Die elfjährige Schülerin hat Blutkrebs. Nur eine Stammzellenspende kann sie noch retten. Ihre Familie hat eine Typisierungsaktion organisiert. Und hofft, dass am 14. Dezember viele potenziellen Spender in die Bühlhalle II kommen.
Heimsheim/Rutesheim - Eigentlich ist Marleen ein fröhliches Mädchen, das Spaß am Leben hat. Sie mag Pferde, spielt leidenschaftlich gerne Handball, tanzt Hip-Hop, schwimmt und trifft sich mit ihren Freundinnen. So wie andere Mädels in ihrem Alter eben auch. Doch Marleen ist schwer krank. Die Elfjährige aus Heimsheim leidet an Blutkrebs – und das schon zum zweiten Mal. Nach einer Chemotherapie kann ihr jetzt nur noch eine Stammzellentransplantation helfen. Zusammen mit der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) haben Familie und Freunde ein Aktion am 14. Dezember auf die Beine gestellt, mit der sie neue Spender gewinnen wollen.
Das Schicksal trifft die Küchlers völlig unvorbereitet. Es ist der 4. November 2013, als sich Marleens Leben und das ihrer Eltern Anke und Christian schlagartig verändert. Marleen besucht seit ein paar Wochen die fünfte Klasse am Rutesheimer Gymnasium. Damit sie besser durch die Nase atmen kann, werden ihr die Polypen entfernt. Eigentlich ein Routineeingriff. Doch von der Operation erholt sie sich nicht mehr. „Ich war immer wieder krank, habe mich schlapp gefühlt und hatte schlimme Ohrenschmerzen“, erzählt Marleen.
Sie fährt mit ihrer Mutter in die Klinik nach Pforzheim, die Ärzte machen ein Blutbild. Der Leukozytenwert ist viel zu hoch – Diagnose Blutkrebs. Marleens Vater erinnert sich noch genau. „Als meine Frau mich anrief und mir das erzählte, hab’ ich es erst gar nicht geglaubt“, sagt Christian Küchler. Sofort wird Marleen mit Blaulicht in die Kinderklinik Olgäle nach Stuttgart gebracht. „Es war kurz vor knapp, Marleen stand kurz vor der Dialyse“, erzählt Küchler. Umgehend beginnen die Ärzte mit der Chemo.
Die folgenden Monate sind geprägt von Angst und Hoffnung, immer wieder muss Marleen ins Krankenhaus. Sie bekommt eine sogenannte Dauerchemo in fünf Blöcken, wird bestrahlt. Sie verliert ihre blonden Haare. „Doch bevor sie mir ausgegangen sind, habe ich mir die Haare rot gefärbt“, erzählt die Elfjährige und grinst verschmitzt.
Die Schülerin bekommt sechs Monate lang eine Dauertherapie, es gibt Phasen, in denen es ihr richtig schlecht geht. Doch Marleen ist eine Kämpferin. Wann immer es ihr Zustand zulässt, bekommt sie von Lehrern daheim Einzelunterricht. „Am Ende des Schuljahres war ich in Deutsch sogar weiter als meine Klasse“, erzählt sie stolz.
Die Schülerin erholt sich langsam, im Juni fährt sie zur Reha nach Sylt. Nach dem Sommerferien darf Marleen wieder in die Schule. „Ich habe mich so gefreut, wollte richtig durchstarten“, sagt sie. Dann, am 16. September, stellen die Ärzte bei einer Routineuntersuchung einen Rückfall fest. Der Krebs ist zurück. „Schnell war klar: jetzt hilft nur noch eine Stammzellentherapie“, erzählt Anke Küchler.
Die Familie trommelt Freunde und Bekannte zusammen, stellt mit Unterstützung der DKMS und vielen Ehrenamtlichen die Typisierungsaktion in Rutesheim auf die Beine, um so viele potenzielle Spender wie möglich zu finden. Christian Küchler bittet auch Jürgen Schwarz, den Leiter des Rutesheimer Gymnasiums, um Unterstützung. Schwarz erinnert sich genau an den Moment, als Küchler ihm von Marleens Rückfall erzählte. „Das war wie kurz vor einem Tsunami. Da steht die Welt still.“ Er fackelt nicht lange, übernimmt zusammen mit den Bürgermeistern aus Heimsheim und Rutesheim, Jürgen Troll und Dieter Hofmann, die Schirmherrschaft für die Aktion.
Wenn alles gut läuft und ein passender Spender gefunden wird, könnte die Therapie Anfang Dezember in der Klinik in Tübingen beginnen. Mit einer weiteren Chemotherapie wurde Marleens Körper darauf vorbereitet. Die Elfjährige wird auf der Isolierstation behandelt. Bevor sie die neuen Stammzellen bekommt, wird ihr Immunsystem komplett zerstört. Nach der Transplantation dauert es mehrere Wochen, bis die Therapie anschlägt. Nach 100 Tagen ohne Komplikationen sei eine große Hürde genommen, sagt Anke Küchler. Bis Marleen ganz gesund ist, werde es aber ungefähr fünf Jahren dauern.
Ein langer Weg liegt vor der Elfjährigen. Doch sie ist optimistisch. „Ich schaffe das schon.“ Sie will sich nicht unterkriegen lassen, ihre Fröhlichkeit und Energie reicht locker für zwei. „Im Moment geht es mir gut“, sagt Marleen. Ihr großes Ziel: „Ich will so schnell wie möglich wieder in die Schule gehen.“ Denn sie will wieder ihre Freunde treffen und Spaß haben, vielleicht Gitarre spielen. So wie andere Mädels eben auch.
Wie die Typisierung verläuft und was die Spender erwartet
Termin:
Die Aktion findet am Sonntag, 14. Dezember, von 11 bis 16 Uhr, in der Sporthalle Bühl II in Rutesheim (Robert-Bosch-Straße 51) statt. Mitmachen kann grundsätzlich jeder gesunde Mensch zwischen 17 und 55 Jahren.
Typisierung:
Nachdem die Stammzellenspender eine Einverständniserklärung unterschrieben haben, werden ihnen fünf Milliliter Blut abgenommen, damit ihre Gewebemerkmale bestimmt werden können. Das Ganze dauert etwa 15 Minuten. Die Ergebnisse werden anonymisiert in den Datenbanken gespeichert. Bundesweit sind bei der DKMS und in anderen Datenbanken 5,6 Millionen potenzielle Spender registriert.
Spende:
Entscheidend für die Übertragung von Stammzellen ist die Übereinstimmung von zehn, mindestens aber acht Merkmalen zwischen Spender und Empfänger. In 80 Prozent aller Fälle erfolgt die Stammzellenentnahme peripher: Mittels Medikamenten wird eine Grippe simuliert. Das regt die Stammzellenproduktion im Körper des Spenders an. An einem Arm wird das Blut abgezapft, die Stammzellen werden herausgefiltert. Das restliche Blut gelangt über den anderen Arm wieder in den Körper. Der Eingriff dauert zwei bis drei Stunden und erfolgt ambulant im Krankenhaus. In 20 Prozent der Fälle wird dem Spender unter Vollnarkose ein Liter Knochenmark-Blut-Gemisch aus dem Beckenkamm entnommen und dem Patienten übertragen. Das entnommene Knochenmark bildet sich innerhalb von 14 Tagen vollständig nach. Nebenwirkungen können Kopf- und Gliederschmerzen sowie Prellungsschmerzen sein. In beiden Fällen wird der Spender vor der Entnahme aufgeklärt und ärztlich untersucht.
Geldspende:
Eine Typisierung kostet 50 Euro. Als gemeinnützige Gesellschaft ist die DKMS bei der Suche nach neuen Spendern auf Geldspenden angewiesen. Jeder Euro zählt. Informationen rund um die Themen Blutkrebs, Stammzellspende und das Spendenkonto gibt es auf www.dkms.de.