Vor zwei Monaten ist die neue zentrale High School für die Soldatenkinder aus der Region Stuttgart auf dem Gelände der Panzerkaserne eröffnet worden. Der Alltag unterscheidet sich stark von dem einer deutschen Schule. Wir durften einen Tag dabei sein.

Böblingen - Wer das erste Mal in die USA reist, kennt dieses Gefühl: Alles ist ein, zwei Nummern größer als man es aus Europa kennt. Genauso ergeht es deutschen Besuchern, wenn sie die neu eröffnete amerikanische High School auf dem Gelände der Böblinger Panzerkaserne betreten. Die Dimensionen und die Ausstattung sind ganz andere als in deutschen Schulen – breitere Gänge, eine riesige Mensa, einen Theatersaal, wie ihn sich wohl so manche Kleinstadtbühne erträumt, Sportanlagen, die jeden Vereinssportler erblassen lassen, ein Fernsehstudio, wo täglich Schulnachrichten produziert werden.

 

65 Millionen Euro hat die US-Army in das neue Schulzentrum bei der Panzerkaserne investiert: für eine von drei Grundschulen für Soldatenkinder in der Region Stuttgart und die zentrale High School für alle Neun- bis Zwölftklässler, deren Eltern an einem der fünf Standorte der US-Streitkräfte in Stuttgart und Umgebung stationiert sind. 600 Grundschüler und 750 Jugendliche lernen hier.

Wenn deutsche Schüler und Lehrer angesichts dieser luxuriösen Ausstattung neidisch werden, sollten sie bedenken: Ein Schultag in einer amerikanischen High School hat deutlich mehr als sechs Stunden. „Wenn ich um kurz vor 6 Uhr die Schule öffne, warten bereits die ersten Schüler“, erzählt der Rektor Danny Robinson. „Und wenn ich gegen 18 Uhr nach Hause gehe, sitzen noch junge Leute in der Bibliothek und lernen. Ich sage dann: Macht die Tür hinter euch zu, wenn ihr geht.“ Die Schule ist nicht nur Unterrichtsort, sondern Lebensraum für amerikanische Jugendliche. Nach den Pflichtstunden am Vormittag absolvieren sie nachmittags Sportkurse, Basketball- und Tennistraining. In der Mittagspause besuchen sie Debattierclubs und diskutieren die Rechte von Homosexuellen, programmieren Roboter oder besuchen Musikkurse. Und an den Wochenenden nehmen sie mit ihren Schulsportteams an Wettkämpfen in ganz Europa teil oder drehen für die Halloween-Feier einen Zombiefilm im Schulkeller.

Ein Schultag hat mindestens zehn Stunden

Zehn Stunden ist Ashley täglich in der Schule – mindestens. Die 17-Jährige ist ein sogenannter Senior, befindet sich in ihrem letzten High School-Jahr. Bewerbungen für verschiedene Colleges in den USA hat sie schon verschickt. Naturwissenschaften liegen ihr, aber auch einen Medienberuf kann sie sich vorstellen. Schließlich ist sie eine der drei Chefredakteure für das Jahrbuch.

Jahrbücher sind typisch für amerikanische Schulen. Mit vielen Fotos und Berichten über Sportwettbewerbe und Ausflüge dokumentieren sie jedes Schuljahr. Einen extra Kurs für die Gestaltung des Werks gibt es in Böblingen. Ashley kümmert sich um die Fotos. „Ich schreibe gerade eine Mail an alle Schüler und bitte sie, mir Bilder von ihren Sommerurlauben zu schicken.“ Unterstützung erhalten Ashley und ihre Redakteurskollegen von der Lehrerin Shana Blankenship, die den Jugendlichen weitgehend freie Hand lässt. „Das ist kein Unterricht, sondern richtiges Leben“, betont die Pädagogin. „Wir müssen die Jahrbücher anschließend kostendeckend verkaufen.“ 80 Dollar kostet ein Exemplar, deutlich mehr als in den USA. Das Problem seien die fehlenden Anzeigen örtlicher Firmen, erklärt die Lehrerin.

Ein paar Räume weiter findet das Schießtraining statt. Dafür gibt es eine eigene Firing Range im Militär-Klassenzimmer. Der Trainer Raul Pinon ist ein Soldat in Uniform. Das Interesse an seinem Kurs sei groß, berichtet er. „200 Schüler trainieren bei mir.“ Und viele müsste er abweisen. Kaila ist eine seiner Auszubildenden. Die 15-Jährige legt vorschriftsmäßig die Schutzweste um, bevor sie das Gewehr in Position bringt. „Kaila ist eine meiner besten Schützen“, sagt der Coach lobend. Was fasziniert das Mädchen am Schießen? „Ich lerne sehr viel Disziplin.“ Ihr Berufsziel hat die Soldatentochter klar vor Augen: Auch sie will später zur Army.

Pumpkin-Werfen als traditionellen Herbst-Event

Militärischen Unterricht gibt es nicht nur in Schulen für Soldatenkinder. „Auch viele ganz normale High Schools bieten das an“, sagt der Rektor Danny Robinson. Bedenken der deutschen Besucher, das könnte Schüler zu einem Amoklauf verführen, teilt er nicht. Im Gegenteil: er ist davon überzeugt, dass das Schießtraining die Jugendlichen gerade davon abhält. „Sie lernen zuerst die Sicherheitsvorschriften, bevor sie an die Waffe dürfen.“

Dann treibt der Rektor zur Eile an. Auf dem Schulhof steigt ein ganz besonderer, sehr amerikanischer Event: der jährliche Pumpkin-Wurf-Wettbewerb. Die Zehntklässler haben Kartons gepolstert: mit Plastikflaschen, Decken, Pappe. Aus 30 Meter Höhe werden nacheinander Kürbisse in die 30 Kisten geworfen. Welche Polsterung ist so gut, dass der Kürbis heil bleibt? Die ganze Schulgemeinde ist versammelt. „Three, two, one“, geben die Grundschüler schreiend das Signal. Der erste Kürbis fällt. Erntedank auf amerikanisch.

3000 Soldatenkinder

Stuttgart gilt als einer der weltweit wichtigsten Standorte der US-Streitkräfte. Zwei von zehn Oberkommandos sind hier stationiert: das Eucom und das Africom. Die Army verteilt sich auf fünf Stützpunkte: die Patch Barracks in Vaihingen, die Robinson Barracks im Stuttgarter Norden, die Kelley Barracks in Möhringen, den US-Army-Flughafen in Echterdingen und die Panzerkaserne in Böblingen, Sitz der Militärverwaltung mit Colonel GlennDickenson als Chef. In Böblingen befindet sich außerdem der Truppenübungsplatz für die Soldaten mit einem Schießstand, einem Munitionsdepot sowie einer Trainingsanlage mitten im Wald, wo Häuserkämpfe simuliert werden.

Zu den US-Streitkräften in der Region Stuttgart gehören 22 000 Menschen, davon 4000 Soldaten. Der Rest sind Angehörige (davon 3000 Kinder und Jugendliche) sowie Zivilangestellte. Knapp 80 Prozent der Soldaten leben außerhalb der Kasernen in Privatwohnungen in Stuttgart, Böblingen und Umgebung. Das US-Militär betreibt drei Grundschulen, eine Mittelschule und die High School in Böblingen. Es gibt Supermärkte, Bowling Centers und Hotels auf den US-Arealen.