In einem bundesweiten Ranking, wie weit es die Menschen eines Landkreises zur nächsten Bus- oder Bahnhaltestelle haben, erzielt Böblingen Platz fünf. Doch Nähe ist nicht alles.

Wer erst 20 Minuten gehen muss, ehe er eine Bus- oder Bahnhaltestelle erreicht, tritt den Weg womöglich gar nicht erst an, sondern steigen ins Auto. Deshalb ist neben einer hohen Taktfrequenz und verlässlicher Pünktlichkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln auch das dichte Netz von Haltestellen wichtig.

 

Der Verband Allianz Pro Schiene hat dazu eine Liste veröffentlicht, die aufzeigt, wie hoch in den 294 Landkreisen Deutschlands der Anteil der Bevölkerung ist, der maximal 600 Meter Luftlinie von der nächsten Haltestelle oder maximal 1200 Meter vom nächsten Bahnhof entfernt wohnt. An den Stationen müssen mindestens 20 Fahrten pro Tag abgehen, um gezählt zu werden. Die Daten dafür stammen vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) und sind aus dem Jahr 2020.

Der Kreis Böblingen hat in diesem Ranking den fünften Platz belegt. Demnach wohnen 99,25 Prozent der Menschen im hiesigen Landkreis nahe zur nächsten Haltestelle. Nur im hessischen Landkreis Main-Taunus (99,47 Prozent), im bayrischen Fürstenfeldbruck (99,36 Prozent) und im benachbarten Kreis Esslingen (99,29 Prozent) wohnen etwas mehr Menschen nahe zum ÖPNV. Der Bundesschnitt liegt bei 91,4 Prozent.

Der hessische Landkreis Offenbach erzielt im Ranking denselben Wert wie Böblingen. Der Kreis Ludwigsburg liegt auf Platz 12, der Enzkreis auf Platz 20, der Rems-Murr-Kreis auf Rang 38.

Landrat Roland Bernhard freut sich über das gute Abschneiden und sieht die Anstrengungen für den ÖPNV im Landkreis Böblingen belohnt: „Die Menschen in unserem Landkreis haben ein hervorragendes Bus- und Bahnangebot. Die Ausweitung und Taktverdichtung der letzten Jahre bei den Buslinien und S-Bahnen machen den ÖPNV deutlich attraktiver.“ Zudem gebe es verschiedene Initiativen, die verschiedenen Mobilitätsplattformen noch besser miteinander zu verknüpfen, beispielsweise durch Leihangebote von Fahrrädern und Autos. „Wie das Ranking belegt, tragen unsere Anstrengungen und die hohen Investitionen der vergangenen Jahren in den öffentlichen Nahverkehr Früchte,“ sagt der Landrat. Wichtig sei aber auch der Fernverkehr. Die Gäubahn, die den Landkreis mit der Schweiz verbindet, müsse endlich gestärkt werden.

Untersuchung weiterer Schienenverbindungen angekündigt

Der Verkehrsdezernent Thomas Wagner hebt hervor, dass vier S-Bahnen, die Schönbuch- und die Ammertalbahn durch den Landkreis fahren, in absehbarer Zeit auch die Hermann-Hesse-Bahn. Weitere potenzielle Schienenverbindungen würden untersucht. Das lasse man sich etwas kosten: Das ÖPNV-Budget ist im Haushalt 2023 mit 53 Millionen Euro veranschlagt.

Der Pressesprecher des Landratsamts Benjamin Lutsch räumt allerdings ein, dass die Erreichbarkeit einer Haltestelle nur die halbe Miete sei. Verlässlichkeit sei ebenso wichtig. „Wir wissen, dass es noch viel zu tun gibt im ÖPNV“, sagt Lutsch. Der Fachkräftemangel würde sich unmittelbar auf die Pünktlichkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln auswirken. Die Verantwortung hierfür liege allerdings bei den Betreibern und nicht bei den Landkreisen. Es gelte, die Ansprüche „hoch zu halten und zu erfüllen“. Lutsch gibt aber zu bedenken, dass es in einem Ballungsraum wie der Region Stuttgart viele Baustellen gebe, was ein Zeichen von Fortschritt und Investitionen sei. Gleichzeitig sei es Gift für die Pünktlichkeit von Bussen und Bahnen. „Das ist ein Spannungsfeld, das man aushalten muss“, sagt Lutsch.

Laut dem Verband Allianz pro Schiene wolle die Bundesregierung die Fahrgastzahlen bis zum Jahr 2030 verdoppeln und den Marktanteil des Schienengüterverkehrs auf mindestens 25 Prozent erhöhen. Dies werde „nur funktionieren mit einem konsequenten Ausbau der Schieneninfrastruktur – auch in der Fläche“. Neben der Reaktivierung müsse der Ausbau ein weiterer dringend benötigter Baustein der Verkehrspolitik werden.

Bundesweit hätten hunderttausende Menschen, die in kleinstädtischen Mittelzentren – wie etwa Ditzingen eines ist – wohnen, keinen Anschluss an die Schiene, so der Verband.

Baden-Württemberg auf Rang vier

Drei der sieben bestplatzierten Flächenländer – Baden-Württemberg auf dem vierten Platz, Sachsen auf dem fünften und Rheinland-Pfalz auf dem siebten, seien Vorreiter einer Mobilitätsgarantie: Damit soll etwa in Baden-Württemberg garantiert werden, dass alle Orte von 5 Uhr früh bis Mitternacht mit dem öffentlichen Verkehr erreichbar seien. Der ländliche Raum soll dabei in den Stoßzeiten mindestens im Halbstundentakt angebunden sein. Im Ballungsraum strebt die Regierung einen Viertelstundentakt an.