Kultur: Stefan Kister (kir)

Doch je mehr Einblick Müller in ihre mit Schere und Leim bestückte eigene Textwerkstatt gewährt, desto deutlicher wird, wie wenig diese Arbeiten mit den munteren Sinnverschleifungen des Dadaismus oder Surrealismus gemein haben. Jedes Wort sei ein Unikat, sagt Müller – eines freilich, das seine Einmaligkeit erst im Zusammenhang eines Satzes entfalte. Und wenn sie davon erzählt, wie die „schlauen Wörter“ ein Eigenleben gewinnen, sich in eine Ordnung bringen lassen oder gegen sie aufbegehren, dann spürt man das intime Band, das hier Leben und Sprache verknüpft – „klar wie ein Messer“, wie es in einer der Sentenzen heißt.

 

„Mir ist in meinem Leben genug zerbrochen, nun will ich zusammenfügen“, sagt die Literaturnobelpreisträgerin von 2009 über ihre Collage-Technik, „man erträgt das Geschehen im Kopf besser, wenn man etwas mit den Händen macht.“ Das Wesentliche über Welt im Postkartenformat mitteilbar zu machen, verdankt sich der Kunst der Verkürzung. Auch hier kommuniziert der Schreibraum mit dem Erfahrungsraum. In Osteuropa sei die Sprache direkter, stärker auf das absolut Notwenige konzentriert: „Je größer das Gefühl, desto kürzer der Satz.“ Was man sagt, mit dem zu identifizieren, was man tut, ist für Müller eine Folge des wachsameren, kontrollierteren Lebens unter Diktaturen: „In solchen Regimen blüht die Lyrik, davon können die Russen ein Lied singen.“

Welche entsetzlichen Prägekräfte von Gewalt, Hunger und Tod den Worten ihre unauslöschliche Nennkraft verleihen, demonstriert sie mit der Lesung des Kapitels „Vom Hungerengel“ aus ihrem Roman „Atemschaukel“, der auf den Lagererfahrungen des Dichters Oskar Pastior basiert. Weiter kann man sich von den lustvollen Mehrdeutigkeiten einer fröhlichen Wissenschaft kaum fortbewegen.

Vom Eigenleben der „schlauen Wörter“

Doch je mehr Einblick Müller in ihre mit Schere und Leim bestückte eigene Textwerkstatt gewährt, desto deutlicher wird, wie wenig diese Arbeiten mit den munteren Sinnverschleifungen des Dadaismus oder Surrealismus gemein haben. Jedes Wort sei ein Unikat, sagt Müller – eines freilich, das seine Einmaligkeit erst im Zusammenhang eines Satzes entfalte. Und wenn sie davon erzählt, wie die „schlauen Wörter“ ein Eigenleben gewinnen, sich in eine Ordnung bringen lassen oder gegen sie aufbegehren, dann spürt man das intime Band, das hier Leben und Sprache verknüpft – „klar wie ein Messer“, wie es in einer der Sentenzen heißt.

„Mir ist in meinem Leben genug zerbrochen, nun will ich zusammenfügen“, sagt die Literaturnobelpreisträgerin von 2009 über ihre Collage-Technik, „man erträgt das Geschehen im Kopf besser, wenn man etwas mit den Händen macht.“ Das Wesentliche über Welt im Postkartenformat mitteilbar zu machen, verdankt sich der Kunst der Verkürzung. Auch hier kommuniziert der Schreibraum mit dem Erfahrungsraum. In Osteuropa sei die Sprache direkter, stärker auf das absolut Notwenige konzentriert: „Je größer das Gefühl, desto kürzer der Satz.“ Was man sagt, mit dem zu identifizieren, was man tut, ist für Müller eine Folge des wachsameren, kontrollierteren Lebens unter Diktaturen: „In solchen Regimen blüht die Lyrik, davon können die Russen ein Lied singen.“

Welche entsetzlichen Prägekräfte von Gewalt, Hunger und Tod den Worten ihre unauslöschliche Nennkraft verleihen, demonstriert sie mit der Lesung des Kapitels „Vom Hungerengel“ aus ihrem Roman „Atemschaukel“, der auf den Lagererfahrungen des Dichters Oskar Pastior basiert. Weiter kann man sich von den lustvollen Mehrdeutigkeiten einer fröhlichen Wissenschaft kaum fortbewegen.