Heidi Klum bastelt an ihrer neuen Karriere als Moderatorin.

Stuttgart - Heidi Klum ist das Make-up verrutscht. Der Lippenstift hat sich in eine Zone vorgewagt, in die sich sonst nur Knutschende verirren. Das Rouge hat ihr Gesicht in einen Feuermelder verwandelt. Eine halbe Tonne Glitter ist bemüht, das Malheur zu bedecken.

 

So sieht sie also aus, die neue Heidi Klum. Ein Siebenjähriger namens Ethan durfte sie jetzt in ihrer neuen TV-Show schminken. Es scheint, als habe er sich eine Figur aus der Verfilmung der Comicabenteuer des Superhelden Batman zum Vorbild genommen: den bösen Clown Joker.

Die neue Sendung heißt „Seriously funny kids“ und läuft jeden Dienstagabend in der Primetime auf dem amerikanischen Spartensender Lifetime Television. Das Konzept erinnert an „Verstehen Sie Spaß?“. Mit versteckter Kamera werden Kandidaten in eine Falle gelockt. Allerdings handelt es sich nicht um medienerfahrene Profis, sondern um vier- bis achtjährige Kinder. Das kann einerseits lustig sein – etwa, wenn die Kinder auf Heidis Goldfische aufpassen müssen. Plötzlich beginnen die Viecher zu sprechen, und die Kinder lassen sich tatsächlich auf einen Dialog ein. Andererseits lassen die Produzenten der Show keinen Zweifel daran, dass sie mit diesem Format in erster Linie Erwachsene erheitern wollen. Dementsprechend tief liegt die Schmerzgrenze.

Die neue Show hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack

In einer Folge finden sich Dreikäsehochs im Studio plötzlich in einer deutschen Kochshow wieder. Sie machen gute Miene zum bösen Spiel, doch das Ergebnis klingt erbärmlich: Es ist also ein schmaler Grat, auf den sich Heidi Klum begeben hat, nachdem sie im Herbst 2010 offiziell ihren Abschied als Model für den Dessous-Hersteller Victoria’s Secret verkündet hat. Seither versucht sie sich neu zu erfinden. Als Designerin für Umstandsmode. Als Schöpferin eines Parfüms namens „Heidi Klum Shine“. Als Gesicht des Kosmetikkonzerns Astor.

Das neue TV-Format kam ihr da offenbar wie gerufen. Sogar ihre Fans sehen in ihr inzwischen mehr die „all american mom“ als ein Sexsymbol. Höchste Zeit also für ein Image. Über ihr Erfolgsrezept hatte sie schon 2005 in ihrem ersten Buch geschrieben: „Es klingt vielleicht krass, aber du musst dich in einen Jemand verwandeln, um deine Haltbarkeit zu verlängern.“ Dieser Jemand hat jetzt also das Gesicht eines bösen Clowns. Mag Klum auch beteuern, wie sehr sie Kinder liebe – ihre neue Show hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. In den schlimmsten Momenten geht es den Kindern wie den Kandidatinnen der Castingshow „Germany’s Next Top Model“, die ab Donnerstag, 3. März, wieder auf Pro Sieben in eine neue Runde geht: In ihrer Hilflosigkeit werden sie dem Gespött der Zuschauer ausgeliefert.

Einmal etwa schrammt ein Mädchen haarscharf am Nervenzusammenbruch vorbei: Gerade hat ihm Klum erzählt, wie schick sie sich style. Da klingelt ein Telefon, und ein Journalist fordert das Kind auf, es müsse dem Rest der Welt mitteilen, Frau Klum sei die am schlechtesten gekleidete Frau der Welt. Das Mädchen bricht in Tränen aus.

Heidi Klum als eiskalter Engel

Auch in ihrer neuen Show verwandelt sich die 37-Jährige auf Knopfdruck von der „all american mom“ in einen eiskalten Engel. Die neue Heidi schreckt dabei nicht davor zurück, sich selber zum Kasper zu machen. Mal stellt sie sich schlafend und schnarcht mit offenem Mund. Mal pappt sie sich einen künstlichen Popel an die Nase, um ihre Gäste in Verlegenheit zu bringen. Goofy statt Glamour, auf diese Formel hat die „Los Angeles Times“ die Wiedergeburt der Heidi Klum gebracht.

Doch was Kritiker eher belustigt, bringt Eltern auf die Palme. Der Zusammenbruch des kleinen Mädchens hat eine Protestlawine ausgelöst – und das sogar in den USA. Eltern kritisierten, Klum profiliere sich auf Kosten von Kindern. Dabei wurde der Weltstar aus Bergisch Gladbach von den Amerikanern bisher beinahe kultisch verehrt. In der Heimat von Mickey Mouse lieben sie Geschichten wie die der blonden Selfmadewoman, die einst auszog, sich auszuziehen – und später einen Haufen Dollar als TV-Moderatorin einsackte.

Inzwischen ist der Protest über das neue TV-Format wieder ein wenig verebbt. In Japan setzt das Fernsehen seine jüngsten Zuschauern noch größeren Schrecken aus. Da werden Kinder in einer neuen Sendung mit – vermeintlichen – Zombies konfrontiert. Doch sogar von einem PR-Profi wie Heidi Klum hätte man mehr Sensibilität erwartet. Die neue Heidi, sie hat das Prinzip Schadenfreude auf die Spitze getrieben. Es fällt jetzt auf sie selber zurück. Doch sie erträgt es mit derselben Coolness wie die meisten Kandidatinnen ihrer Show „Germany’s Next Top Model“. Der böse Clown Joker quittiert noch seine eigene Demontage mit gusseisernem Lächeln.

Pro Sieben, Germany’s Next Top Model, vom 3. März an donnertags, 20.15