Der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor rüstet verbal auf – und erntet Widerspruch von zwei Vertreterinnen der Ampel-Parteien.

Wegen seines streberhaften Auftretens gilt der 31-jährige CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor je nach Perspektive als Jungstar der Konservativen oder bei jüngeren Wählern als schwer vermittelbarer Politiker. Am Montagabend in der ARD-Sendung „Hart aber fair“ von Louis Klamroth zur von der CDU angeregten Abschaffung des Bürgergeldes - „Mehr Druck, mehr Sanktionen, mehr Gerechtigkeit?“ – konnte Amthor verbal gelegentlich punkten, im Großen und Ganzen aber unterlag er rhetorisch seinen Widersachern, der Grünen-Parteichefin Ricarda Lang, die ihn in Wortgefechten stimmlich übertrumpfte, sowie der SPD-Ministerpräsidentin des Saarlandes, Anke Rehlinger. Mehrfach gab es im Studiopublikum Applaus – allerdings nie für Amthor.

 

Kein Geld für Totalverweigerer?

Es ging um die von der CDU gewünschte Ersetzung des Bürgergeldes durch eine neue Grundsicherung. Amthor erinnerte daran, dass die Union das „C“ in ihrem Namen trage und selbstverständlich auch weiterhin „den unverschuldet in Not Geratenen“ helfen wolle. Aber die jetzige Bürgergeld-Regelung sei ungerecht und ein gesellschaftlicher Missstand. „Schon der Begriff Bürgergeld insinuiert einen falschen Sachverhalt, nämlich, dass das Geld jedermann zusteht“, so Amthor. Es gehe aber nicht um Wohltaten, die Politiker verteilten, sondern Sozialleistungen, die von den Steuer- und Beitragszahlern erst erarbeitet werden müssten und von der Politik treuhänderisch verwaltet werden. Die von der CDU gewollte Setzung von Bürgergeld-Empfängern auf Null-Leistungen, wenn sie eine zumutbare Arbeit verweigern, wirke der zur erkennenden Spaltung der Gesellschaft in dieser Frage entgegen und erhöhe die allgemeine Akzeptanz des Sozialsystems, das durch die Totalverweigerer ins Misskredit gebracht worden sei. Eine Antwort auf eine wichtige Detailfrage, wie die CDU es denn bewerkstelligen wolle, dass man den sogenannten Totalverweigerern das Geld komplett streiche – 563 Euro erhält ein Haushaltsvorstand - gleichzeitig aber ihre Partner und Kinder nicht darunter zu leiden hätten, blieb Amthor schuldig: „Wir werden das noch ausformulieren.“ Es gehe aber wohl nicht an, dass ein Totalverweigerer ohne Kinder bestraft werde, „und die anderen machen, was sie wollen“.

Es geht um eine kleine Gruppe

Die Front von Ricarda Lang und Anke Rehlinger war ziemlich geschlossen. Von den 5,5 Millionen Bürgergeldempfängern stehen nur ein knappes Drittel wirklich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung und von denen sind nur 0,8 Prozent beziehungsweise 13.800 Personen wirkliche Totalverweigerer, die unbegründet ein konkretes Jobangebot ablehnen. Wer arbeiten kann, der solle arbeiten, so Ricarda Lang. Es gebe jetzt schon Sanktionen bei Verweigerern, aber das Bundesverfassungsgericht habe klare Grenzen gesetzt, wie weit die gehen dürften und dass sie nicht dauerhaft sein dürften: „Sie arbeiten daran, alle Bürgergeldempfänger in Misskredit zu bringen“, warf Lang dem CDU-Politiker Amthor vor. „Sie picken sich die kleine Gruppe der Totalverweigerer heraus und versuchen damit Stimmung gegen die Bürgergeldempfänger zu machen.“ Lang verteidigte überdies, dass der Vermittlungsvorrang der Jobcenter gestrichen worden sei zugunsten von Qualifizierung und Weiterbildung: „Wir hatten doch einen Drehtüreffekt, Leute wurden in irgendeine Arbeit vermittelt und nach zwei Monaten waren die zurück im Bürgergeld. Es muss doch um dauerhafte Beschäftigung gehen.“ Ähnlich auch die Replik von Anke Rehlinger, die meinte, der Staat dürfe natürlich „nicht naiv“ sein. Die Solidargemeinschaft müsse dafür sorgen, dass niemand hungere und friere, aber wer die Regeln nicht einhalte, müsse auch Sanktionen spüren, die es schon gebe. Mit der Idee, auch das Schonvermögen von Bürgergeldempfängern anzutasten – 40.000 Euro – , bestrafe die CDU diejenigen, die sich fürs Alter etwas zur Seite gelegt hätten: „Die sind die Dummen.“ Die Sozialdemokratin meinte, in den Zeiten des Umbruchs müssten sich die Menschen zumindest auf die soziale Absicherung verlassen können, das sei für stabile Verhältnisse in Deutschland unabdingbar.

Die „Superreichen“ im Blick

„Sie wollen den Sozialstaat zum Schlaraffenland machen“, warf Philipp Amthor hingegen den Vertreterinnen der Ampel-Koalitionsparteien zu. Das Geld für die Sozialleistungen müsse erstmal erwirtschaftet werden, das gehe nicht durch mehr Umverteilung, sondern eine Erhöhung der Aufstiegschancen. Eine Möglichkeit, mehr Ressourcen zu erwirtschaften, könnte eventuell auch eine höhere steuerliche Belastung der Superreichen im Land sein. Moderator Klamroth erinnerte daran, dass die 200 Reichsten im Land über ein Vermögen von 1,4 Billionen Euro verfügten. Während sich Lang und Rehlinger für eine Erhöhung der Steuer bei hohen Erbschaften aussprachen, erteilte Amthor dem eine Absage. Immer wenn ein Land an der Steuerschraube drehe, führe das zu Kapitalflucht und einem Rückgang der Investitionen. „Wir müssen hingegen die Kraft der Wirtschaft entfesseln.“ Sekundiert wurde Amthor von der Präsidentin des Verbandes „Die Familienunternehmer“, Marie-Christine Ostermann. Sie sagte, ihrem eigenen Unternehmen mit 200 Mitarbeitern ginge es bei einer höheren Erbschaftsbesteuerung an die „Substanz“. Einen Konsens in der Runde gab es immerhin beim Thema Erhöhung der Zuverdienste für Bürgergeldempfänger. Bei bis zu 100 Euro Zuverdienst sind die Einkünfte frei, bei 520 Euro bis 1000 Euro sind 30 Prozent frei. Ein Auszubildender aus einer Hartz-4-Familie habe in ihrem Betrieb einmal die Lehre abgebrochen, weil seine komplettes Ausbildungsvergütung weggefallen sei, so Ostermann. Die Bundesregierung prüfe derzeit ein Gutachten, inwieweit die Zuverdienstgrenzen angehoben werden könnten, so Ricarda Lang.

Zwei Euro mehr am Tag

Unbestritten auch war, dass das Abstandsgebot zwischen Bürgergeldempfängern und Niedriglohnbeziehern geachtet werden müsse. Sie habe Leute im Betrieb, die auch nachts arbeiteten und nur einige Hundert Euro mehr hätten als Bürgergeldempfänger, so die Unternehmerin Ostermann: „Der Abstand ist nicht groß genug.“ Das Bürgergeld war zuletzt um 12 Prozent, der Mindestlohn aber nur um drei Prozent erhöht worden. Ein erwerbsunfähiger Familienvater aus Mönchengladbach, der Bürgergeld bezieht und ehrenamtlich für die Tafel arbeitet, beklagte, dass der Regelsatz fürs Bürgergeld viel zu niedrig sei, die Löhne aber ebenfalls. Man habe jetzt zwei Euro am Tag mehr bekommen. „Bei uns in der Tafel stehen Rentner, alleinerziehende Mütter und Aufstocker in der Schlange, weil sie nichts zu essen haben.“ Dass da Politiker über hinzunehmende „Wohlstandsverluste“ sprächen, das sei eine nicht zu akzeptierende Rhetorik. Es gehe nicht an, die Menschen in „faule“ Bürgergeldempfänger und „fleißige“ Arbeitende einzuteilen. Das blieb an diesem Abend unwidersprochen.