Die Regeln für die Nutzung der Innenstadt sollen künftig auch im Europaviertel gelten – zum Unwillen des Milaneo. Denn ein fester Platz für Flugblattverteiler und Infostände wäre dem Einkaufszentrum ein Dorn im Auge.

Stuttgart - Wenn Salafisten in der Innenstadt den Koran verteilen oder Scientologen ihren Stresstest anbieten wollen, werden sie von der Stadt auf einen von 18 festen Plätzen verwiesen. Viele Händler in der City empfinden derlei Infostände und Flugblattverteiler allerdings als geschäftsschädigend. Nun will die Verwaltung die Belastungen gerechter verteilen und bis ins neue Europaviertel ausdehnen. Während die Pläne in der Innenstadt Erleichterung bringen, sträubt sich das Management des Milaneo gegen diese Idee. Bereits jetzt müssten Infostände auf dem Mailänder Platz genehmigt werden – nur gab es bisher keine entsprechenden Anfragen. Wird das Europaviertel Teil der neuen Innenstadtzone, werden Aktivisten gezielt auf den Platz vor dem Milaneo verwiesen.

 

Höhere Ansprüche für den Mailänder Platz?

Die Betreiber des Einkaufszentrums scheinen nun einen Imageschaden zu befürchten. Auf die Frage, ob die Regeln für die Innenstadt auch auf den Mailänder Platz übertragen werden sollten, sagt Andrea Poul, die Managerin des Milaneo: „Nein, wir sollten höhere Ansprüche an die Nutzungsrichtlinien stellen. Sie sollten in Richtung Qualität ausgeweitet werden mit der Zielsetzung, den Ansprüchen der dort angesiedelten Institutionen gerecht zu werden.“ Poul fügt hinzu: „Selbstverständlich biete ich an, mich mit dem zuständigen Bürgermeister und seinem Team an einen Tisch zu setzen und gemeinsam Qualitätskriterien festzulegen. Hierbei kann ich die Erfahrungen aus unseren Shoppingcentern einfließen lassen.“ Als Beispiel für eine sinnvolle Belebung des Platzes nennt Poul Wochenmärkte, Theateraufführungen, Autopräsentationen und Wettrennen in hochhackigen Schuhen, sogenannte „Stiletto Runs“.

Verwaltungstechnisch handelt es sich bei dem Vorstoß der Stadt um die Sondernutzungsrichtlinien für die Innenstadt. Wer Flugblätter verteilen oder einen Infostand aufbauen will, muss dafür eine Genehmigung einholen. Vom Hauptbahnhof bis Höhe Eberhardstraße werden Vereine, Religionsgemeinschaften und Interessengruppen dafür an einen von 18 Orten verwiesen – 14 davon befinden sich momentan direkt an der Königstraße.

Wittwer bezeichnet Koranverteilen als geschäftsschädigend

Bei Rainer Bartle, Chef des Buchhändlers Wittwer am Schlossplatz, hat es bereits zu großer Aufregung geführt, dass Salafisten mehrfach ausgerechnet vor seinem Geschäft für ihre Weltanschauung geworben haben. „Es war absolut geschäftsschädigend, als der Koran genau vor unserer Eingangstür verteilt wurde“, sagt er. „Die Kunden haben uns gefragt, ob wir mit denen gemeinsame Sache machen.“ Die geplante Regelung begrüßt Bartle daher: „Die Lasten auf alle zu verteilen, finde ich nur recht und billig.“

Nach dem Willen der Verwaltung soll es in Zukunft zwar bei 18 Orten für Infostände   und Flugblattverteiler bleiben, deren Verteilung soll jedoch verändert werden. „Es geht darum, die zentrale Innenstadt zu  entlasten“, erklärt Ralf Maier-Geißer, der Leiter des Bereichs Straßen beim Amt für Öffentliche Ordnung. Die Sondernutzungszone soll demnach künftig beim Milaneo statt wie bislang am Hauptbahnhof beginnen. Ein neuer Standort nahe dem Einkaufszentrum Gerber und drei im Europaviertel sind geplant. „Anrainer haben keine Mitsprache, was auf einem öffentlichen Platz genehmigt wird und was nicht“, fügt Ralf Maier-Geißer hinzu. Die Idee soll noch vor der Sommerpause in den Gemeinderat eingebracht werden.

Vom Gerber-Manager werden Infostände begrüßt

Oliver Grünwald, der Manager des Gerber, sagt: „Wir stehen Infoständen im öffentlichen Raum positiv gegenüber. Sie sind Teil einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.“ Er fügt an, dass die Stände aber den Weg der Kunden ins Einkaufszentrum nicht blockieren dürften.

„Es geht darum, den Leidensdruck für die Händler zu verringern“, erklärt die City-Managerin Bettina Fuchs. Die Innenstadt sei gewachsen, darauf werde nun reagiert. Zu den geplanten Orten für Infostände nahe den neuen Einkaufszentren sagt Fuchs: „Wer eine Lage mit hoher Frequenz hat, kann nicht nur die Vorteile nutzen, sondern muss auch die entsprechenden Lasten tragen.“ Sabine Hagmann, die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands, begrüßt die geplante Regelung, die am Montagabend bei einem internen Gespräch von der Verwaltung präsentiert wurde. „Die Stadt hat sich viele Gedanken gemacht“, sagt sie. Vorstößen des Managements des Milaneo, auf dem Mailänder Platz nur ausgewählte Nutzungen zuzulassen, sei jedoch eine Absage erteilt worden.