So viele Besucher wie nie zuvor werfen laut Veranstalter des Holi-Festivals in Böblingen bunte Farbbeutel in den Himmel – und verwandeln den Festplatz in eine kunterbunte Staubwolke. Für einige Besucher endete die Party allerdings im Zelt der Sanitäter.

Böblingen - Es ist schon spannend – wie wird es sich anfühlen, mitten in einer gigantischen Wolke aus Farbpulver zu stehen? Der Anheizer auf der Bühne zählt an – und mit ihm alle 15 000 Besucher auf dem Böblinger Flugfeld. Gleichzeitig halten alle ihre aufgeschlitzten Farbbeutel in die Luft. „ . . . Und Null!“ schallt es von der Bühne. Für einen winzigen Moment sieht man Staubfahnen in Pink, Blau, Gelb und Grün in den knallblauen Himmel steigen. Dann verdunkelt sich alles eine halbe Minute lang, als stünde man in dichtem Nebel, und die Farben, die sich mischen, verwandeln sich in ein fahles Weiß. Nicht wenige erschrecken ob des unangenehmen Gefühls, in der dichten Wolke keine Luft mehr zu bekommen.

 

Wer keinen Mundschutz mitgebracht hat, atmet puren Staub ein. Nur wirklich eingefleischte Elektropop-Freaks halten das für den perfekten Hintergrund einer Liebeserklärung. Davon gibt es allerdings einige. Dann wird es plötzlich wieder hell. Und das Gefühl, keine Luft zum Atmen zu bekommen, legt sich. Was bleibt, ist der Staub in den Augen. Es gibt zwar Wasserstationen, an denen man sich waschen kann – aber nicht sehr viele. Der erste Farbwurf hinterlässt deshalb manche etwas ernüchtert.

Die 15 000 Besucher in Böblingen toppen bisherige Festivals

Alena und Vio halten dezent Abstand zur Menge. Alena ist extra aus Göppingen angereist. „Einmal im Leben muss man das mitgemacht haben“, ruft sie begeistert und tanzt unentwegt weiter. „Ein voll cooles Erlebnis!“ Sie mag das Spektakel, sie mag die Musik – und das Wichtigste: Sie hat schon eine neue Bekanntschaft gemacht – nämlich Tim aus „äh, woher kommst du noch mal?“ Deshalb ist klar, dass sie bis zum Schluss bleiben wird.

Nebenan feiert eine ausgelassene Clique aus Gerlingen und Stuttgart: Stjepan Basic und Adrian Schmid verdanken es ihrer Freundin Julia Reihle, dass sie die begehrten Tickets ergattert haben. Julia hatte ein Bild im Internet gesehen und konnte es kaum abwarten, selbst in die Farben einzutauchen. Der Stuttgarter Viveh Bahret ist noch aus einem anderen Grund gespannt – er stammt aus Indien, ist aber als Kleinkind adoptiert worden. Nun schaut er sich das Spektakel, von dem er bislang nur gehört hat, zum ersten Mal aus der Nähe an: „Ich finde es eine tolle Idee, dass es hierher geholt wird.“, sagt er.

Die Idee dazu hatte der Berliner Jasper Hellmann auf einer Indienreise. „So etwas brauchen wir bei uns unbedingt auch“, sagte er seinen Freunden Max Riedel und Maxim Derenko. Im vergangenen Jahr vermarkteten die drei mit der Holi Concept GmbH den Farbrausch in vier Städten, dieses Jahr touren sie bereits durch zwölf. Bislang war das Festival dank der Werbung bei Facebook überall schnell ausverkauft. In Berlin kamen 12 000 Besucher, für Böblingen sind so viele Tickets wie nie zuvor verkauft worden – rund 15 000. Und womöglich hätten es noch mehr sein können, denn das Spektakel war schnell ausverkauft.

Veranstalter verdienen an den Tickets und den Beuteln

Die Veranstalter verdienen dabei nicht nur an den Tickets, sondern auch an den Beuteln mit dem Farbpulver, die zwei Euro kosten. Zum größten Teil besteht das Pulver aus Maismehl und ist laut Veranstalter ökologisch unbedenklich und kosmetisch getestet. Lästig ist es trotzdem, wenn man es in den Augen hat. Kulturelle Piraterie kann den Veranstaltern wohl niemand vorwerfen, auch wenn sie sogar den Namen des Festes einfach übernommen haben: „Wir haben die indische Botschaft an Bord geholt“, sagt Max Riedel.

Von der ursprünglichen spirituellen Bedeutung ist auf dem Festplatz allerdings nichts zu spüren. In Indien hebt das Festival für den Augenblick des Farbrauschs alle Kastengrenzen auf und macht die Menschen gleich. Hier auf dem Festplatz herrscht schlicht Partystimmung. Es wird viel getrunken. Und bei nicht wenigen beginnt schon am Nachmittag der Kater. Die Sanitäter haben bald ein volles Zelt.

Dirk Amey reist auf der Tournee mit, und verkauft bei jedem Spektakel direkt gegenüber der Bühne Chicken-Curry und Samosas. „Sensationell“, sagt er nach dem ersten Wurf. „Aber die Berliner waren ein bisschen lockerer.“ Sollte sich der Wind drehen und die Farbwolke auf das Curry zusteuern, sagt er, könne er einfach die Luke schließen. Nicht der schlechteste Platz.