Die TSG Hoffenheim ist von vielen Experten schon totgesagt und als sicherer Absteiger bezeichnet worden. Aber jetzt kann sich das Team in der Relegation gegen Kaiserslautern retten.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Hoffenheim - Gerne hätte Andreas Beck seine sportliche Vita um die Länderspiele Nummer zehn und elf ergänzt. Doch anstatt sich am Mittwochmorgen mit der deutschen Nationalelf in den Flieger nach Miami zu setzen, wo für die Rumpfauswahl von Joachim Löw auf der US-Ostküstenreise die Testpartien gegen Ecuador (29. Mai in Boca Raton) und die USA (2. Juni in Washington) anstehen, hieß es für den blonden Rechtsverteidiger: hier geblieben.

 

„Ich habe mich über die Nominierung sehr gefreut und hätte die Reise mit dem DFB gerne angetreten“, sagt Beck, der die Abwesenheit der Stars von Bayern München, Borussia Dortmund und von Real Madrid hätte nutzen können, um sich für die Nationalelf zu empfehlen. Doch es steht für den Kapitän der TSG Hoffenheim, der am Samstag beim mit 2:1 siegreichen Fußballmärchen von Dortmund sein 150. Spiel für die Kraichgauer absolvierte, am Donnerstag (20.30 Uhr/ARD) ein Ereignis an, das „noch mal einen höheren Stellenwert genießt“: Vor mit 30 150 Fans ausverkauftem Haus empfangen die Hoffenheimer in ihrer Rhein-Neckar-Arena zum ersten von zwei Relegationsspielen den Zweitligadritten 1. FC Kaiserslautern.

„Es ist wie ein kleines Wunder, unfassbar, dass wir uns auf der Zielgeraden noch die Relegation gesichert haben“, sagt Beck, der mit den Kollegen am nächsten Montag dann zum Rückspiel auf dem Betzenberg antreten muss. „Jetzt wollen wir in den beiden Spielen gegen Kaiserslautern das wahr machen, was uns noch vor einer Woche kaum einer mehr zugetraut hätte.“

Team bekommt Rückenwind durch die Fans

Tatsächlich hatten der TSG nur noch wenige als Traumtänzer verspottete, eingefleischte Fans den Sprung auf den drittletzten Tabellenplatz der Bundesliga zugetraut. Zweimal schienen die Hoffenheimer schon komplett weg vom Erstligafenster, als „niemand mehr einen Pfifferling auf uns gesetzt hatte“, wie der Trainer Markus Gisdol sagt. Das war am drittletzten Spieltag in Bremen, als die TSG nach 80 Spielminuten mit 0:2 zurück lag, ehe Sven Schipplock mit einem Doppelschlag für das 2:2 sorgte; auch zur Halbzeit in Dortmund schienen die Weiß-Blauen bereits ausgezählt, ehe Sejad Salihovic nervenstark zwei berechtigte Elfmeter im BVB-Tor unter brachte.

Derart gestählt im Abstiegskampf tun sich die Hoffenheimer schwer, vor den beiden Spielen gegen die mit Mo Idrissou, Albert Bunjaku und Alexander Baumjohann offensivstarken Lauterer die Favoritenrolle abzuschütteln. „Wenn ich Trainer in Kaiserslautern wäre, hätte ich auch lieber gegen Düsseldorf gespielt als gegen uns“, sagt der 43-jährige Gisdol, der seine Elf im Vergleich mit dem Team des FCK-Kollegen Franco Foda nicht überlegen sieht.

Dennoch spürt auch der Chefcoach den frischen Rückenwind, auf den sein Team vonseiten der Fans – nicht nur wegen der 100 Liter Freibier auf dem Trainingsgelände am Tag nach dem Sieg beim BVB – durch den Aufschwung der vergangenen Wochen zählen darf. „Noch vor zwei Monaten hätten die Umfragewerte bestimmt nicht gut ausgesehen“, sagt Markus Gisdol, „aber inzwischen haben wir einige Dinge auf den Weg gebracht – und uns ein paar neue Sympathiepunkte erarbeitet.“

In Hoffenheim will man am neuen Kurs festhalten

Unabhängig vom Ausgang der Relegationsspiele gegen Kaiserslautern will man in Hoffenheim am neuen Kurs festhalten – und verstärkt auf die Talente aus der eigenen Fußballakademie setzen. Nachdem Gisdol beim 1:4 gegen den HSV am vorletzten Spieltag die Youngster Niklas Süle (17) und Stefan Thesker (22) ins kalte Wasser warf („Die Jungs spielen, weil sie gut sind“), feierte der gebürtige Mannheimer Robin Szarka (21) gegen den BVB sein Bundesligadebüt – und wurde mit seinem ersten Profivertrag bis 2015 ausgestattet.

Mit Eisbädern, Massagen, lockeren Einheiten mit Ball, viel Schlaf und einem Interviewverbot für sämtliche Spieler haben sich die Hoffenheimer auf die Partie am Donnerstagabend vorbereitet. „Wir haben so wenig wie möglich im Ablauf geändert“, sagt Markus Gisdol, „und wollen das kleine Wunder von Dortmund nun vollenden.“

Dietmar Hopp war ein glühender Fan des 1. FC Kaiserslautern

Rund 110 Kilometer liegen beide Stadien auseinander – schon zu Zweitligazeiten der TSG bargen die Duelle der Teams aus Nordbaden und der Pfalz jede Menge Zündstoff. Die Bilanz spricht für Hoffenheim, das keines der bisherigen sechs Pflichtspiele verlor. In neun von 14 Relegationsduellen, die zwischen 1982 und 1991 sowie seit der Saison 2008/09 ausgespielt werden, setzte sich der Erstligist durch.

„Der Sieg in Dortmund hat so viele positive Gefühle frei gemacht. Die packst du nicht weg“, setzt Gisdol auch auf das anhaltende Stimmungshoch innerhalb der TSG, bei der auch der Mäzen längst mit seiner alten Liebe gebrochen hat: Immerhin war der Multimilliardär Dietmar Hopp lange Jahre – nicht zuletzt wegen der Brüder Ottmar und Fritz Walter – ein glühender Fan des 1. FC Kaiserslautern.