Die Hitze bei den Australian Open der Tennisprofis in Melbourne ist mörderisch. Die Organisatoren des Grand-Slam-Turniers stehen wegen ihrer Extremwetteregeln stark in der Kritik – zeigen sich davon aber kaum beeindruckt.

Melbourne - Ob in der Kommandozentrale der Australian Open am Donnerstag irgendwer auf das aktuelle Kalenderblatt geschaut hat? Spottdrosseln und Zyniker haben ja Hochkonjunktur in diesen aufwühlenden Grand-Slam-Tagen im Backofen Melbourne, wo am Donnerstag auch der Stuttgarter Michael Berrer als vorletzter Deutscher ausgeschieden ist. Es verwunderte jedenfalls nicht, dass mancher den vorübergehenden Hitzestopp bei 42 Grad im Schatten in der Tennismetropole down under gar mit dem „Welttag des Nichtstuns“ am 16. Januar in Verbindung brachte. Wahr war das natürlich nicht, aber dass die Turnierbosse erst dem amtlichen Prozedere der „Extreme Heat Policy“ (Extremwetterregelung) folgten, um in der Höllenhitze am Turnierschauplatz Melbourne die Show einmal für etwa vier Stunden anzuhalten, sorgte – gelinde gesagt – für Unmut und Frustrationen in der Tourkarawane.

 

„48 Stunden zu spät“, kommentierte der ehemalige Australian-Open-Chef Paul McNamee lakonisch das Verdikt der jetzigen Entscheidercrew, „ich verstehe auch nicht, warum an den letzten Tagen nicht viele der Matches in die Abendstunden verlegt worden sind. Ohne Risiko für Spieler und Zuschauer.“ Dazu hätte es der offiziellen Regularien „gar nicht bedurft“, sagte der einstige Weltklasse-Doppelspieler, „das hätte man mit Vernunft und Gespür machen können.“

Hitze-Index offenbart Schwachstellen

Fast ein Dutzend Spieler hatte in den mörderisch heißen Temperaturen seine Matches aufgeben müssen und teils über schwere gesundheitliche Probleme geklagt. Selbst die „Extreme Heat Policy“, die gestern erstmals seit fünf Jahren wieder angewendet wurde, hat gefährliche Schlupflöcher, die Wetterlagen wie jener in diesen Januartagen 2014 nicht ganz gerecht werden. Das Match der Russin Maria Scharapowa in der Rod-Laver-Arena offenbarte eine dieser Schwachstellen: Obwohl der Hitze-Index den gefährlichen Level während der Partie im dritten Satz überschritt, musste das Duell in der sengenden Sonne unter geöffnetem Dach bis zum 10:8-Triumph Scharapowas gegen die Italienerin Karin Knapp fortgeführt werden – die Regel verlangt diese unveränderten Bedingungen, wenn ein Satz begonnen hat.

„Das ist absurd. Der dritte Satz kann ja zwei Stunden dauern“, beschwerte sich die bestverdienende Sportlerin der Welt hinterher, „zur Vorsicht hätte das Dach schon vorher geschlossen werden sollen, vor dem Start in den letzten Satz.“ Alles habe „irgendwann seine Grenzen“, sagte Scharapowa. Beim Abschied vom Centre-Court kritzelte die Diva nicht nur ihr Autogramm, sondern auch das sarkastische Statement „Liebe die Hitze, Baby“ auf die TV-Kamera.

Für zusätzlichen Aufruhr sorgte eine als unsensibel empfundene Aussage des Turnierarztes Tim Wood, der in einem Interview erklärt hatte, Hitzerisiken im Tennis seien „vergleichsweise gering“, verglichen mit Laufsportarten.   Das Hitzedrama in der Hauptstaat des australischen Bundesstaates Victoria wies allerdings auch wieder einmal auf den Trend hin, dass sich in der modernen durchkommerzialisierten Grand-Slam-Szenerie regelrechte Parallelwelten auftun – mit einem ganz eigenen Tennisturnier, das mitten im großen Turnier stattfindet.

Zweiklassengesellschaft im Tenniszirkus

Denn während die Superstars der Branche meist pünktlich und ordentlich ihrem Spielplan auf den Spitzencourts folgen können, abseits von Hitze, Regen und sonstigen Widrigkeiten, schlägt sich der Mittelstand und das Proletariat der Tenniskarawane draußen auf den kleinen Plätzen eher beschwerlich durch den Wettbewerb.

Diese Zweiklassengesellschaft könne man zwar beklagen, sagte der frühere australische Wimbledon-Champion Pat Cash, „aber Fakt ist: Die TV-Sender wollen und brauchen Livebilder. Und die Besten der Branche haben es sich eben auch verdient, auf den besten Plätzen zu spielen.“   Dass die Turniermacher aber an den ersten Tagen der massiven Hitzewelle den Spielbetrieb auf den kleineren Plätzen laufen ließen, konnte einer wie der deutsche Trainer und Spielermanager Dirk Hordorff nicht begreifen: „Zuschauer und Spieler sollten sich nicht in einer solchen Hitze aufhalten müssen“, sagte der weit gereiste Impresario, „das ist zu gefährlich für die Gesundheit.“

Auch Paul McNamee verstand die Tatenlosigkeit nicht: „Man muss nicht bei 41,5 Grad warten, bis es 41,7 Grad hat, um Matches abzusagen“, sagte der Ex-Australian-Open-Chef, „das kann man auch unbürokratisch entscheiden.“ Auch als gestern mit einem Mal eine heftige Gewitterfront über das National-Tennis-Center hinwegzog, bekleckerten sich die Turniermacher nicht gerade mit Ruhm. Während im Hintergrund schon mächtige Blitze über der Metropole am Yarra River zuckten, ließen die Organisatoren sogar noch Spiele nicht besonders prominenter Profis beginnen.