Der Künstler und Rektor der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe Marcel van Eeden erhält den Hans-Thoma-Preis des Landes – und enthüllt in einer Ausstellung unangenehme Details aus dem Leben des Namensgebers.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Da hat einer kräftig Salz in die Suppe gekippt. Dabei sollte es eigentlich nur eine schöne Ehrung für den Künstler Marcel van Eeden werden, der am gestrigen Sonntag bei einem Festakt in Bernau im Schwarzwald mit dem Hans-Thoma-Preis ausgezeichnet worden ist. Der 1949 gestiftete Kunstpreis ist eine der wichtigsten Auszeichnungen des Landes Baden-Württemberg und soll Kunstschaffende würdigen, deren Werk mit dem Land verbunden ist. Zuletzt bekam die Filmemacherin Ulrike Ottinger den Preis.

 

Der Preisträger beschäftigt sich mit der Wahrheit historischer Dokumente

Das Preisgeld von 25 000 Euro ist mit einer Ausstellung verbunden, in der Marcel van Eeden nun ziemlich ungemütliche Fakten präsentiert. Der niederländische Künstler und Rektor der Karlsruher Kunstakademie steigt für seine Arbeiten immer wieder in Archive und Sammlungen oder sucht im Internet Fotos, Texte oder alte Anzeigen. Denn ihn beschäftigt die Frage, ob historische Dokumente tatsächlich die Realität spiegeln oder ob die gern angenommene Faktizität dieser Hinterlassenschaften eher eine Schimäre ist. In Zeichnungen verarbeitet er das historische Materialien dann und hat zum Beispiel auch immer wieder Biografien realer Persönlichkeiten konstruiert – etwa des Botanikers K. M. Für die Ausstellung „1898“ zum Hans-Thoma-Preis hat sich Marcel van Eeden den Namensgeber selbst vorgeknöpft. Hans Thoma (1839–1924), der aus Bernau stammte, war einer der wichtigsten Maler des Südwestens. Die Kunsthalle Karlsruhe besitzt einen großen Bestand seiner Werke und im Land wurden viele Straßen nach ihm benannt. Marcel van Eeden lenkt mit seiner neuen Serie nun den Blick auf eine weniger erfreuliche Seite des badischen Malers und Grafikers, der politisch eher passiv war, sich aber von konservativen Kreisen ideologisch vereinnahmen ließ.

Der Maler Hans Thoma wird im Land hochgehalten – zu Recht?

Thoma hatte einen regen Briefwechsel mit einem antisemitischen Theoretiker

Vor allem der Kulturtheoretiker Julius Langbehn, der deutsch-nationalen und antisemitischen Ideen anhing, hatte offenbar großen Einfluss auf ihn. Marcel van Eeden hat in so genannten Gummidrucken nun die diversen Reisen, die Hans Thoma unternahm, künstlerisch nachgezeichnet, aber unterbricht sie durch Zitate aus den Briefwechseln Thomas mit Langbehn – und zeichnet damit ein durchaus kritisches Bild völkischer Kulturbetrachtung im deutschen Kaiserreich.

Land will in einen offenen Diskurs einsteigen

Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst hatte bereits 2018 eine Studie zur Rezeption Thomas im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit in Auftrag gegeben. Marcel van Eeden leiste nun noch einen Beitrag zur „kritischen Reflexion des Künstlers“, meint der Staatssekretär Arne Braun und will einen offenen Diskurs anregen, ob der Hans-Thoma-Preis neu bewertet werden muss. „Ich sehe die Notwendigkeit einer breiten Debatte angesichts des Stellenwerts von Hans Thoma im kulturellen Gedächtnis der Region“, sagt Arne Braun.

Der Preisträger Marcel van Eeden wurde 1965 in Den Haag geboren, wo er an der Akademie studierte. Er lebt in Den Haag und Zürich und ist seit 2014 Professor für Malerei und Grafik an der Staatlichen Akademie Karlsruhe.