Der Berufseinstieg in einem mittelständischen Unternehmen bietet durchaus Vorteile.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit, internationale Erfahrungen und frühzeitige Verantwortung: Das alles bietet der Mittelstand frischgebackenen Hochschulabsolventen. Dabei betonen Experten und Absolventen gleichermaßen, wie spannend, lehrreich und karrierefördernd der Berufseinstieg in einem mittelständischen Unternehmen sein kann.

Der 31-jährige Diplom-Ingenieur Martin Kittlick hat zum Beispiel für seinen Berufseinstieg ganz bewusst keinen Großkonzern gewählt: „In einem mittelständischen Betrieb gefällt mir die persönliche Note.” Seine Diplomarbeit schrieb der Student der Maschinenbauinformatik bei einem Großunternehmen. Seiner Ansicht nach bieten diese einem Berufseinsteiger viele Aufstiegschancen. Oft wird das Arbeiten jedoch auch durch lange Kommunikationswege erschwert, und abteilungsübergreifendes Arbeiten ist selten möglich.

„Ich bin ein kreativer und ideenreicher Typ. Ich möchte in meinem Job die Möglichkeit haben, meinen Chef anzusprechen und ihm Vorschläge zu unterbreiten”, so Kittlick. Deshalb bewarb er sich 2008 beim Unternehmen Schiller Automation. Dort fand er genau das, was er suchte. Er erledigte bald anspruchsvolle Tätigkeiten und nahm zum Beispiel Automatisierungstechnik in China in Betrieb. Heute arbeitet Kittlick bei der Firma FAW Industrial Automation GmbH in Stuttgart-Zuffenhausen, einem kleinen mittelständischen Unternehmen. Von seiner Arbeit und dem Betriebsklima ist er begeistert: „Ich stehe voll und ganz hinter der Firma. In unserem Team ziehen wir alle an einem Strang, und jeder kann neue Ideen und Ansätze mit einbringen.”

Als „absolut attraktiv” beschreibt auch der 29-jährige Christian Holder seinen Arbeitgeber, die Firma Balluff GmbH. Sie stellt im Landkreis Esslingen Automatisierungstechnik her. „Bei uns gibt es flache Hierarchien und kurze Entscheidungswege. Deshalb kann ich als Angestellter auch wirklich etwas bewegen.” Außerdem schätzt es der Diplom-Wirtschaftsingenieur (BA) sehr, dass seine Firma noch überschaubar ist und er deshalb auch Einblick in andere Abteilungen gewinnen kann. „Als Mitarbeiter im strategischen Vertrieb bin ich mit vielen Abteilungen im Unternehmen in Kontakt und arbeite interdisziplinär mit anderen Bereichen zusammen”, sagt Holder.

Bei der Firma Balluff hat Holder bereits ein duales Studium absolviert. Er wurde dann direkt übernommen. „Mein Vorgesetzter ist für mich immer erreichbar. Das war in der Anfangsphase besonders wichtig”, berichtet Holder. Gerade diese familiär geprägte Unternehmenskultur sagt ihm zu. Dabei kommt er sogar in der Welt herum: „Bis jetzt bin ich für meine Firma sechsmal in die USA, dreimal nach China und unzählige Male ins europäische Ausland gereist.” Holder empfiehlt deshalb Hochschulabsolventen, die international arbeiten wollen, nicht nur die Branchenriesen als mögliche Arbeitgeber anzuvisieren: „Wer in globalen Teams arbeiten will und internationale Erfahrungen sammeln möchte, muss nicht unbedingt bei einem Großunternehmen anfangen. Auch global aufgestellte mittelständische Unternehmen bieten diese Chance.”

Gerade Hochschulabsolventen können von der Flexibilität im Mittelstand profitieren. „Bei uns gibt es keine eingefahrenen Strukturen. Deshalb können engagierte Hochschulabsolventen schnell Verantwortung übernehmen und ihre persönlichen Ziele erreichen”, betont Robert Jagatic, geschäftsführender Gesellschafter der FAW Industrial Automation GmbH. Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Berufseinstieg seien Flexibilität und Teamgeist, die Hochschulabsolventen unbedingt mitbringen sollten.

Auch Caroline Rank von der Firma Balluff betont: „Bei uns und anderen Mittelständlern sind frischgebackene Akademiker keineswegs nur Zuarbeiter. Sie arbeiten schnell eigenständig und verantwortlich.” Deshalb sollten Absolventen auch bereit sein, sich auf Neues einzulassen und über den Tellerrand des eigenen Aufgabengebietes hinauszublicken. „Ganz wichtig ist bei uns die soziale Kompetenz. Auch eine große Lernbereitschaft und Offenheit in der Kommunikation sind absolut notwendig. Ohne sie wird niemand auf Dauer erfolgreich sein”, so Rank.

Auch Bernd Engelhardt, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart, sieht für Hochschulabsolventen in einem mittelständischen Unternehmen gute Karrierechancen: „Auf den ersten Blick scheint der akademische Nachwuchs in einem Dax-Konzern größere Chancen zu haben. Auf den zweiten Blick ist aber gerade ein Berufseinstieg im Mittelstand sehr attraktiv, da die Leistung von einzelnen Mitarbeitern viel schneller wahrgenommen wird.”

In kleinen und mittleren Unternehmen können sich so Berufsanfänger früh einen Namen machen. „So kommen sie auch schneller an interessante Projekte heran”, betont Engelhardt. Außerdem profitierten Berufseinsteiger von der größeren Arbeitsplatzsicherheit. Kleinere und mittlere Unternehmen können den Weg zu sehr unterschiedlichen Karrieremöglichkeiten ebnen: „Viele Familienunternehmen suchen einen Nachfolger. Das ist für Hochschulabsolventen genauso eine Chance wie die Möglichkeit, später als Gesellschafter in eine Firma einzusteigen”, so Engelhardt. Wer künftig selbst ein Unternehmen gründen wolle, sei ohnehin im Mittelstand richtig. „Denn dort kann er die Erfahrungen sammeln, die ihm bei seiner späteren Selbstständigkeit zugutekommen werden.”

Auch die Arbeitsagentur Stuttgart sieht für Hochschulabsolventen außerordentlich gute Karriereaussichten: „Die Entwicklungsmöglichkeiten im Mittelstand sind gut. Berufliche Ziele lassen sich teilweise schneller erreichen als bei Großunternehmen”, erklärt Marco Sauerwein, Berater für Akademische Berufe bei der Arbeitsagentur Stuttgart. Wer sich am Anfang seiner Berufstätigkeit für einen mittelständischen Betrieb entscheidet, muss übrigens keine Sorgen haben, dass er sich damit den Wechsel zu einem Großkonzern verbaut. „Mit Flexibilität, der entsprechenden Qualifikation und Berufserfahrung haben Akademiker mit Mittelstandserfahrung auch bei Großunternehmen gute Chancen. Je später sich Akademiker allerdings für einen Wechsel entscheiden, desto schwieriger wird der Erfolg bei der beruflichen Veränderung”, so Sauerwein.