Herbert Grönemeyer, es wurde ein Kochbuch für Sie geschrieben. Wie kam es dazu?
Mein Produzent Alex Silva und ich wollten gerne auf dem Land irgendwo in Italien an meinem Album arbeiten. Wir hatten ein wunderschönes Haus in Umbrien gefunden, uns da eingemietet, das Studio eingebaut und haben dann den Vermieter gefragt, ob er vielleicht jemanden kennen würde, der für uns kocht. So kamen wir mit Lorena Autuori zusammen, einer Köchin aus der Gegend. Sie hatte uns etwas skeptisch betrachtet. Diese zwei Männer? Allein im Haus? Aber auch wir waren etwas argwöhnisch. Wir sind beide pedantisch, so machen wir auch Musik. Dann passierte aber etwas: Es stellte sich heraus, dass Lorena nicht nur wunderbar kochte, sondern auch wahnsinnig nett, klug und zugleich bestimmend, stolz und etwas frech ist. Und sie kocht eben sehr klar, direkt und auch sehr traditionell.
Was war das Erste, was sie für Sie beide kochte?
Ich glaube, es war Pasta e fagioli.
Nudeln mit Bohnen.
Mittags haben wir gerne Pasta gegessen. Abends dann eher Fleisch oder Fisch mit Gemüse. Lorena wollte am liebsten mit Pasta e Patate starten, also mit Nudeln mit Kartoffeln. Das kannten wir auch gar nicht. Wir wollten aber nicht aufgehen wie die Hefeklöße. Also erstmal Pasta e fagioli.
Und was passierte dann?
Lorena ist eine fantastische Köchin. Und wir wollten gerne ihre Rezepte zuhause nachkochen. Ich fand die Idee einfach schön und habe aus meinem Umfeld ein Team für das Kochbuch zusammengestellt. Im Grunde entstand das einfach aus Freude an diesem Essen und aus sentimentalen Gründen. Als Erinnerung an Umbrien.
Kulinarisch eine tolle Gegend.
Das stimmt. Diese Gegend fühlte sich sehr erdig an. Und das Essen war das letztendlich auch.
Was ist das Besondere daran?
Ich habe schon viel Italienisch gegessen in meinem Leben. Doch Lorena kocht zielgerichtet, sehr detailliert und eigen. Es schmeckt nach ihr. Das ist keine High-End- Küche, kein „modern Food“, sondern auf den Punkt gekochte, traditionelle italienische Küche. Das hat einen eigenen Stil, einen ganz eigenen Geschmack. Sie hat ihren Kopf, weiß, was sie will. Sie hat mir verraten, dass sie ligurische Oliven statt Salz benutzt. Und für die Pasta e Patate kocht sie die Kartoffeln in Wasser mit Zwiebeln, Cocktailtomaten und Olivenöl. Auf solche Kniffe kommt es an.
Sie sind selbst ein leidenschaftlicher Hobbykoch. Kochen Sie nach Kochbuch?
Nein. Es gibt von meiner Mutter Rezepte, die ich aufgetrieben habe. Meine Mutter konnte unglaublich gut kochen und backen. Neulich habe ich ein Rezept ihres so genannten „Kümmelkuckel“ aufgetan, das ist ein ganzes Blech voll Hefekuchen, der aus Butter, Salz und Kümmel gemacht wird. Eine Art estnische Focaccia. Meine Mutter kümmerte sich um uns drei Söhne, sonst kochte sie mit großer Hingabe und Leidenschaft.
Sie musste aus Estland vor den Russen fliehen und kam nach Deutschland. Welcher Geschmack erinnert Sie an Momente am Küchentisch?
In den 60er Jahren sind meine Eltern mit dem Schiff nach Sierra Leone gefahren, anschließend kochte meine Mutter afrikanischen Curry. Wir mussten Mango und Zwiebeln schnippeln, es kamen Kokosraspeln, Erdnüsse, Apfelsinen, Tomaten, Äpfel und Eier mit hinein. Der Curry war dick und unfassbar scharf.
Da war Ihre Mutter der Zeit weit voraus.
Und wie. Sie kochte gerne marokkanisch und auch schon Pasta und zwar al dente. Damals gab es ja nur Birkel Nudeln. Aber meine Mutter machte schon Bolognese mit Möhren und Sellerie. Sie war selbst Jägerin und kochte auch viel Wild. Und es gab Borscht und Piroggen: Der Teig wurde mit dem Drehrad geschnitten, mit Sauerkraut oder Ei und Speck gefüllt, gefaltet und bepinselt. Unsere Küche war wie eine Bastelstube. Und mein Vater freute sich, denn er aß wahnsinnig gerne.
Sind Sie am Herd der Planer oder der spontane Typ?
Ich habe immer gekocht. Zum Teil auch für mich alleine, dann für meine Kinder. Ich liebe es: das Zusammensitzen, das Essen, das Kochen für Freunde. Ich habe meistens zu Weihnachten viele Freunde eingeladen.. An unseren Tisch passen gut 25 Leute. Für die habe ich mal marokkanische Tajine gemacht oder auch mal frischen Grünkohl. Da musste ich drei Tage lang jedes einzelne Blatt blanchieren. Kochen als Vorgang hat etwas von Musik machen: Man fügt Dinge zusammen und hofft, dass sie einen Geschmack ergeben.
Was müssen Sie stets im Kühlschrank haben?
Mehrere Senfarten, gute Mayonnaise, eine schweizerische und eine japanische. Ich habe hervorragenden Pfeffer, den man komischerweise auch im Kühlschrank aufbewahren muss. Dann noch japanische Saucen.
Wie wichtig ist gutes Essen für Musik und Kreativität?
Das ist genau der Punkt, den man unterschätzt. Der Druck ist hoch, man arbeitet im Studio zehn Stunden täglich. Gutes Essen ist wichtig für den Körper und für die Seele. Mir ist das auch auf der Tour wichtig. Da sind 100 Leute mit mir unterwegs, und die müssen jeden Tag etwas Vernünftiges essen.
Wenn wir hier über Kulinarik sprechen: Wann haben Sie zuletzt eine Currywurst gegessen?
Ich muss zugeben: Das Lied kommt nicht von mir. Und ich mag Currywurst auch nicht so sehr. Am liebsten ist mir eine grobe Bratwurst. Mein Vater kam aus dem Münsterland. Früher wurde da noch geschlachtet. Und mein Vater brachte immer diese berühmte, sehr grobe Bratwurst mit, die sich kringelte. Die schmeckt irre gut. Ich würde eine gute Bratwurst immer einer Currywurst vorziehen, aber ich weiß auch nicht mehr, wann ich die letzte gegessen habe.
Alles ändert sich: Sprache, Ernährung. Gibt es Dinge, auf die Sie aus moralischen Gründen verzichten?
Ich habe noch nie Schnecken oder Froschschenkel gegessen. Ich habe nie viel Fleisch gegessen. Mache ich auch nicht mehr. Obwohl man ja sagt, dass Männer über 50 ab und zu mal ein Steak essen sollten wegen der Eiweiße. Doch bei Fleisch tue ich mich schon schwer. Ich brauche das nicht. Ich bekomme eine gute Bolognese auch mit Gehacktem aus Pflanzenbasis hin.
Sie haben lange Zeit in London gelebt. Es heißt: in England ist nicht nur das Wetter, sondern auch das Essen schlecht.
Und beides stimmt nicht. Das Essen in London ist wahnsinnig gut. Die Möglichkeiten sind großartig. Selbst ein gut gemachter Sunday Roast ist etwas Wunderbares. Ich kenne noch die alten Zeiten, als ich als Austauschschüler in einer kleinen Stadt bei Canterbury war. Wenn die dann angefangen haben zu kochen, da hatte ich dann Gastritis. Das ist heute nicht mehr der Fall. Man kann in England sehr gut essen.
Haben Sie etwas mitgenommen von der Kulinarik der Insel?
Ich koche mir sehr gerne Porridge, von ungeschrotetem Hafer, einfach in Wasser mit Salz. Dazu dann Banane, Apfel, Mango in der Pfanne mit Sternanis, Kurkuma, Vanille und Zimt. Das habe ich mir eine Zeit lang gemacht. Ich habe schon als Kind gerne Haferflocken gegessen. Und ich bin großer Baked-Beans-Fan. Aber nicht unbedingt mit Würsten zum Frühstück.
Also kein Full English Breakfast für Sie?
Durchaus mit Pilzen, Rührei und Toast. Aber die Wurst muss es nicht sein. Und ich mag das Teetrinken natürlich immer noch. Auch Scones mit Clotted Cream und Erdbeermarmelade mag ich gerne. Für mich gehört immer der Tee zuerst in die Tasse, dann die Milch. Das ist wie die Sache mit der Vinaigrette, da kommt immer erst der Essig hinein, dann das Öl.
Verraten Sie uns Ihren Trick für eine perfekte Salatsauce?
Eben immer erst der Essig, dann das Öl. Vor allem, wenn man Senf mit drin hat, muss man unglaublich prügeln, damit es sämig wird. Ich nehme auch etwas Wasser und Mayonnaise hinein. Das ist der Trick. Das schmeckt richtig gut.
Was ist Ihre Lieblingsspeise, die Sie jeden Tag zu sich nehmen könnten?
Tempura Soba. Das könnte ich immer essen. Ich wolle die auch mal nachkochen und habe bei der Londoner Restaurantbesitzerin nach dem Rezept für die Brühe gefragt. Ich habe jede Zutat aufgeschrieben: Bonitoflocken, Mirin, Miso und so weiter. Die Zutaten würde ich alle in einem Fachgeschäft bekommen, aber sie machen das hier mit einem Beutel. Dieses Essen liebe ich, mache es aber nicht selbst.
Eine Frage zur Musik muss ganz am Schluss doch noch sein: Sie hören gerne Hip-Hop. Gibt es deutsche Rapperinnen oder Rapper, die Sie schätzen?
Rin ist gut. Casper mag ich auch gerne. Nina Chuba ist frisch und unbeschwert. Die deutsche Sprache eignet sich für Hip-Hop auch besonders gut. Dieses Kantige, dieses Rhythmische, was die deutsche Sprache hat, funktioniert sehr gut. Also besser als bei mir. Ich sollte bei den lang gezogenen Melodiebögen eher französisch oder englisch singen.
Herbert Grönemeyer
Der Mann
Herbert Grönemeyer, geboren am 12. April 1956 in Göttingen unter dem Namen Herbert Arthur Wigley Clamor Grönemeyer, ist Musiker, Sänger und Schauspieler. Seit mehr als vierzig Jahren ist er im Geschäft.
Das Album
„Das ist los“ ist am 24. März bei Grönland / Universal erschienen.
Das Kochbuch
In „Fatto a Mano“ (At Verlag) sind Rezepte von Lorena Autuori gesammelt. Sie hat Herbert Grönemeyer und seinen Produzenten in Italien bekocht.
Die Tour
Herbert Grönemeyer geht im Mai auf Tour, die am 16. Mai in Kiel startet. Am 30. Mai gastiert er in der Stuttgarter Schleyerhalle. Die meisten Konzerte sind schon ausverkauft.