Hochschule Esslingen So sieht es auf der Campus-Baustelle aus

Das große Tor zum Hochschulcampus Foto: Roberto Bulgrin

Eines der größten Hochschul-Bauprojekte des Landes nimmt allmählich Gestalt an. In diesen Tagen geht es an die Bearbeitung der Außenfassade.

April 2024. Simone Graf und Corinna Bosch stehen auf der Campus-Terrasse und blicken in die Zukunft. Beide Frauen haben großen Anteil an dem, was hier in den kommenden Monaten passiert und in den Jahren zuvor schon passiert ist.

 

Von der Terrasse aus – einem offenem Erholungsraum in dem neuen Esslinger Hochschulkomplex – hat man einen guten Blick auf das Gelände, auf dem die neuen Gebäude der Hochschule Esslingen entstehen. Noch ist hier nichts als Baustelle – allerdings eine, die weit gediehen ist. Alle vier Häuser sind hochgezogen, Gerüste stehen an den Wänden, Rohre und Kabel sind verlegt, auch einige Fenster sind schon zu sehen.

Simone Graf ist die Leiterin dieses Bauprojektes, das in Baden-Württemberg zu den größten im Hochschulbereich gehört. Es wäre übertrieben, zu sagen, sie wüsste über jeden Stein Bescheid – aber zumindest kennt sie die Baustelle wie ihre Westentasche. Corinna Bosch leitet das Amt Ludwigsburg des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg. In dieser Behörde werden Landesbauten betreut, die in der Region Stuttgart entstehen. Für unsere Zeitung machen die beiden Frauen eine exklusive Führung über eine der faszinierendsten Baustellen im Kreis Esslingen.

Der Grundstein wurde in der Coronazeit gelegt

Die Tiefbauarbeiten begannen 2020. Der Grundstein wurde im Dezember 2021 gelegt. Ein großes Fest war das nicht: Auf einem historischen Foto sind gerade einmal fünf Menschen, alle mit Maske, erkennbar. Trotz der Coronapandemie und dem Ukraine-Krieg mit all seinen Folgen wie Materialknappheit oder Kostensteigerungen konnte ein Jahr später bereits Richtfest gefeiert werden. Seitdem wird vornehmlich am Innenausbau gewerkelt. Übergeben werden sollen die fertigen Gebäude inklusive Außenanlage Ende des kommenden Jahres, sodass im Sommersemester 2026 die ersten Studierenden, Professorinnen und Professoren es den beiden Frauen gleichtun und von der Terrasse auf das dann fertige Gelände schauen können.

Was Simone Graf und Corinna Bosch von der Terrasse aus sehen, sind vier Häuser mit jeweils fünf Geschossen, neben dem Erdgeschoss sind es noch vier Obergeschosse. Alle Häuser haben außerdem ein Untergeschoss. Durch den Kellergang sind alle vier Häuser miteinander verbunden. Von dem 18 700 Quadratmeter großen Grundstück wurden 13 700 Quadratmeter bebaut, ein weiteres 5000 Quadratmeter großes Areal ist als Freizeitfläche ausgewiesen, kann aber bei Bedarf in späteren Jahren ebenfalls bebaut werden.

Zwischen den beiden Häusern am Haupteingang gibt es eine oberirdische Verbindung, eine Art bebaute Brücke, durch die der Eingang zu einem großen Tor wird. Auf der Brücke ist auch die Terrasse, von der man alle Hochschulgebäude mit einem Blick erfassen kann. Es ist der höchstgelegene Außenbereich, denn das Dach ist nicht begehbar. Hier werden auf 7000 Quadratmetern PV-Anlagen installiert, die Gerüste dafür sind bereits aufgestellt. Man wird sie sehen, wenn man von den umliegenden Weinbergen hinab ins Tal auf die Hochschule blickt.

Die Artrien unterbrechen die Systematik

Im Innern wird die Größe der Häuser gegenwärtig, wenn man durch die langen Gänge der Gebäude streift. Damit es nicht zu eintönig wird, wird jedes Gebäude in der Mitte durch ein Atrium unterbrochen. Es bringt eine individuelle Note in den doch recht klar durchkonzipierten Bauplan, denn es sieht in jedem Haus anders aus. Allen gemeinsam ist das Oberlicht. Es sind Räume, in denen man sich treffen wird, wo man sich für einen Moment von der Konzentration des Hörsaals frei machen kann. Unterstrichen wird dieser Charakter durch die Kunst am Bau: In jedem Atrium wird es ein öffentlich zugängliches Kunstwerk geben.

Jedes Haus hat neben einem Foyer, dem Atrium und zahlreichen kleineren Räumen auch – jeweils im Erdgeschoss – große Flächen für besondere Zwecke. In einem Haus befinden sich vier Hörsäle, in einem anderen die Bibliothek, in einem dritten die Aula und im vierten die Mensa. Aus diesen größeren Gemeinschaftsräumen blickt man stets in den Innenhof. Die Büros hingegen öffnen den Blick nach draußen.

Die Aula ist der größte Einzelraum mit 728 Quadratmetern. Die Bibliothek erstreckt sich auf zwei Etagen, wobei jede der beiden Flächen mehr als 600 Quadratmeter misst. Rechnet man also die Bibliothek als einen Raum, aber eben auf zwei Etagen, dann ist sie mit 1275 Quadratmetern die größte Einheit. Zum Vergleich: Der kleinste Raum, ein Kopierraum, kommt auf 4,7 Quadratmeter.

Auffällig ist das „zurückhaltende Materialkonzept“, wie die Projektleiterin Simone Graf es ausdrückt. Die großflächigen Treppen sind aus Sichtbeton, auf den Absätzen liegt Estrich. Das Geländer ist aus verzinktem Stahl. Eine Besonderheit findet sich in der Bibliothek. Hier wird ein brauner Teppich eingezogen, was die Atmosphäre veredelt, vor allem aber den Schall dämpft.

Wieder zurück nach draußen: Natürlich wirken die vier Häuser – je näher man dran steht, umso stärker – wie wuchtige Betonklötze. Damit der Komplex nicht zu bombastisch daher kommt, gibt es eine Reihe von Unterbrechungen. Das mächtige Tor am Haupteingang ist eine solche, dazu eine zurückgesetzte Fassade, zwei weitere Zugänge im Komplex und Arkaden an den Außenrändern. Eine gewisse Abwechslung bietet auch die Anordnung der Fenster: nach innen liegen sie quer, nach außen stehen sie senkrecht. Eine sichtbare Veränderung wird es noch einmal geben, wenn die Außenwände mit den rot-bräunlichen Klinkern verkleidet werden. Mit diesen Arbeiten soll in diesen Tagen begonnen werden.

Das Tor, die Fenster, die Arkaden, die Klinker: Dies alles lockert die Gebäude von außen auf, so wie es die Atrien von innen tun. Es wirkt jedoch nie spielerisch und passt insofern zu dem zeitgenössischen Esslinger Stil. Er räumt der Funktionalität absoluten Vorrang ein, erlaubt aber kleine, wenn auch sparsame Abwechslungen. Insofern fügt sich der Gebäudekomplex auch in die Architektur des neuen Viertels, das zwar im starkem Kontrast zur alten Weststadt steht, aber in einer gewissen Weise mit dem früheren Industrieviertel korrespondiert. Denn Gebäude wie das Dick oder das Eisenlager, die heute pure Industrieromantik ausstrahlen, waren zu ihrer Zeit Musterbeispiele für eine pragmatische Bauweise.

Wer profitiert von der neuen Hochschule?

Studierende
An dem neuen Campus werden Studierende der Fakultäten Wirtschaft und Technik, Informatik und Informationstechnik sowie Soziale Arbeit, Bildung und Pflege lernen und forschen. Zurzeit sind diese Fakultäten noch im Esslinger Norden auf der Flandernhöhe beheimatet. Dieser Standort schließt nach dem Umzug in den Esslinger Westen. Geplant wurden der Campus für 2000 Studierende und 250 Mitarbeitende.

Weitere Nutzer
Die neuen Gebäude stehen nicht nur der Hochschule zur Verfügung, sondern auch dem Studierendenwerk und der Lehrerfortbildung. Zudem ist es in weiten Teilen ein öffentliches Gebäude, die sich jeder anschauen kann.

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