, die das Volk ausmachen: Junge und Alte, Vertreter sämtlicher Berufe, Gewerkschafter und Unternehmer, Verbandsleute, Bürgermeister, Landräte und Vereine. Für Kerstin Andreae ist es besonders wichtig, häufig mit Schülergruppen zu sprechen: „Das versuche ich eigentlich jede Woche“. Und jedes Mal gibt sie den jungen Leuten zwei Botschaften mit. Die erste lautet, dass sie auf jeden Fall an den Wahlen teilnehmen sollen („In anderen Ländern setzen Leute ihr Leben für das Wahlrecht ein“). Und die zweite wendet sich an die Schülerinnen: „Wenn Ihr beides wollt – Kinder und Beruf – dann lebt euren Wunsch.“

 

Dass sich Familie und Beruf vereinbaren lassen: Dafür ist die 44 Jahre alte Andreae, die drei Kinder hat, durchaus ein Vorbild. Schon als sie von 1999 bis 2002 Gemeinderätin in Freiburg war, nahm sie ihren damals wenige Wochen alten Sohn mit in die Sitzungen des Stadtparlaments. Und im Bundestag, dem sie seit 2002 angehört, hat sie mit anderen Müttern durchgesetzt, dass Parlamentarierinnen ihr Baby mitnehmen dürfen, wenn im Plenarsaal eine Abstimmung ansteht.

Dass es nicht einfach ist, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, räumt Andreae, die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion ist, unumwunden ein. Dies gehe nur, weil sie und ihr berufstätiger Mann gute Betreuungsplätze für die Kinder hätten und eine Kinderfrau beschäftigten. Auch seien lange Dienstreisen gestrichen, und zu häufige Abendtermine versuche sie zu vermeiden. An Sonntagen nimmt Andreae, die mit ihrer Familie in Berlin lebt, keine Termine in ihrem Freiburger Wahlkreis wahr.

Andreae versucht, auch im hektischen Arbeitsalltag Zeit für die Familie zu schaffen – sei es das Frühstück oder ein Ausflug am Wochenende. Das klappe zwar nicht immer. Mal komme der Geburtstag von Klassenkameraden ihrer Kinder dazwischen, mal die Veranstaltung im Sportverein oder in der Konfirmandengruppe, die ihr ältester Sohn besucht: „Aber meist klappt es doch, dass wir alle zusammen sind und spielen oder etwas unternehmen oder einfach nur reden.“

Natürlich sei ihr Leben anstrengend. „Ich schlafe wenig und habe keine Zeit für mich“ sagt Andreae und fügt an: „Na und?“ Das werde auch mal wieder anders. Familie und Beruf zu haben, sei für sie beides: „Verzicht und Gewinn“ – also Verzicht auf Ruhe oder freie Zeit, dafür aber den Gewinn, Kinder zu haben – „das habe ich mir immer gewünscht“ – und einen sehr interessanten Beruf auszuüben. Die Familie gebe ihr auch Bodenhaftung. Wenn sie zu einem Elternabend gehe, sei sie nicht die Frau Abgeordnete, sondern wie alle anderen Väter und Mütter jemand, der sich mit den Schwierigkeiten in der Klasse oder an der Schule auseinandersetzen müsse. Seit sei Familie habe, meint die gebürtige Schrambergerin, ändere sich auch ihr Blick auf politische Themen. Die Legalisierung von weichen Drogen zum Beispiel, die manche Grüne durchaus befürworten, sieht sie mit großer Skepsis: „Ich versuche ja, meine Kinder stark zu machen, damit sie der Versuchung von Drogen nicht erliegen. Und da weiß ich nicht, ob es gut wäre, wenn der Staat das Signal gäbe, dass Rauschmittel eigentlich in Ordnung sind.“ Wie alle anderen Väter und Mütter erlebt Andreae auch, wie sich ihre heranwachsenden Kinder mit ihren Eltern auseinandersetzen. Ihr ältester Sohn ist jetzt 13. Er findet gut, was die Grünen schon immer schlecht fanden – „Stuttgart 21“ nämlich. Und wenn sich Mutter und Sohn zum Mittagessen in der Bundestagskantine treffen, nimmt der Filius gern ein Essen, das nicht wirklich zu grüner Bio-Kost zählt: eine Currywurst mit Pommes und Cola. „Soll er ruhig“, meint Andreae schmunzelnd. In Sachen Getränke bleibt ihr auch nichts anderes übrig als großzügig zu sein. Immerhin trinkt sie gerne, was andere ziemlich gruselig finden: Fencheltee.