Über diese Frotzeleien können sie auch selbst lachen. Zur WM fahren die Holländer nicht, dafür über den Neckar. Der Niederländische Verein in Stuttgart feiert in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag mit einer Bootstour auf dem Neckar.

Stuttgart - Sie haben Spuren hinterlassen in Württemberg, die Holländer. Und der Stadt Stuttgart zu einem Weltkulturerbe verholfen. Die Architekten Jacobus Johannes Pieter Oud und Mart Stam haben Häuser der Weißenhofsiedlung gebaut. Viel früher dran waren die Männer vom Orden der Brüder vom gemeinsamen Leben. Graf Eberhard im Barte hatte sie im 15. Jahrhundert aus Holland nach Württemberg geholt, die sogenannten Kappenherren wirkten in Urach, Dettingen und Herrenberg. Heute kommen die Holländer nicht mehr zum Missionieren, sondern zum Arbeiten.

 

So wie Frans Laverman und Joris de Jong. Sie sind zwei der knapp tausend Holländer, die in der Region leben. Knapp 200 davon treffen sich regelmäßig beim Niederländischen Verein in Stuttgart, der heuer seinen 50. Geburtstag feiert. Sie suchen Ostereier, lassen Sinterklaas und seinen Gehilfen, den Schwarzen Piet, vorbeikommen, machen Ausflüge, treffen sich am Stammtisch und schauen WM-Spiele. Dieses Jahr bekanntermaßen nicht, aber vielleicht in vier Jahren wieder. De Jong und Laverman kennen all die kleinen Sticheleien. Und sie amüsieren sich darüber. Als de Jong beim Daimler anfing, fragten seine Mitarbeiter natürlich, wo denn sein Wohnwagen sei. Sein Einwand, er habe keinen, ließen sie nicht gelten. Ein Holländer ohne Wohnwagen könne unmöglich ein Holländer sein. Also kaufte de Jong auf dem Flohmarkt einen Wohnwagen en miniature und stellte ihn auf seinen Schreibtisch. Das Klischee war erfüllt.

Bereits 1948 trafen sich die hiesigen Holländer im Wulle Keller

Heutzutage sind das Frotzeleien, doch so lange ist das gar nicht her, dass das Verhältnis ein feindseliges war. Mehr als 200 000 Holländer waren im Zweiten Weltkrieg gestorben – in den Konzentrationslagern ermordet, von deutschen Soldaten umgebracht oder verhungert.

1948 im Wulle-Keller trafen sich bereits die ersten Holländer in Stuttgart und gründeten den Vorläufer des Niederländischen Vereins, der aber offiziell erst 20 Jahre später aus der Taufe gehoben wurde. Doch die Wunden heilten langsam. Als Frans Laverman Anfang der 70er Jahre seine deutsche Frau mit nach Hause nach Zandvoort nahm und der Familie vorstellte, brach sein Onkel mit ihm. Der war im Krieg von den Nazis lebendig begraben und nach einer Nacht von seinen Freunden ausgebuddelt worden. Er konnte nicht verstehen, dass sein Neffe eine Deutsche heiratete. Laverman kann sich auch noch gut daran erinnern, dass man den Deutschen die weißen Nummernschilder abmontiert hat. Und mit der Bremse der Straßenbahn den Lack deutscher Karossen zerkratzt hat.

Mittlerweile ist man Nachbar in Europa, die Grenzen sind gefallen. Auch in Holland fährt man gerne Daimler, unzerkratzt, und Laverman und de Jong bringen der Verwandtschaft Wein mit, bevorzugt Trollinger mit Lemberger. Das Schwäbische prägt. Damit auch die alte Heimat präsent bleibt, gehen die Kinder in die Niederländische Schule in Möhringen, drei Stunden in der Woche haben sie Unterricht in Sprache und Kultur. Eines lässt sich im engen Kessel allerdings nicht kurieren, das Heimweh nach dem Meer und der Weite. Kein Wunder, dass es sie zum Jubiläum aufs Wasser zieht. Frans Laverman und Joris de Jong organisieren eine Schifffahrt auf dem Neckar. Eine orangefarbene Sause im Sommer mit viel Genever. Sie können sich ganz aufs Feiern konzentrieren, Fußballschauen fällt ja aus: Holland fährt nicht zur WM – aber über den Neckar.

Das Heimweh nach dem Meer bleibt

Mehr Infos über den Niederländischen Verein auf der Webseite www.nvs-ev.de.