Viel war über die Gründer des Oberndorfer Waffenherstellers bisher nicht bekannt. Umso größer war das Entsetzen, als im September 2020 Edmund Hecklers mutmaßliche Verstrickung in Nazi-Verbrechen ans Licht kamen. Historiker haben nun Licht ins Dunkel gebracht.

Es waren schockierende Enthüllungen, die Recherchen der „Bild am Sonntag“ damals zu Tage brachten. Edmund Heckler, Mitbegründer des Waffenherstellers Heckler & Koch (Kreis Rottweil), soll während des Zweiten Weltkriegs KZ-Häftlinge unter unmenschlichen Bedingungen in einem der größten Rüstungskonzerne im sächsischen Taucha für sich arbeiten lassen haben. Nach Kriegsende kehrte Heckler nach Baden-Württemberg zurück und gründete 1949 zusammen mit Theodor Koch und Alex Seidel das Oberndorfer Unternehmen.

 

Erkenntnisse erstmals der Öffentlichkeit präsentiert

Nachdem diese mutmaßlichen Verstrickungen in die Verbrechen des NS-Regimes aufgedeckt wurden, kündigte Heckler & Koch an, die Vergangenheit der drei Firmengründer untersuchen zu lassen.

Die Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (GUG) in Frankfurt wurde unmittelbar mit den Forschungsarbeiten beauftragt. Am Dienstagnachmittag wurden die Ergebnisse der Historikergruppe in der Firma der erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.

Heckler & Koch wolle „die Schatten auf die dunkle Vergangenheit“ seiner Gründerväter beleuchten, sagte Vorstandsvorsitzender Jens Bodo Koch in seiner Einleitung. Zu den Erkenntnissen könne man sich aber noch nicht äußern. „Auch wir werden heute zum ersten Mal mit den Ergebnissen konfrontiert“. Ein Moment des Innehaltens sei erst nötig, um diese verarbeiten zu können.

Keine NSDAP-Mitglieder

Theodor Koch (1905 – 1976) und Alex (Alexius) Seidel (1909 – 1989) waren von 1932 beziehungsweise 1933 als Ingenieure bei Mauser tätig. Koch machte beim Oberndorfer Unternehmen Karriere als Abteilungsleiter und Oberingenieur im Werkzeug- und Vorrichtungsbau. Im Unterschied zu Koch war Seidel als Konstrukteur und Betriebsingenieur in keiner übergeordneten Führungsfunktion tätig.

Beide waren weder Mitglieder der NSDAP, noch sei ein sonstiges nationalsozialistisches Engagement nachzuweisen, erklärte die Historikerin Stefanie van de Kerkhof. Sie seien zwar, wie viele andere Industrievertreter ihres Rangs, Mitglieder in der Deutschen Arbeitsfront oder dem Bund Deutscher Techniker gewesen, doch bedeutenderen NS-Organisationen traten sie nicht bei.

SS finanziell unterstützt

Einzig bei Koch sei eine „finanzielle Förderung der SS“ nachgewiesen worden. Der Zweck und die Höhe seien unbekannt. Möglicherweise stehe die Zahlung in Zusammenhang mit einem Konflikt, den er 1938 mit einem NSDAP-Ortsgruppenleiter hatte. Mit Sicherheit lasse sich das allerdings nicht sagen, zumal eine solche Förderung nicht selten war. Beide seien keine überzeugten Nationalsozialisten gewesen, vielmehr hätten sie versucht, sich in das NS-System einzufügen, so das Ergebnis der Untersuchung.

Durch den massiven Ausbau der Produktion waren die Deutschen Rüstungsunternehmen mit fortschreitender Kriegsdauer immer mehr auf Zwangsarbeiter angewiesen. Bei Mauser waren gegen Kriegsende mehr als 6000 Zwangsarbeiter und 200 Häftlinge aus dem Arbeitserziehungslager im nahe gelegenen Aistaig tätig.

Elend der Zwangsarbeiter war bekannt

Mindestens 314 Zwangsarbeiter starben und 79 Häftlinge im Aistaiger Lager sind an Mangelernährung, Krankheit oder durch Hinrichtungen gestorben. „Das Elend der Zwangsarbeiter gehörte zum Alltag in den Mauser-Werken“, heißt es in dem Bericht der Historikergruppe. Auch Koch und Seidel wussten dementsprechend davon. Welche Haltung sie zu diesem Elend hatten, sei nicht belegt.

Stefanie van de Kerkhof (von links), Andrea Schneider-Braunberger (Geschäftsführerin GUG) und Rainer Karlsch Foto: Reimer

Seidel dürfte in seiner Position nur wenig Befugnisse über Personal gehabt haben. Koch hingegen musste sich hingegen auch mit dem Arbeitskräfteeinsatz befassen. Hier gebe es allerdings keine Hinweise auf Misshandlungen von Zwangsarbeitern durch ihn.

An Gräueltaten in Polen beteiligt?

Edmund Heckler (1906 – 1960) war anfangs ebenfalls als Ingenieur bei Mauser tätig, doch ein deutlich höheres Gehalt lockte ihn 1934 nach Leipzig, wo er bei der Firma HASAG (Hugo Schneider AG) anfing. Heckler stieg in der Firmenhierarchie auf. Seine Zeit bei HASAG sorgte schließlich für medialen Aufruhr im September 2020. Denn das Unternehmen übernahm nach dem Überfall auf Polen dortige Munitionswerke, in denen die Zwangsarbeiter bis zur Erschöpfung ausgebeutet wurden. In der „Hölle von Kamienna“ starben von 1940 bis 1944 schätzungsweise 20 000 Menschen.

Edmund Heckler Foto: Archiv HK/Archiv HK

Doch Heckler war an den HASAG-Verbrechen in Polen nicht beteiligt, erklärte Historiker Rainer Karlsch. Ab Mitte 1939 war er mit der Errichtung eines Zweigwerks in Taucha bei Leipzig beauftragt, deren Leitung er übernehmen sollte. Edmund Heckler sei zwar im September 1939 bei einer Inspektionsreise mit einer rund 100-köpfigen Kommission nach Polen gereist, um die dortigen Munitionswerke zu besichtigen. Eine besondere Position hatte dabei nicht. Es blieb seine einzige Reise nach Polen.

Parteieintritt aus Karrieregründen

Bis Ende 1939 sei Heckler politisch völlig unauffällig gewesen, so der Historiker. Doch im November des Jahres stellte er einen Aufnahmeantrag in die NSDAP. Über die Motive könne man nur mutmaßen, so Karlsch.

Möglicherweise spielte der ihm in Aussicht gestellte Werksleiterposten eine Rolle. Von den 28 Prokuristen des Unternehmens war Heckler einer der letzten, die noch nicht der NSDAP oder gar der SS beigetreten waren. Paul Budin, Generaldirektor des Unternehmens, war fanatischer Nationalsozialist. Ein Parteieintritt aus Karrieregründen liege daher nahe. „Er war ein Opportunist“, sagte Karlsch.

Zwangsarbeiter-Einsatz unter Heckler

Ein weiterer schwerer Vorwurf: Heckler ließ in Taucha KZ-Häftlinge in der Panzerfaustproduktion für sich arbeiten. Doch diese wurden erst ab 1944 im Werk Taucha II gefertigt. Es gebe keinen einzigen Beleg dafür, dass auch im Werk I unter Heckler KZ-Häftlinge arbeiten mussten. Zweifellos ausschließen lasse sich das allerdings nicht. Belegt ist allerdings, dass der HK-Mitbegründer ab 1940 verantwortlich für den Arbeitseinsatz von Fremd- und Zwangsarbeitern war. „Das lässt sich nicht beschönigen“, sagte Karlsch.

Keiner der drei Mitbegründer sei laut den Erkenntnissen der Historiker fanatischer Nationalsozialist gewesen, vielmehr passten sie sich dem Konformitätsdruck in ihren Unternehmen an, heißt es im Schlusskapitel des Berichts. Dennoch: „Ihr Wissen und ihre Arbeitskraft stellten sie, ohne zu zögern, in den Dienst nationalsozialistischen Aufrüstung und Kriegsvorbereitung.“