Über den Prozess der Erniedrigung macht sich Vernoff keine Illusionen. Indem sie das das Ganze als Witz abtat, habe sie abgenickt, dass es okay sei für ihren Showrunner, sich so zu benehmen. Wobei auch jedem Betrachter von außen klar sein dürfte, dass da keinem hormonell Unbalancierten unter einem akuten Testosteronschub eine abstrus deplatzierte Anmacherbemerkung entfuhr wie einem Mann, der zu schnell zu viel Cola getrunken hat, ein spontaner Rülpser. Was da ablief, war die fiese Neudefinition einer Kollegin: Die ist demnach nicht ihrer fachlichen Qualifikation wegen in der Gesellschaft von Männern, sondern ihrer möglichen Brauchbarkeit als Betthäschen wegen. Stimmt sie dieser Rolle zu, ist sie sowieso verloren. Lehnt sie diese Rolle ab, ohne das ganze Machtspiel auffliegen zu lassen, gesteht sie ein, ihre Grundqualifikation als sexspeilezug nicht zu erfüllen, also allenfalls noch eine Geduldete zu sein.

 

Der bessere Körperbau

Ohne polemisch zu werden, erzählt Vernoff weitere Beispiele einer toxisch sexistischen Atmosphäre, einer „Kultur der Frauenfeindlichkeit“, wie sie das nennt. Da ist etwa das überraschende Ergebnis eines Kameratests für die Pilotfolge einer TV-Serie. Eine der beiden geladenen Schauspielerinnen ist um Welten besser als die andere – der Chef des Senders aber will die weniger talentierte. Er sagt ganz offen, sie habe mehr sexuelle Ausstrahlung als die andere, den besseren Körperbau. Eine ebenfalls anwesende leitende Angestellte des Senders erträgt das nicht, interveniert. Der Senderchef rudert zurück, die Rolle wird nach Talent besetzt. Aber Vernoff hat eine böse Pointe parat: „Ein paar Wochen später wurde diese leitende Angestellte ohne nähere Begründung entlassen.“

Die in Kanada geborene, in den USA arbeitende Schauspielerin und Regisseurin Sarah Polley hat in der „New York Times“ ähnlich ruhig und erschütternd wie Vernoff Bilanz gezogen. Auch ihr geht es in diesen Tagen um die Frage, warum sie sich das alles überhaupt gefallen ließ. Sie sei es müde gewesen, als schwierig zu gelten, schreibt sie. Aber sie hat auch eine härtere Konsequenz als andere gezogen und die Schauspielerei für lange Zeit sein lassen, um der Rolle des Sexobjekts zu entkommen.

Viele andere aber weisen auf eine Ohmachtserfahrung hin, auf das Gefühl, gegen ein Netzwerk ihrer Peiniger sowieso nicht anzukommen, in der Öffentlichkeit kein Gehör oder gar Häme zu finden. Das aber ändert sich gerade: Der Fall Weinstein und der Hashtag #metoo trennen vielleicht bald eine Ära von einer anderen.