Politik: Matthias Schiermeyer (ms)


Hannelore Kraft ist anders als Rüttgers: offenherzig und direkt. "Ich spiele keine Rollen", sagt die 48-Jährige. "Ich bin die, die ich bin." Sie macht gar nicht erst den Versuch, geschliffenes Hochdeutsch zu sprechen. "Mit 10.000 Euro im Hacken hätt' ich damals nicht studieren können", sagt sie etwa. Jeder darf hören, dass sie aus dem Pott stammt. Das ist Masche und Realität zugleich. Es menschelt, bis keine Fragen mehr offen sind. Für ein Werbeblättchen hat sie ihr Fotoalbum geplündert, in Interviews über Krankheiten berichtet. Je mehr Rüttgers den Staatsmann gibt und mit seiner Kompetenz wirbt, desto persönlicher wird Hannelore Kraft.

"Von Mensch zu Mensch" heißt eine Reihe von Auftritten, bei der sie sich im Gespräch mit dem Talkshow-Dino Reinhard Münchenhagen ganz privat gibt. "Die Mama wohnt im gleichen Haus, aber in einer anderen Wohnung - sonst gäbe es Tote", sagt sie, als säße sie daheim in Mülheim auf der Couch. Die mehr als 200 Zuhörer in der Halle Münsterland erfahren, dass ihr Mann Udo kocht und wäscht, dass die Familie zum neunten Mal Sommerurlaub im Hochsauerland macht und dass ihre Mutter behaupte, die Tochter sei ein Dickkopf, was - "nee nee" - nicht stimme.

Sie wirbt für die schrittweise Abschaffung der Studiengebühren


Auch das Liebesleben wird nicht ausgespart: "Ich hatte eine Phase, wo ich ziemlich viel ausprobiert habe", plaudert Kraft über eine Zeit, in der sich die Frauen auf die Pille verließen und Aids unbekannt war. Glücklicherweise traf sie dann den Elektroinstallationsmeister und Kindheitsfreund Udo wieder und heiratete ihn. Sohn Jan wirbt nun mit den Jusos um Stimmen für die Mutter. Selbst vor dem Thema Tod macht Hannelore Kraft nicht Halt. Ihr Vater starb, gerade 50 Jahre geworden, an Krebs. Darunter habe sie schwer gelitten, sagt sie. Hannelore Kraft personifiziert die Karriere einer Genossin, die es aus bescheidenen Verhältnissen nach oben geschafft hat. Und die Botschaft wirkt: gebannt lauschen die Zuhörer ihren Worten.