Vor allem junge, männliche Akademiker nutzen bislang Carsharing-Angebote. Ein Modellprojekt in Herrenberg soll nun erforschen, wie sich das ändern lässt.

Herrenberg - Herrenberg hat ein Problem: die Stadt hat zwar eine malerische, verkehrsberuhigte Altstadt. Doch über die Hauptverkehrsadern rollen täglich mehrere zehntausend Fahrzeuge. Wie man deren Zahl reduzieren kann, sollen bald Wissenschaftler erforschen: der Gemeinderat hat einer Kooperation mit dem Stuttgarter Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung (Zirius) zugestimmt. Die finanziellen Mittel müssen allerdings erst noch vom Berliner Bildungsministerium bewilligt werden. Die Entscheidung soll in den nächsten Monaten fallen.

 

Konkret wollen die Wissenschaftler erforschen, wie sich S-Bahn, Bus, Carsharing- oder Bikesharing-Angebote so miteinander kombinieren lassen, dass die Benutzer kein eigenes Auto mehr benötigen. „Wir wollen einerseits das Angebot untersuchen, also beispielsweise die Fahrpläne im öffentlichen Nahverkehr“, sagt Michael Ruddat, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zirius-Zentrum und einer der Projektkoordinatoren. „Andererseits wollen wir prüfen, welche Erwartungen beispielsweise Senioren oder junge Familien an solche Angebote haben.“

Frauen und Senioren sind bislang noch zögerlich

Vor drei Jahren hat das Forschungszentrum bereits eine großangelegte Studie in Stuttgart und Leipzig durchgeführt und dabei interessante Erkenntnisse gewonnen: Danach sind es bislang vor allem junge, männliche Akademiker in Ballungsräumen, die sich mit anderen ein Auto oder ein Fahrrad teilen. Andere Gruppe wie Senioren oder Frauen mit Kindern stehen diesen Angeboten aufgeschlossen, aber noch zögernd gegenüber.

„Senioren sind eine ganz wichtige Zielgruppe, allein schon wegen der demografischen Entwicklung“, bekräftigt die Herrenberger Finanzbürgermeisterin Gabrielle Getzeny. Mitte September wird Herrenberg deshalb am Bahnhof eine Verleihstation für zehn Pedelecs eröffnen. Bei diesen Fahrrädern werden die Bewegungen des Fahrers von einem E-Antrieb unterstützt. Die Station bietet auch zehn überdachte Stellplätze für eigene Räder.

Finanzbürgermeisterin wirbt selber auf dem Marktplatz

Herrenberg sei besonders gut geeignet, um die Vernetzung von Mobilitätsangeboten zu untersuchen, erklärt der Wissenschaftler Michael Ruddat: „Die Stadt ist ein Verkehrsknotenpunkt an der Grenze zwischen dem Ballungsraum Stuttgart und dem ländlichen Gäu.“

Die Finanzbürgermeisterin Getzeny hofft, dass durch die Untersuchungen des Zirius-Zentrums der öffentliche Nahverkehr in und um Herrenberg stärkere Beachtung findet. Neben der Teilnahme an der Studie unterstützt die Stadt das Umsteigen vom eigenen Auto in den Bus auch finanziell: Tickets für den Stadtverkehr kosten seit diesem Jahr 1,80 Euro statt bislang 2,30 Euro. Herrenberg zahlt dafür an der Verkehrsverbund VVS einen Zuschuss von 30 000 Euro im Jahr. Um das Angebot bekannter zu machen, stellte sich die Finanzbürgermeisterin vergangene Woche sogar selbst auf den Marktplatz.

Damit Menschen das eigene Auto aber tatsächlich stehen lassen oder sich gar keines anschaffen, sind aber vor allem Faktoren wie Verlässlichkeit und Nähe zum Wohnort wichtig, weiß der Zirius-Mitarbeiter Michael Ruddat. Wer also am Herrenberger Bahnhof ankommt, will davon ausgehen, dass dort ein Bus oder Carsharing-Auto für ihn bereitsteht – sonst wird er den eigenen Wagen benutzen.

Car2Go-Nutzer können kostenlos parken

Carsharing-Angebote haben Zulauf

Auch im Landkreis Böblingen, einer Hochburg der Autoindustrie, können sich immer mehr Menschen vorstellen, ihr Fahrzeug mit anderen zu teilen.

Der Verein Stadtmobil hat im Landkreis Böblingen etwa 15 Fahrzeuge an neun Standorten stationiert. In Herrenberg stehen drei Fahrzeuge, die von etwa 75 Nutzern geteilt werden. Die Autos müssen nach Benutzung wieder an den Standort zurückgebracht werden. Stadtmobil plant weitere Standorte entlang der S-Bahn-Linien.

Im Gegensatz zu Stadtmobil ist die Daimler-Tochter Car2Go kommerziell orientiert. In der Region Stuttgart unterhält die Firma 500 elektrisch betriebene Fahrzeuge. Nutzer ermitteln die Standorte per Smartphone und können die Fahrzeuge nach der Nutzung an einem anderen Ort stehen lassen. Öffentliche Parkplätze können kostenlos benutzt werden.