Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz soll in Baden-Württemberg bundesweit zum Vorreiter werden und sorgt bei Hausbesitzern für Verunsicherung.

Stuttgart - Seit Jahresbeginn spielt Baden-Württemberg bei privaten Heizanlagen bundesweit den energetischen Vorreiter. Hauseigentümer, die ihre alte Zentralheizung gegen eine neue austauschen, müssen neuerdings dafür sorgen, dass nach der Heizungsmodernisierung zehn Prozent der Wärme durch erneuerbare Energien erzeugt werden.

Drei Monate nach in Kraft treten des Erneuerbare-Wärme-Gesetz Baden-Württemberg gibt es erwartungsgemäß noch wenige neue Heizanlagen, dafür aber umso mehr verunsicherte Hausbesitzer. Und das Baurechtsamt als Kontrollbehörde sowie die Schornsteinfeger als Sachkundige sehen mehr Arbeit auf sich zukommen. Denn das Wärmegesetz befeuert vor allem die Bürokratie. Welche neue Heizung soll ich nehmen? Wie schaffe ich das mit den zehn Prozent an erneuerbarer Energie? Fragen wie diese treiben offensichtlich nicht wenige Hauseigentümer um. Auch diejenigen, die durchaus willens sind, etwas für die Umwelt zu tun, noch bevor die alte Heizung ihren Geist aufgibt. "Viele unserer Mitglieder sind verunsichert, wissen nicht, wie sie mit dem neuen Gesetz umgehen sollen", sagt Nicole Schade vom Verein Haus & Grund. "Viele denken, es muss unbedingt Solar aufs Dach, aber es besteht ja auch die Möglichkeit, nur den Gastarif zu wechseln, künftig mit Bioöl zu heizen oder diverse Wärmedämmmaßnahmen vorzunehmen."

Weil es keine pauschale Antwort gebe und die jeweils beste Lösung nur individuell gefunden werden könne, biete der Verein neuerdings regelmäßige Beratung mit Experten an. "Die Termine sind immer voll", sagt Schade. Weil jeder Fall so unterschiedlich gelagert sei, gebe es seitens des Vereins auch noch keine Tendenz in der Beratung. Schade: "Ich persönlich empfehle meistens, erst einmal die Erfahrungen in der Praxis zu sammeln und abzuwarten, wenn die Heizungserneuerung noch nicht unbedingt notwendig ist."

Keine erfreuliche Aufgabe für das Baurechtsamt


Abwarten oder sich langsam an die neuen Vorgaben vortasten beschreibt auch die Situation beim Baurechtsamt und der Schornsteinfegerinnung. Denn das neue Gesetz wurde unter politischem Druck verfasst, mit der Anleitung zur praktischen Umsetzung ist es aber, wie so oft, nicht weit her. So hat das Baurechtsamt, das die Einhaltung der Zehn-Prozent-Vorgabe künftig überwachen muss, erst dieser Tage neue Vordrucke vom Umweltministerium bekommen, auf denen künftig vom Hauseigentümer der Nachweis zur energiebewussten Heizungserneuerung geführt werden muss - in welcher Zeit auch immer. In der Regel muss der Nachweis, der von "Sachkundigen" wie Handwerkern oder Schornsteinfegern ausgestellt werden muss, binnen drei Monaten beim Amt vorgelegt werden. Im Einzelfall, wenn etwa keine erneuerbaren Energieen eingesetzt, dafür aber Fassade oder Dach gedämmt werden, kann sich die Frist um ein Vielfaches verlängern.

Da kommt auch auf das Baurechtsamt einiges zu, da macht sich Amtschefin Kirsten Rickes keine Illusionen. "Die neue Aufgabe, die wir da bekommen haben, wird arbeitsintensiv und wir werden die Bürger damit nicht immer erfreuen." Auch die Härtefallklausel oder die Sonderregelungen, die Eigentümer von der Zehn-Prozent-Klausel befreien können, werden mit hohem Aufwand verbunden sein und im Einzelfall auch die Gerichte beschäftigen. "Davon würde ich ausgehen", sagt Rickes.

Noch aber steckt die Behörde in Sachen Wärmegesetz in der Aufbauphase. Mit einer einzigen zusätzlichen Personalstelle, die sich zwei Mitarbeiter teilen sollen, muss die neue Aufgabe gemeistert werden, noch hat keiner mit der Arbeit begonnen, noch ist nicht klar, wie die Kontrolle und Überwachung im Detail organisiert und ausgeübt wird.

Am Anfang weniger strenge Kontrollen


Die Schornsteinfegerinnung stellt sich bereits darauf ein, dass auf ihre Mitglieder künftig eine Meldepflicht über neue Heizungsanlagen zukommen könnte. Schließlich müssen die Kaminfeger jede neue Anlage abnehmen und sind somit sowieso vor Ort. "Das wäre ein denkbarer Weg", sagt Kirsten Rickes, entschieden sei aber darüber noch nicht.

Dann bliebe es aber immer noch an der Baubehörde, die Angaben mit der Realität abzugleichen, sprich zu prüfen, ob im Einzelfall die neuen Vorgaben auch tatsächlich eingehalten wurden oder ob sie überhaupt eingehalten werden müssen. "Am Anfang werden wir da noch nicht so streng sein, wir müssen ja von einer gewissen Unkenntnis der Leute ausgehen", beruhigt Rickes besorgte Hausbesitzer. Ziel sei es, die Leute von der Maßnahme zu überzeugen und nicht zu bestrafen.

Allerdings macht Rickes auch kein Hehl aus der letzten Konsequenz des Wärmegesetzes: "Im äußersten Fall kann es Bußgelder geben." Auch auf einen Besuch vom Baukontrolleur müssten sich Hausbesitzer im Zweifelsfall gefasst machen. Wie das alles mit einer Stelle zu schultern ist, bleibt freilich abzuwarten.

Schornsteinfeger könnten aufklären


Abwarten heißt auch die Devise der Schornsteinfegerinnung. Bei der Abnahme werde zwar vermerkt, welche Anlage wie erneuert wurde, mehr aber nicht. "Wir sind nicht die Polizei des Baurechtsamtes. Wir gehen nicht in Vorleistung ohne verpflichtenden Auftrag", sagt der stellvertretende Innungsobermeister im Regierungsbezirk Stuttgart, Erwin Schmidt. Selbstverständlich sei aber, dass die Schornsteinfeger die Hausbesitzer auf die neue Rechtslage hinwiesen. Auch können Schornsteinfeger mit dem Nachweis betraut werden, allerdings, so Schmidt, könnten dafür je nach Zeitaufwand Gebühren anfallen.

Die Innung rechnet im Übrigen nicht mit einer Heizungserneuerungslawine. "Das regelt sich peu a peu", mutmaßt Schmidt. Das schiere Informationsbedürfnis der Hausbesitzer allerdings ist groß. Die Anfragelawine trifft nicht nur Haus & Grund, sondern auch Heizungsbauer und Energielieferanten. "Die Anfragen zu Bioheizöl sind deutlich gestiegen", sagt Albrecht Kirschner von der Firma Scharr Wärme. Man rechne auch mit einer zunehmenden Kaufnachfrage. Schließlich gilt die Umstellung auf Bioöl oder Biogas als die einfachste und unkomplizierteste Lösung, um die neuen Vorgaben zu erfüllen - mitunter sogar mit Teilen der alten Heizanlage.