Das Totalherbizid Glyphosat, auch unter dem Handelsnamen Roundup bekannt, gerät zunehmend in Verruf: Kritiker glauben, dass es Umwelt und Gesundheit mehr schädigt als bisher angenommen.

Stuttgart - Wenn es um das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat geht, besser bekannt unter dem Handelsnamen Roundup, denkt man automatisch an große Felder und Gentechnik auf dem Acker. Doch weil es letztere auf deutschen Feldern nicht gibt, könnte man sich hierzulande beruhigt zurücklehnen, wenn über Vor- und Nachteile des Mittels gestritten wird. Doch das Totalherbizid wird auch in Deutschland immer häufiger eingesetzt. Jeder Hobbygärtner kann es kaufen, um seinen Gartenweg penibel rein von störendem Unkraut zu halten. Und auch auf deutschen Äckern wird Glyphosat immer häufiger zur Unkrautvernichtung versprüht.

 

Doch nicht immer ist Unkraut das Ziel: Das Herbizid wird auch eingesetzt, um einzelne, noch grüne Getreidehalme vertrocknen zu lassen. Solche Nachzügler werden Zwiewuchs genannt. Die Getreidepflanze hat verspätet neue Seitentriebe gebildet, die Körner dieser Ähren wären zur Ernte noch grün. Doch mit einer Herbizidbehandlung kurz vor der Ernte kann das Korn trockener eingefahren werden – zusätzliche Arbeit und Energiekosten entfallen.

Die Wiederzulassung steht an

Dem Siegeszug von Glyphosat lag die Einschätzung zugrunde, dass es ökologisch und gesundheitlich unbedenklich sei. Diese Sicht wird in letzter Zeit mehr und mehr in Zweifel gezogen. Und weil das Mittel vor seiner routinemäßigen Wiederzulassung steht, wird derzeit wieder heftig darüber diskutiert, obwohl der erforderliche Sicherheitscheck von der Europäischen Union um drei Jahre bis 2015 verschoben wurde.

Glyphosat soll, so warnen Kritiker, nicht nur Ökosysteme, Pflanzen und Tiere schädigen, sondern auch die Gesundheit des Menschen gefährden. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Studien, die diese negativen Auswirkungen bestätigen. Befürworter der grünen Gentechnik wiederum warten mit gegenteiligen, ebenfalls wissenschaftlich untermauerten Studien auf: Demnach sei Glyphosat unbedenklich. Dieser Einschätzung haben sich die zuständigen deutschen Behörden angeschlossen. So sieht das Bundesamt für Verbraucherschutz kein Gesundheitsrisiko, die geltenden Grenzwerte würden eingehalten. Auch vom Bundesinstitut für Risikobewertung wird das Mittel als unbedenklich eingeschätzt.

Unersetzlich in der landwirtschaftlichen Gentechnik

Glyphosat ist insbesondere in der landwirtschaftlichen Gentechnik unersetzlich, vor allem auch aus patentrechtlichen Gründen. Es ist der Hauptwirkstoff des Unkrautvernichtungsmittels Roundup. Gentechnisch veränderte Nutzpflanzen sind immun gegen dieses Herbizid, während das unerwünschte Unkraut schnell abstirbt. So wollte man effektiver spritzen und manch einen Gifteinsatz sparen. Inzwischen hat sich jedoch gezeigt, dass diverse Unkräuter resistent geworden sind. Somit muss jetzt wieder mehr gespritzt werden, und zwar mit zusätzlichen chemischen Keulen.

Die Pflanzen nehmen Glyphosat über die Blätter auf. Während die Nutzpflanzen eine gentechnisch vermittelte Toleranz gegen das Herbizid haben, verteilt es sich in den nicht geschützten Pflanzen bis in die Wurzeln. Dabei hemmt es ein für die Pflanze lebenswichtiges Enzym, so dass sie abstirbt. Weil Menschen und Tiere dieses Enzym nicht haben, hielt man Glyphosat lange Zeit für unschädlich. Bisher ging man zudem davon aus, dass der Wirkstoff im Boden schnell gebunden und von Mikroorganismen zügig abgebaut wird. Mittlerweile gibt es aber fundierte Hinweise, dass sich Glyphosat in den Wurzeln des Unkrauts anreichert und so der mikrobiologische Abbau stark verzögert wird. Und weil die Keimlinge der Nutzpflanzen die Wurzelkanäle der abgestorbenen Unkräuter nutzen, könnten auch sie geschädigt werden.

Das Wettrüsten auf dem Acker

Vergangenheit
In der Landwirtschaft gilt es, den optimalen Ertrag zu erzielen. Mit gentechnischen Methoden wurden in den vergangenen Jahren Pflanzen optimiert: Die solchermaßen veränderten Pflanzen sind resistent gegen Unkrautvernichtungsmittel wie etwa Glyphosat. Veränderter Mais oder Soja überleben eine Giftdusche mit Glyphosat, während störendes Unkraut vernichtet wird. Eine andere Methode macht Nutzpflanzen immun gegen Schädlinge: Eingeschmuggelte Gene produzieren in der Pflanze ein Insektengift. Beispiel Genmais: dieser veränderte Mais bekämpft seinen Hauptschädling, den Maiszünsler, selbst. Durch ein eingeschleustes Bakteriengen kann die Pflanze einen Giftstoff namens Bt produzieren. Knabbert die Larve des Maiszünslers an einem solchen Mais, stirbt sie binnen weniger Tage.

Gegenwart
Die Diskussion über die grüne Gentechnik ist so alt wie die Forschung selbst. Mittlerweile ist es nahezu unmöglich, eine sachlich-wissenschaftliche Diskussion zu führen. Befürworter sehen in der grünen Gentechnik eine Chance, den Hunger in der Welt zu minimieren und weniger Insektizide und Pestizide einsetzen zu müssen. Kritiker warnen dagegen vor einer Manipulation der Natur, vor einer Art Freisetzungsversuch, dessen Folgen nicht eingeschätzt werden können und die irreversibel sind. Beispiel Genmais: nicht nur der Maiszünsler, auch andere Insekten und Schmetterlinge wie etwa das Tagpfauenauge und der Monarchfalter gehen zugrunde. Das Gift wirkt zudem auf Organismen im Boden oder Wasserbewohner – diese Ökosysteme werden gestört. Ähnliches gilt für den Einsatz von Glyphosat.

Zukunft
Im Auftrag der Grünen wurde vor kurzem eine Studie vorgestellt. die zu diesem Ergebnis kommt: Die Vorteile gentechnisch veränderter Pflanzen seien nicht von Dauer, so Studienleiter und Gentechnik-Gegner Christoph Then. Er hat sich vor allem in den USA umgesehen, weil dort solche Pflanzen großflächig seit vielen Jahren angebaut werden. Das Ergebnis: das Unkraut passt sich den veränderten Pflanzen an. 13 Unkrautarten gibt es mittlerweile, die resistent sind. Daher muss wieder häufiger gespritzt werden, zusätzlich sind andere Unkrautvernichtungsmittel erforderlich. Der Anbau von insektengiftproduzierenden Pflanzen führe, so Then, zu einem regelrechten Wettrüsten mit den Schadinsekten, die sich rasch an das Gift anpassen. Dadurch müssten die Felder erneut mit Pestiziden besprüht werden.