Harald Schmidt im Schauspielhaus Stuttgart „Bin kein AfD-Sympathisant“

, aktualisiert am 08.11.2023 - 12:40 Uhr
Die Wahlergebnisse in Bayern und Hessen sind für Harald Schmidt ebenso Steilvorlagen wie die Diskussionen um Hubert Aiwanger und Sahra Wagenknecht. Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Der Entertainer Harald Schmidt, der zuletzt auf fragwürdigen Sommerpartys gesichtet wurde, über Demokratie, Stimmung, AfD und die Erfolge des VfB Stuttgart. Weitere Termine seiner „Spielplananalyse“ am 11. November, 12. Dezember, 10. Februar, 10. März, 13. April, 26. Juni und 13. Juli.

Für Schlagzeilen ist Harald Schmidt immer gut. Jüngst machte ein Foto die Runde, das den Entertainer beim Sommerfest der Züricher „Weltwoche“ gut gelaunt mit prominenten Vertretern der Neuen Rechten zeigte, mit dem Publizisten Matthias Matussek und dem Ex-Präsidenten des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen. Ein politisches Statement? Oder Ausweis intellektueller Autonomie? Am 14. Oktober war Schmidt mit seiner – ausverkauften – „Spielplananalyse“ wieder im Stuttgarter Schauspielhaus zu erleben. Weitere Termine am 11. November (ausverkauft), 12. Dezember (ausverkauft), 10. Februar (ausverkauft), 10. März (ausverkauft), 13. April, 26. Juni und 13. Juli.

 

Herr Schmidt, ich erreiche Sie telefonisch in der Schweiz. Drehen Sie gerade einen Werbeclip für die rechtspopulistische „Weltwoche“?

Nein, nein. Da gehe ich nur zu Gartenfesten oder anderen fröhlichen Begebenheiten. Geschäftlich bin ich mit der „Weltwoche“ nicht verbunden. Ich war für eine Schweizer Onlinezeitung in Lavaux, den Weinberg-Terrassen am Genfer See. Unesco-Weltkulturerbe, fabelhaft!

Ihr anderer Auftritt in der Schweiz, bei der Party der „Weltwoche“ mit der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel als Stargast, hat viele irritiert. Er hat Sie einige Verehrer gekostet.

Wodurch sich jemand irritiert fühlt, dafür bin ich nicht verantwortlich. Und dass ich damit Fans verloren habe, nehme ich in Kauf. Der eine kommt, der andere geht, so läuft das Geschäft. Vielleicht kommen für jeden verlorenen Fan ja auch 100 neue dazu.

Und wenn die neuen Fans alles AfD-Anhänger sind, stört Sie das nicht?

Das müssen Sie anders sehen. Ich nehme an, Ihre Zeitung bekommt auch den ein oder anderen neuen Abonnenten. Fragen Sie da vorher, wie der Kunde politisch drauf ist? Wenn ich mir die Wahlergebnisse vom Sonntag anschaue und die AfD auch im Westen auf dem Weg zur Volkspartei sehe, denke ich sowieso, dass manche Redakteure ihre Wahrnehmung überprüfen sollten. Anders als sie bin ich wieder mal komplett am Puls der Zeit.

Sind Sie ein Freund der AfD?

Nein, ich bin kein AfD-Sympathisant. Ich bin nur ein Beobachter des Weltgeschehens und gucke mit kühler chirurgischer Präzision auf die Vorgänge. Wenn ich derzeit mit jemandem sympathisiere, dann mit Olaf Scholz. Mit seiner Besonnenheit setzt er sich wohltuend von anderen Regierungschefs ab. Er lässt sich nicht von jeder Aufregung treiben. Und dass sich seine Ampelkoalition ein bisschen streitet, fällt unter „lebendige Demokratie“. Das wissen doch auch Leitartikler.

Apropos Demokratie: Beunruhigt Sie der Aufstieg der AfD nicht?

Mein Informationsstand ist: Wir haben allgemeine, freie, gleiche und geheime Wahlen. Jeder, der zur Wahl geht, macht sein Kreuz, wo er will. Dann muss man mit dem Ergebnis umgehen. Solange Leute zur Wahl gehen, halte ich die Demokratie für sehr stabil. Und sollte das „Volk, der große Lümmel“ – Zitat Heinrich Heine, nur zur Sicherheit, nicht dass ich mir einen Shitstorm einhandle –, sollte der „große Lümmel“ unzufrieden sein, wählt er sich eine andere Regierung. So unkompliziert sehe ich das.

Hatten Sie die Befürchtung, dass der Schauspielintendant Burkhard Kosminski Ihre Show nach den Züricher Vorgängen cancelt?

Er hat mich besorgt angerufen, ja, aber ich konnte ihn beruhigen. Und natürlich mache ich bei meinem Auftritt wieder, was ich will. 30 Prozent des Abends werde ich improvisieren, je nach Tagesform und Weltgeschehen, aber Wahlwerbung wird definitiv keine dabei sein. Es wird seitens des Theaters auch keine Triggerwarnung geben, was ich schade finde: Als der WDR meine alten Sendungen in der Mediathek damit versehen hat, war das die beste aller denkbaren Werbungen. Sonst hätte niemand den Kram wahrgenommen. Ein Dankeschön nach Köln!

Ihren Züricher Partybesuch haben Sie auch damit gerechtfertigt, dass Sie als Autor dort hingehen, wo Sie verwertbares Bühnenmaterial erwarten. Das müssen Sie in Stuttgart jetzt aber auch beweisen . . .

Nein, muss ich nicht. Das haben Sie auch nicht korrekt verstanden. Ich bin auf Materialsammlung ab dem Moment, wo ich aufstehe, bis zu dem Moment, wo ich mich schlafen lege. 365 Tage auf Recherche. Ich weiß ja nie, wo ein interessanter Satz fällt oder eine interessante Szene sich ereignet. Das kann in einem Café, in einer Straßenbahn oder auf einem Sommerfest sein.

Auch bei einem Wahlabend wie am vergangenen Sonntag?

Selbstverständlich. Der Abend hat Sensationelles hergegeben, das könnten in der Show am Samstag 30 Minuten werden. Am Ende komme ich vielleicht – sorry, Herr Kosminski – gar nicht mehr zur „Spielplananalyse 23/24“.

Hauen Sie doch schon mal eine Pointe raus, mir zuliebe! Sie wissen ja, dass ich Zeilenhonorar kriege . . .

Bei aller Verehrung für Sie, damit warte ich, bis ich auf der Bühne stehe. Sowieso überschlagen sich die Ereignisse. Jetzt auch noch Krieg im Nahen Osten – das muss ich alles berücksichtigen. Theater findet ja nicht im luftleeren Raum statt, am allerwenigsten im Staatstheater mit seinem traditionell revolutionären Potenzial. Ich sage nur: Peymann.

Wie thematisieren Sie den Angriff auf Israel?

Ich thematisiere ihn als Fernsehzuschauer, als Radiohörer und als Zeitungsleser, ich bin ja nicht vor Ort. Um zu meinem oberflächlichen Weltbild zu kommen, zappe ich zwischen ARD, ZDF, BBC und CNN umher und lese – das tut mir leid für Ihr Blatt – „FAZ“ und „NZZ“, die „Neue Zürcher Zeitung“. Schreiben Sie jetzt bitte nicht „Weltwoche“!

„Spiegel“, „taz“, „Süddeutsche“ lesen Sie nicht?

Der „Süddeutschen“ lasse ich jetzt Zeit, sich zu regenerieren, nach dem durchschlagenden Erfolg der Aiwanger-Berichterstattung. Ich glaube, „Hubsi“ kann sein Glück gar nicht fassen. Legt mit seinen Freien Wählern in Bayern nochmals 4,2 Prozent zu.

Dass ihn die Nazi-Hetzschrift aus seiner Jugendzeit keine Stimmen gekostet hat, haben Sie dafür eine Erklärung?

Wenn ich als schlichtes Gemüt durch unsere Städte gehe und die Vibrations wahrnehme, überrascht mich der Erfolg der Freien Wähler in Bayern nicht. Weltexklusiv verrate ich Ihnen: Aiwanger will mit seiner Vereinigung jetzt auch bundesweit antreten.

War das jetzt eine seriöse Information?

Zutiefst seriös. Und wenn ich höre, dass auch Sahra Wagenknecht mit ihrer Partei aus den Pötten kommt, komme ich als Materialsammler und Rechercheur gar nicht mehr hinterher. Pures Gold. Bei meinem Freund Kosminski muss ich bald Doppelvorstellungen beantragen.

Bei zwei Shows hätten Sie zwischendurch Zeit, zum „Verein mit dem hässlichsten Maskottchen der Liga“ – Zitat Harald Schmidt – zu gehen, dem VfB.

Schon klar. Ich habe Stuttgart im Kölner Stadion gesehen. Da hat Guirassy zwar kein Tor geschossen, aber wie er dennoch die Rekorde von Gerd Müller und Robert Lewandowski pulverisiert hat: grandios. Und natürlich der Trainer Sebastian Hoeneß! Von der Relegation in die Champions League, aber wenn jetzt selbst die Bayern hinter ihm liegen, muss er aufpassen. Er wird von ihnen gejagt werden, dann abgekauft – die bayerische Art der Problemlösung. Davor will ich aber noch zu Fritzle ins Stadion gehen.

Spielplananalyse mit Harald Schmidt im Stuttgarter Schauspielhaus

• 11. November (ausverkauft)

• 12. Dezember (ausverkauft)

• 10. Februar 2024 (ausverkauft)

• 10. März 2024 (ausverkauft)

• 13. April 2024

• 26. Juni 2024

• 13. Juli 2024

Für alle, die keine Harald-Schmidt-Karten zur „Spielplan-Analyse“ im Stuttgarter Schauspielhaus bekommen haben: Die TV-Sendung „Sträter XXL mit Harald Schmidt als Gast“ wurde am 7.11. im WDR wiederholt und steht in der ARD-Mediathek zur Verfügung.

Vorsicht Hoax: In sozialen Netzwerken sorgt eine vermeintliche Aussage von Harald Schmidt für Aufsehen. Mehrere User verbreiten ein Sharepic in dem Schmidt angeblich fordert, alle Moscheen zu schließen. Im Wortlaut heißt es in dem Posting, das neben Text auch ein Foto von Schmidt zeigt: „Ich finde, wir sollten grundsätzlich alle Moscheen schließen. Nur so verteidigt man christliche Kultur und Werte. Wer ohne Moschee nicht leben kann, der weiß wo der Flughafen ist“. Diese Worte sind jedoch frei erfunden und wurden Harald Schmidt in den Mund gelegt. Der erwähnte Text im Sharepic stammt aus einem Tweet von einem Parodie-Account auf der Plattform X (vormals Twitter). mic

Harald Schmidt

Privatleben und Kinder
Harald Schmidt (*1957) ist mit der 20 Jahre jüngeren Lehrerin Ellen Hantzsch liiert, deren Alter medial mit 43 angegeben wird, und hält sich bezüglich Privatleben ziemlich bedeckt. Einige Quellen berichten über vier Kinder, andere über fünf Kinder. Tochter Amelie Schmidt kam 2015 zur Welt. Gesichert ist, dass sich Schmidts Lebensmittelpunkt heute in Köln befindet. Geboren ist der Schwabe in Neu-Ulm, aufgewachsen in Nürtingen.

Gesellschaftliches Engagement
Zusammen mit Manuel Andrack, dem ehemaligen Redaktionsleiter der Harald-Schmidt-Show engagiert sich der Entertainer gegen die Parkinson-Krankheit. (mic)

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