Im Herrenberger Klosterhof treffen sich Schach- und Dudelsackspieler, junge Eltern und Senioren. Die Besonderheit des Zentrums: die Nutzer verwalten es selber.

Herrenberg - Was haben Herrenberger Briefmarkensammler und Dudelsackspieler, junge Eltern und Familienforscher, politische Parteien und Schachspieler gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel. Doch alle diese Gruppen aus der Gäustadt eint, dass sie einen regelmäßigen Treffpunkt brauchen – und diesen im Herrenberger Klosterhof gefunden haben. Das imposante Fachwerkhaus in der Altstadt steht seit 2012 allen Generationen offen – 120 Gruppen treffen sich im Haus in der Bronngasse 13 inzwischen regelmäßig.

 

Die Besonderheit des Hauses: es wird weitgehend selbst organisiert. Die Herrenberger Verwaltung koordiniert zwar die Raumvergabe und stellt den Hausmeister, doch um viele Themen müssen sich die Nutzer selber kümmern. Das lief nicht immer glatt, berichtet Ina Mohr, die in der Gäustadt das bürgerschaftliche Engagement koordiniert: „Beispielsweise gab es lange Diskussionen darüber, wie lange das Licht im Treppenhaus brennen soll“, berichtet sie. Solche Themen sollten eigentlich bei monatlichen Treffen besprochen werden, zu denen jede der 120 Nutzergruppen einen Vertreter entsendet. „Doch nicht alle Gruppen haben jemanden geschickt, und bei jedem Treffen waren Neue dabei, so dass viele Themen immer wieder diskutiert werden mussten“, beschreibt Mohr die Schwierigkeiten der Selbstverwaltung.

275 000 Euro sollen in fünf Jahren nach Herrenberg fließen

Deshalb soll es in Zukunft ein sogenanntes Lenkungsteam geben, in dem Vertreter der Herrenberger Stadtverwaltung und der Nutzergruppen sitzen. Geleitet werden soll das Team von einem hauptamtlichen Mitarbeiter, der sein Büro auch im Klosterhof hätte. Finanziert werden soll die Stelle aus Mitteln des Bundesprogrammes „Demokratie leben“. Herrenberg hatte sich zusammen mit dem Stadtjugendring dafür beworben. „Vor wenigen Tagen ist die Zusage gekommen“, berichtet Ina Mohr. Innerhalb von fünf Jahren könnten 275 000 Euro nach Herrenberg fließen.

Die Koordinierungsstelle im Klosterhof könnte von Saban Ekiz besetzt werden, der in den vergangenen Jahren bereits viele Bürgerprojekte koordiniert hat und das Vertrauen der Nutzer genießt. Eine entsprechende Vorlage soll am 24. Februar im Herrenberger Gemeinderat beschlossen werden.

Eine Homepage hat der Klosterhof noch nicht

Doch der hauptamtliche Mitarbeiter soll nicht alle Aufgaben selber schultern. Arbeitsgruppen von Ehrenamtlichen sollen sich beispielsweise darum kümmern, dass ein Zimmer besonders kindergerecht eingerichtet wird. Eine andere Gruppe soll die Öffentlichkeitsarbeit verbessern. Sie hat einiges an Arbeit vor sich: trotz der zahlreichen Nutzer und Angebote hat der Klosterhof keine Homepage, auf der die Aktivitäten einsehbar sind. So gilt es schon als Erfolg, dass die Flyer mit den Angeboten nicht mehr im Eingangsbereich liegen, sondern in einem Ständer einsehbar sind. Seit 2014 gibt es allerdings einen Tag der offenen Tür, bei dem die Angebote des Klosterhofes präsentiert werden.

Trotz kleinerer Schwierigkeiten sieht Ina Mohr das selbstverwaltete Zentrum als großen Erfolg: „Viele sind bereit, sich einzubringen.“ Beispielsweise hätten die Kunstgruppen Bilder für die Verschönerung des Treppenhauses gestiftet. Die Küche im Erdgeschoss – bei gemeinsamer Nutzung ein klassischer Zankapfel – sei in der Regel sauber und aufgeräumt.

Stuttgarter Pflegeheim mit Familienzentrum als Vorbild

Als selbstverwaltetes Bürgerzentrum ist der Herrenberger Klosterhof im Landkreis Böblingen einmalig. Der Böblinger Treff am See verfolgt zwar als Mehrgenerationenhaus ähnliche Ziele, hat allerdings mehrere hauptamtliche Mitarbeiter und eine professionelle Bewirtung. Orientiert hatten sich die Herrenberger unter anderem am Mehrgenerationenhaus im Stuttgarter Stadtteil Heslach. Dort beherbergt ein Pflegeheim unter anderem ein Familienzentrum und ein Café.

Mönche und Eisenbahner im Klosterhof

Von den Mönchen zur königlichen Eisenbahn

Das Sockelgeschoss des Klosterhofes wurde vermutlich 1484 erbaut. Der Fachwerkbau war ursprünglich ein „Pfleghof“: hier wurden die Erträge des Klosters Bebenhausen aus den umliegenden Ländereien gesammelt.

Beim Stadtbrand von 1635 wurden die Obergeschosse zerstört. Als im 16. Jahrhundert die Reformation Württemberg erreichte, wurden die katholischen Klöster aufgelöst. Bebenhausen verlor seine Ländereien, der Klosterhof wurde zum Verwaltungssitz früherer geistlicher Besitzungen.

Während der Bauzeit der Gäubahn (1875 bis 1881) saß die Eisenbahnverwaltung im Gebäude. Danach zog eine Haushaltungsschule ein, von 1902 bis 1964 dann eine Frauenarbeitsschule – vom Volksmund spöttisch „Knopflochkaserne“ genannt.

Anfang der 90er Jahre wurde der Klosterhof aufwendig renoviert. Damals wurde die – historisch verbürgte – silberne Bemalung der Holzbalken wiederhergestellt. Das Haus diente zunächst als Begegnungsstätte für Senioren. Seit 2012 wurde das Angebot auf Familien, Menschen mit Migrationshintergrund und viele andere Gruppen ausgeweitet.