Wo kommen denn die kleinen Bäume her? Der zweite Waldtag in Stuttgart hat großen und kleinen Besuchern gezeigt, was der Begriff Nachhaltigkeit in der Praxis bedeutet.

Stuttgart - Das Seil hängt dem Delinquenten bereits um den Stamm. Es ist um andere Bäume herum um die Ecke gespannt. An seinem Ende ist es an einem Traktor befestigt. Zwei Waldarbeiter bearbeiten derweil das Holz mit ihren Motorsägen. An der eine Seite entsteht eine breite Kerbe, die sogenannte Fällkerbe. An der anderen Seite bohrt sich der Fällschnitt tief in den Stamm. Zwischen beiden bleibt ein dünner Streifen Holz. Die Schwerkraft erledigt den Rest, der Baum wankt, dann stürzt er und schlägt schließlich krachend auf dem Boden auf.

 

Im Abstand von einer Baumlänge ist ein rot-weißes Absperrband an Bäumen und Büschen angebracht. Ein großes Schild warnt: „Halt! Baumfällungen.“ Hinter dem Band stehen die Besucher des zweiten Waldtags, unter ihnen auch der Amtsleiter des Garten-, Friedhofs- und Forstamts, Volker Schirner, und Felix Reining, Geschäftsführer für Finanzen und Controlling bei der Forstverwaltung Baden-Württemberg, Forst BW.

Ideengeber der modernen Forstwirtschaft

Sie haben zur Eröffnung der Veranstaltung im Degerlocher Haus des Waldes gesprochen und lassen sich nun den Waldparcours mit seinen 24 Stationen zeigen. Sie alle sollen den Besuchern näherbringen, was sich unter dem inzwischen inflationär gebrauchten Begriff „Nachhaltigkeit“ in Bezug auf die Forstwirtschaft in der Praxis verbirgt. Das sei kein Zufall, sagt Christian Heß, Büroleiter im Haus des Waldes. „Schließlich wurde der Begriff ursprünglich in der Forstwissenschaft gebraucht“, sagt er. Historisch sei es allerdings ein Oberberghauptmann gewesen, der im 18. Jahrhundert zum ersten Mal in seinem Werk „Sylvicultura oeconomica“ formuliert hat, dass dem Wald nicht mehr entnommen werde könnte, als darin wächst, sagt Heß. Hans Carl von Carlowitz, so hieß der Oberberghauptmann, ist bis heute der Ideengeber der modernen Forstwirtschaft. Er habe auf eine schwere Holzkrise reagiert, die Folge der Industrialisierung und des damit verbundenen Raubbaus an der Natur gewesen sei, sagt Felix Reining von der baden-württembergischen Forstverwaltung. „Im Grunde reagieren die Menschen ja immer auf eine Krise“, sagt er.

Damit dem heutigen Forstbestand eine solche Krise erspart bleibt, müssen eben auch Bäume gefällt werden. „Zum Beispiel, wenn sie zu dicht beieinander stehen, dann konkurrieren sie um Licht, und einer verliert“, sagt Christian Heß. Bevor das geschieht, rücken die Waldarbeiter mit ihren Motorsägen an, um das Grün ein bisschen zu lichten. Natürlich sind die gefällten Bäume auch ein Wirtschaftsgut, aus dem zum Beispiel Möbel produziert werden. „Nachhaltigkeit soll ja Ökonomie, Ökologie und soziale Aspekte miteinander versöhnen“, sagt Christian Heß .

Der Wald als weicher Standortfaktor

Volker Schirner vom städtischen Garten-, Friedhofs- und Forstamt erinnert aber auch an das andere, historisch gerade in Deutschland sehr innige Verhältnis der Menschen zum Wald, als er Erich Kästner zitiert. Mit Bäumen könne wie mit Brüdern gesprochen werden, heißt es in einem Gedicht Kästners. Schirner betont, dass der Stadtwald für Stuttgart ein weicher Standortfaktor sei, der Großstädtern Erholung ermögliche. Für Christian Heß ist das die soziale Komponente, die zum Begriff Nachhaltigkeit gehöre, und die von der Forstwirtschaft bedacht werden müsse.

„95 Prozent weniger Unfälle“

Beim zweiten Waldtag nach der ersten Veranstaltung im Jahr 2011 machen aber auch die Waldarbeiter selbst auf ihren nicht immer ganz ungefährlichen Job aufmerksam. Sie demonstrieren anhand eines Stückes ihrer Schutzkleidung, die um einen Baumstamm gewickelt ist, wie wichtig eine akkurate Ausrüstung für sie ist.

Die Kreissäge kann die losen Fasern in der Schutzkleidung kaum durchdringen, sie bleiben an dem Sägeblatt hängen und stoppen es. Der Erfolg lässt sich in Zahlen messen: „Dank dieser Spezialkleidung gibt es mittlerweile 95 Prozent weniger Unfälle“, sagt ein Waldarbeiter.