Die Regierung in Paris muss einräumen, dass sie auch in diesem Jahr das im Maastrichter Vertrag beschlossene Defizitziel von drei Prozent klar verfehlen wird. Das Finanzministerium rechnet mit einem Minus von 4,1 statt den angepeilten 3,7 Prozent.

Berlin - Frankreich hält seine Haushaltsziele zum wiederholten Male nicht ein. Die französische Regierung hat eingeräumt, die Wachstums- und Defizitprognosen zu verfehlen. Der Wirtschafts- und Finanzminister Pierre Moscovici sagte in Paris, die Haushaltslage habe sich verschlechtert. Er korrigierte die Vorhersagen für das gesamtstaatliche Defizit. Die Neuverschuldung werde in diesem Jahr bei 4,1 (geplant: 3,7) Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen. Auch im nächsten Jahr trübt sich die Entwicklung ein: Die Defizitquote werde sich auf 3,6 Prozent anstatt der vorgesehenen 2,9 Prozent belaufen. Um der schlechteren Etatlage entgegenzuwirken, will Paris im kommenden Jahr 15 Milliarden Euro einsparen.

 

Nach dem Maastricht-Vertrag soll das Defizit unter der Obergrenze von drei Prozent des BIP liegen. Im Jahr 2010 setzten die EU-Kommission und der Finanzministerrat gegen Frankreich ein Defizitverfahren in Gang. Zunächst sollte Paris bis 2013 seine Neuverschuldung unter drei Prozent drücken. Weil sich die Krise verschärfte und Paris kaum Fortschritte erzielte, verlängerte die EU-Kommission in Brüssel die Frist um zwei Jahre bis 2015.

In Berlin werden Zweifel an Paris laut

In der schwarz-gelben Koalition werden nach den schlechten Zahlen aus Frankreich Zweifel laut, ob Paris die mit Brüssel vereinbarten Defizitziele noch einhalten kann. Die EU-Kommission bewilligte erst im Juni den Aufschub für Frankreich. Gegen eine Fristverlängerung um zwei Jahre hatte die Bundesregierung anfangs Bedenken angemeldet. Berlin sorgt sich, dass Frankreich Reformen zu lax angeht. Die nun angekündigte Etatkorrektur ruft Kritik in der Koalition hervor. Der FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle sagte der Stuttgarter Zeitung: „Das sind beunruhigende Zahlen aus Paris.“ Grund für die Schwäche Frankreichs sei die sozialistische Steuererhöhungspolitik, meinte Brüderle.

Er sagte, Europa sei auf ein starkes Frankreich angewiesen. Auch in der Union wird der Ruf nach Reformen im Nachbarland laut: „Die Befürchtung steht im Raum, dass die von der EU-Kommission bewilligte zweijährige Frist zum Erreichen der Defizitziele nicht ausreicht“, sagte der CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle. Dies wäre absolut schädlich. „Die Defizitziele dürfen nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden“, sagte Barthle. Die jüngsten Wachstums- und Haushaltszahlen seien vielmehr ein Zeichen, dass Frankreich dringend Reformen einleiten müsse. Gunther Krichbaum (CDU), Vorsitzender des Europaausschusses im Bundestag, forderte von Paris ein höheres Reformtempo. „Es ist fünf vor zwölf. Je länger Frankreich mit Strukturreformen wartet, desto schwieriger wird die Situation“, sagte er.

Laut Krichbaum habe Frankreich kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Die von der Regierung François Hollande geplante Reform der Rentenversicherung sei unzureichend. Zudem seien die Arbeitskosten in Frankreich zu hoch. Die beschlossenen Steuererhöhungen bremsten zudem das Wachstum.

Frankreichs Regierung rechnet mit Stagnation

Trotz eines überraschenden Wirtschaftswachstums von 0,5 Prozent im zweiten Quartal rechnet die französische Regierung für 2013 nur mit einer Stagnation der Wirtschaft. Im nächsten Jahr wird eine Steigerung der Wirtschaftsleistung von 0,9 Prozent erwartet. Zuvor war Paris noch von einem Plus von 1,2 Prozent ausgegangen.

Portugal, das unter einem noch höheren Defizit leidet als Frankreich, forderte von den internationalen Gläubigern eine Lockerung der Haushaltsvorgaben. Für das kommende Jahr sollte Portugal ein Defizit von vier Prozent erreichen. Die Regierung in Lissabon deutete nun an, es werde eine Neuverschuldung von 4,5 Prozent der Wirtschaftsleistung erwartet. Über eine Anpassung des Programms soll nun mit den Geldgebern von EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds verhandelt werden.

Die EU-Kommission hatte schon im Juni signalisiert, dass Spanien bis 2016 Zeit bekommen soll, um die Drei-Prozent-Defizitmarke zu erreichen. Auch Spanien verfehlte mehrfach die angepeilten Etatwerte.