Die weiterführenden Schulen in Ludwigsburg sehen sich mit neuen Problemen konfrontiert: Mit der Schülerschwemme komme auch immer mehr sozialer Zündstoff auf den Campus. Kollegien und Elternvertreter fühlen sich überfordert.

Ludwigsburg - Seit der Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung wählen nicht nur immer mehr Schüler das Gymnasium, die dort eigentlich nicht hingehören – mit ihnen komme auch vermehrt sozialer Sprengstoff, den man so gehäuft an der Sekundarstufe II bisher nicht kenne. Die Arbeitsgemeinschaft (Arge) Campus schlägt deshalb Alarm, denn in den drei Ludwigsburger Innenstadtgymnasien gibt es keine Schulsozialarbeit. Ihre Forderung: die Stadt müsse für jede der Schulen wenigstens eine halbe Stelle schaffen.

 

Zwar werde schon jetzt viel aufgefangen, sagt Klaus Arnold, der Rektor des Schiller-Gymnasiums. Sei es durch rund um den Campus angesiedelte Trägervereine, durch die Gruppe der Schutzengel (Schüler der Oberstufe, die sich um einschlägige Probleme kümmern) oder die Lehrer. Nichts davon aber sei vergleichbar mit der Schulsozialarbeit. „Denn wir müssen viel häufiger an die Eltern als an die Kinder herankommen“, sagt Arnold. Und den Zugang zum häuslichen Umfeld finde jemand in der eher neutralen Rolle eines Sozialarbeiters leichter als ein Lehrer oder Rektor: „Wir beurteilen, wir geben Noten, wir sprechen Strafen aus.“

Klassenleiter wollen keine Fünftklässler

Lehrer seien in diese Situation so ungeeignet wie Eltern, meint auch David Le. Jetzt ist der 17-Jährige Schulsprecher an der Elly-Heuss-Knapp-Realschule. Zuvor hat er jedoch mehrere Gymnasien besucht. Er wisse aus eigener Erfahrung, warum nur jemand helfen könne, „der eher eine Art Freund ist“. Auch mit Problemen wie Cyber-Mobbing seien Lehrer und Eltern schlicht überfordert, meint Le: „Die kriegen das doch gar nicht oder erst viele zu spät mit.“ Es gebe eindeutig Aggression, Druck und auch Depressionen unter den Schülern, sagt Christina Bechmann, die Elternsprecherin am Mörike-Gymnasium. Das belaste die Betreffenden, indirekt aber auch die übrigen Schüler: „Es ist nicht mehr ausreichend Zeit da, um den Lehrstoff durchzuarbeiten.“

Viel von dieser Problematik konzentriere sich auf die Neulinge, sagt Wolfgang Medinger, der Leiter des Goethe-Gymnasiums: „Was früher ganz einfach war, wird immer schwieriger: Klassenleiter für die Fünftklässler zu finden.“ Auch wenn solche Fälle nicht täglich vorkämen, so gehe es doch oft darum, das Jugendamt oder die Polizei einzuschalten. Was im Kollegium fehle, sei die nötige fachliche Ausbildung, sagt Medinger: „Im Grunde haben wir nur dilettantische Voraussetzungen, um mit echten Krisen umzugehen.“

Der Gemeinderat muss entscheiden

„Wir wollen keine Neiddebatte lostreten“, versichert die Arge-Vorsitzende und FW-Stadträtin Gabriele Moersch. „Wir missgönnen es keiner Schule, wenn sie Sozialarbeiter hat.“ Aber dass sie gerade an den Innenstadtschulen mit zum Teil 1000 Schülern (wie am Schillergymnasium) fehle, müsse korrigiert werden. Moersch schätzt die Kosten für die geforderten 1,5 Stellen auf etwa 70 000 Euro im Jahr.

„Ich verkenne nicht, dass die Gymnasien Unterstützung nötig haben, ich will mich dem nicht verschließen“, sagt der Erste Bürgermeister Konrad Seigfried. Aber darüber müsse der Gemeinderat befinden. Am Ende gehe es darum, ob die bereits vorhandenen zehn Stellen neu und anders verteilt werden, oder ob zusätzliche Stellen geschaffen werden. Dass erst jüngst Schulsozialarbeit an den Grundschulen eingeführt wurde, hält Seigfried für richtig: „Wir müssen möglichst frühzeitig ansetzen.“

Über den Arge-Antrag soll der Sozialausschuss noch im Mai beraten.