Die Koalition diskutiert über die Steuerpolitik für kleine und mittlere Unternehmen. Die SPD will eine höhere Sofortabschreibung für Wirtschaftsgüter einführen. Der Finanzminister bremst. Doch auch in der Union wird der Ruf lauter.

Berlin - In der großen Koalition mehren sich die Stimmen, die einen Steuerbonus für Investitionen einführen wollen. Nachdem sich die SPD-Bundestagsfraktion dafür ausgesprochen hat, die Obergrenze für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter zu verdoppeln, herrscht Unruhe in der Union. Der Wirtschaftsflügel von CDU/CSU sammelt Unterstützer, um den Wert noch zu erhöhen – und erntet Zustimmung.

 

Die Steuervergünstigung soll vor allem kleinen und mittleren Unternehmen helfen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christian von Stetten, der Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstands ist, sagte: „Die Anpassung der Obergrenze ist nach mehr als 50 Jahren überfällig.“ Die SPD hat das längst erkannt. Der SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil sagte dieser Zeitung: „Eine höhere Sofortabschreibung dient dem Bürokratieabbau.“ Es sei ein Schritt, um die Digitalisierung kleiner und mittlerer Unternehmen zu fördern. Betriebe könnten bei verbesserten Abschreibungssätzen leichter Tablets, Notebooks und Laptops anschaffen. Nach dem geltenden Recht können Unternehmen und Selbstständige geringwertige Wirtschaftsgüter wie Büromaterial oder Mobiltelefone bis zur Höhe von 410 Euro sofort im Jahr der Anschaffung abschreiben. Liegt der Wert höher, müssen Güter über mehrere Jahre als Betriebsausgabe abgeschrieben werden. Die Wirtschaft fordert eine Anpassung.

Der Finanzminister achtet auf den Etat

Doch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bremst. Er befürchtet hohe Steuerausfälle. Nach Berechnungen des Finanzministeriums würde eine Verdoppelung der Obergrenze in den ersten fünf Jahren knapp fünf Milliarden Euro kosten. Die Steuerausfälle beträfen Bund, Länder und Gemeinden. Dem entgegnen die Befürworter, auf lange Sicht müsse der Fiskus nicht auf Geld verzichten. Anfangs nehme der Staat zwar weniger Geld ein. Dies werde dadurch ausgeglichen, dass später mehr Steuern in die Kasse flössen.

SPD-Politiker Heil forderte die Union auf, sich rasch zu einigen. Eine Anpassung des Werts bringe Vereinfachungen im Alltag, so der Sozialdemokrat. Je höher die Abschreibungen liegen, umso geringer fällt der zu versteuernde Gewinn aus. Für die Betriebe bedeutet das mehr Liquidität. Die SPD verlangt, den Wert für die Sofortabschreibung von 410 auf 800 Euro zu erhöhen. Der Wirtschaftsflügel der Union spricht sich für eine Grenze von 1000 Euro aus. Doch die Unionsführung und Finanzminister Schäuble lehnen den Vorstoß ab. Der CDU-Politiker Stetten sagte, für die Umsetzung der Idee gehe er Streit nicht aus dem Weg.

Heutige Obergrenze gilt seit 1965

Die Befürworter argumentieren, dass der Wert von 410 Euro seit 1965 nicht mehr angepasst worden ist. Die Wirtschaftsverbände werben für die praktischen Vorteile. Die Betriebe müssen bei der Sofortabschreibung die Werte nicht über mehrere Jahre in ihren Bilanzen fortschreiben. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hält eine Anhebung auch wegen des technischen Fortschritts für geboten. Eine höhere Sofortabschreibung würde bei Betrieben, Steuerberatern und Finanzverwaltung zu erheblichen Vereinfachungen führen, sagte der DIHK-Präsident Eric Schweitzer. „Bei den kleinen und mittleren Betrieben würde dies zusätzliche Investitionen auslösen“, so der DIHK-Chef.

Finanzminister Schäuble und die CDU/CSU-Fraktionsführung lehnen die Vorschläge mit dem Argument ab, die stabile Wirtschaftsentwicklung erfordere keine Investitionsförderung. Schäuble ist der Meinung, besseren Abschreibungsbedingungen solle sich die Politik für schwierige Zeiten aufheben. Nach der Finanzkrise 2008 beschloss die Politik, die Abschreibungsregeln großzügiger zu gestalten. Das war zeitlich befristet.

Die Koalition wird im Januar über das weitere Vorgehen beraten. Die SPD und der Wirtschaftsflügel der Union verlangen, die Steuerentlastung für Betriebe in das geplante Gesetz zum Abbau von Bürokratie aufzunehmen. Dafür machen sich auch die Grünen stark: Die Grünen-Wirtschaftspolitikerin Kerstin Andreae sagte: „Wir erleben die nächste Selbstblockade der großen Koalition.“ Ohne einfachere Abschreibungsregeln bleibe das Gesetz zur Bürokratieentlastung im Kleinklein stecken. Die Grünen fordern bei der Sofortabschreibung ebenfalls eine Obergrenze von 1000 Euro. Eine Anpassung sei notwendig, weil die Preise für die Geschäftsausstattung erheblich gestiegen seien, meinte Andreae.