Nach anhaltenden Diskussionen um einen Anhang zum Koalitionsvertrag haben Grüne und CDU im Land das interne Arbeitspapier jetzt ins Internet gestellt.

Stuttgart - Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat die geheimen Nebenabsprachen zum Koalitionsvertrag verteidigt. „Es ist in der Politik vollkommen legitim, Dinge vorzubesprechen“, sagte der Regierungschef in der wöchentlichen Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung. Der Grüne, der schon in der vergangenen Legislaturperiode für einen neuen Stil in der Regierung geworben hatte, betonte jetzt die Grenzen der Transparenz: „Auch ich muss mal dealen, auch ich muss mal mauscheln und etwas hinter den Kulissen machen, anders geht es nicht“. Allerdings müsse sich dieses Vorgehen in Grenzen halten, „es darf nicht zur Grundlage der Politik werden“.

 

Die Absprachen dienen Kretschmann zufolge den Zusammenhalt der Koalition, „besonders einer Koalition, die die Partner nicht angestrebt haben“. Jahrelang hätten Grüne und CDU sich nachgerade bekämpft. Jetzt entwickle sich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Hätte man diese voraussetzen können, wären die detaillierten Absprachen eventuell gar nicht notwendig gewesen, meinte Kretschmann. Mit den Nebenabreden folgten die Grünen dem Beispiel Hessens. Dort sei der Anhang zum schwarz-grünen Koalitionsvertrag noch sehr viel länger als die zwölf Seiten, die den baden-württembergischen grün-schwarzen Vertrag ergänzen.

Kein Beschluss ohne das Parlament

Nach anhaltenden Diskussionen haben Grüne und CDU die umstrittenen Abreden jetzt im Internet veröffentlicht. In dem Papier sind Vorhaben im Umfang von zusammen zwei Milliarden Euro aufgeführt, die Grüne und CDU in dieser Legislaturperiode vorrangig umsetzen wollen. Kretschmann trat dem Vorwurf der Opposition entgegen, die Regierungsparteien wollten mit ihren Festlegungen das Parlament aushebeln. „Nichts, was in den Abreden steht, ist zu machen, ohne vorher damit ins Parlament zu gehen“, sagte der Ministerpräsident.

Zum Teil stehen Kretschmann zufolge auch taktische Überlegungen hinter den Absprachen. So will das Land das Landtagswahlrecht ändern. Im Koalitionsvertrag sprechen sich Grüne und CDU für ein „personalisiertes Verhältniswahlrecht mit einer geschlossenen Landesliste“ aus. Zur Änderung des Wahlrechts wollen die Grünen gerne die Oppositionsparteien ins Boot holen. Jetzt ist aber bekannt geworden, dass die Koalition trotz der Änderung das Einstimmenwahlrecht beibehalten will. Darauf soll die CDU bestanden haben. Damit wäre die Taktik durchkreuzt. Andererseits, so Kretschmann, seien die Abreden „nicht die Bibel, eher ein Orientierungsplan, irgendwie“.

Er räumte ein, es gebe weitere Absprachen, etwa zu Einsparzielen. Der Gemeindetag befürchtet bereits, „dass die Kommunen herangezogen werden, um die Investitionswünsche des Landes zu erfüllen“, oder dass sich das Land, „das Geld direkt von den Steuerzahlern holen will“.

Debatte im Landtag

Mit der Veröffentlichung des Papiers im Internet greifen die Regierungsparteien einer Forderung der oppositionellen SPD vor. Die Fraktion will das Thema an diesem Mittwoch im Landtag diskutieren. In gleichlautenden Erklärungen aus den beiden Parteizentralen in Stuttgart heißt es, „wir haben zu keinem Zeitpunkt bestritten, dass es solche Nebenabreden gibt“. Dies seien Konkretisierungen, um unterschiedliche Interpretationen und Konflikte auszuschließen.

Zu den 43 in der Liste genannten Projekten gehören zum Beispiel die Fortbildung von Hauptschullehrern mit einmalig 40 Millionen Euro bis zum Jahr 2020. An strukturellen Maßnahmen rechnet die Koalition für die ÖPNV-Offensive in der Fläche mit 25 Millionen Euro Kosten, auch Ethikunterricht an Schulen soll eingeführt werden, dafür sind 18 Millionen Euro vorgesehen. Für den „Digitalisierungspakt“ sind 325 Millionen Euro vorgesehen. Insgesamt geht es um 1,365 Milliarden Euro für einmalige Maßnahmen und 754 Millionen Euro für Vorhaben mit strukturellen Auswirkungen auf den Haushalt.