Autos versunken, Keller vollgelaufen: mehrere Kommunen im Rems-Murr-Kreis sind am Donnerstag überflutet worden. Schulen wurden evakuiert.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)
Stuttgart - Anhaltender Dauerregen hat am Donnerstag besonders im nördlichen und östlichen Teil des Rems-Murr-Kreises zu katastrophalen Verhältnissen geführt ». Straßen mussten gesperrt werden, einige Innenstädte und zahllose Keller liefen voll Wasser. Rund 1900 Rettungskräfte der Polizei, Feuerwehr und des Katastrophenschutzes waren pausenlos im Einsatz. Experten rechneten am Donnerstagabend damit, dass das Schlimmste überstanden sei.

Bewohner mit Bagger evakuiert


Auch in Murr und in Steinheim (Kreis Ludwigsburg), wo die Murr in die Bottwar fließt, herrschte Alarmstimmung. In Steinheim wurde vorsorglich ein Altenheim geräumt. Allerdings gab es bis zum Abend keine größeren Überschwemmungen.Ganz anders flussaufwärts: in der Nacht zum Donnerstag war dort der Pegel der Murr rapide angestiegen. Hatte er am Mittwoch in Oppenweiler noch unter einem Meter gelegen, stand er gestern zeitweise über der Dreieinhalb-Meter-Marke. Das Wasser flutete Wohn- und Geschäftshäuser. Im Gewerbegebiet versuchte die Feuerwehr auf mehreren Firmengeländen, Herr der Lage zu werden. Aus einem Haus wurden Bewohner per Bagger in Sicherheit gebracht. Im Teilort Zell standen Pferde in einer Scheune bis zum Hals im Wasser.

Im benachbarten Sulzbach lief der historische Ortskern voll. "Es hat uns heftig erwischt, wir kämpfen an allen Fronten", sagte der dortige Hauptamtsleiter Michael Heinrich. Hilfe leisteten die Feuerwehren der Berggemeinden Großerlach und Spiegelberg. Land unter herrschte auch im Rathausbereich von Unterweissach, die innerörtlichen Straßen und die Verbindung nach Auenwald-Unterbrüden mussten gesperrt werden. Man habe die Akten und die EDV-Anlage in Sicherheit bringen können, berichtete der Hauptamtsleiter von Weissach im Tal, Wolfram Hartmann. Ähnliche Verhältnisse habe man zuletzt 1978 erlebt. Wenige Kilometer weiter, in Murrhardt, wurde die Bevölkerung mit Lautsprecherdurchsagen gewarnt, weil der Murrdamm überflutet worden war.

Backnang am stärksten betroffen


Von den größeren Städten war Backnang am stärksten betroffen. Dort richtete man einen Krisenstab ein. Die Murr war an verschiedenen Stellen über die Ufer getreten, Teile der Innenstadt und der Peripherie wurden überflutet. Die Rettungskräfte holten Menschen mit Booten aus ihren Häusern. Autos füllten sich bis zum Rand mit Wasser. Trafostationen mussten abgeschaltet werden, rund 5000 Haushalte waren ohne Strom. Am Abend warnte die Polizei in der teilweise gespenstisch dunklen Stadt per Megafondurchsage vor eigenen Eingriffen am Stromnetz. In der Stadthalle wurden Notunterkünfte eingerichtet, der für heute geplante Neujahrsempfang abgesagt.

Selbst Gebiete, in denen eigentlich keine Überschwemmungsgefahr herrscht, wurden durch die Wassermassen beeinträchtigt. Von den Hängen zwischen Lippoldsweiler und Sechselberg etwa ergossen sich Sturzbäche auf die Straße. Erdrutsche wurden im gesamten Rems-Murr-Gebiet verzeichnet. Zwischen Backnang und Rudersberg wurde die Landesstraße unterspült und sackte ab.

Im Remstal war der Raum Schorndorf erheblich betroffen. Der Pegel der Rems machte zwischen gestern Vormittag und gestern Mittag einen Sprung um 3,50 Meter. Die Bäche schwollen an, das Flussbett war bis zum Rand mit einer braunen Brühe gefüllt. "Wir erleben hier ein Hochwasser mit einer sehr starken Dynamik", sagte der Schorndorfer Baubürgermeister Andreas Stanicki. Am Nachmittag wurden die vier Hochwasserückhalteräume entlang der Rems allmählich geflutet.


Landesstraße gesperrt

Das stärksten war jedoch der Nebenfluss Wieslauf angeschwollen. In Schorndorfer Teilorten wurden die Straßen nahe des Baches überflutet. Noch stärker traf das Hochwasser die nördlich gelegene Gemeinde Rudersberg. Im Ortsteil Schlechtbach konnte die Verdolung die Flut nicht mehr fassen. Der Ort wurde von den Fluten zweigeteilt, was die Feuerwehr veranlasste, die Landesstraße zu sperren. Auch die Schlechtbacher Grundschule, die sich mitten im Ort befindet, wurde evakuiert. Trotz allem nahmen viele Bewohner das Naturereignis erstaunlich gelassen. "Wir leben mit dem Hochwasser", sagte Stephan Hahn, ein Hausbesitzer, in dessen Keller das Wasser einen halben Meter hoch stand. Seine Waschmaschine konnte er mit Hilfe von Feuerwehrleuten bergen. Wie viele andere hatte Hahn eine Pumpe organisiert, die das Wasser aus dem Keller beförderte.

Vom Wieslauftal richtete sich der Blick sorgenvoll flussaufwärts. Im Rudersberger Feuerwehrhaus ließ sich Bürgermeister Martin Kaufmann den Pegel des Ebnisees melden. Am Mittag war der Ort zeitweise komplett von der Außenwelt abgeschnitten, die Straßen in Richtung Schorndorf und Welzheim waren blockiert. Heute werden sämtliche Schulen und Kindergärten der Gemeinde geschlossen bleiben.

Wieslauftalbahn in Betrieb


Der Betriebsleiter der Wieslauftalbahn, Helmut Weber, konnte indes stolz vermelden, dass kein Zug habe ausfallen müssen. Gestern Nacht wurden wegen der überfluteten Straßen zusätzliche Züge eingesetzt. Die Murrbahn hingegen stellte am Abend ihren Betrieb vorläufig ein.

Etwas Entspannung zeichnete sich am Spätnachmittag ab. Seitens der Karlsruher Hochwasservorhersagezentrale hieß es gegen 16.30 Uhr, die Scheitelpunkte an Rems und Murr seien erreicht. Mit rund 3,60 Meter an der Murr in Oppenweiler und 4,90 Meter an der Rems in Schorndorf sei von einem 50-Jahr-Hochwasser auszugehen. Die Polizei indes berichtete noch am Abend von leicht steigenden Pegeln.

Bürgertelefon Das Rems-Murr-Landratsamt hat eine zentrale Rufnummer eingerichtet: 07151/501111