Holzmadener Möbelhersteller Haible Der Chef liegt nicht nur für Staatsmänner probe

Werkbank statt Fließband: der Mitarbeiter Armin Pfäffle (links) und der Firmenchef Thomas Haible Foto: /Marion Brucker

Wie schafft es eine kleine Manufaktur, sich gegen die großen Möbelhausketten zu behaupten? Die Firma Haible in Holzmaden im Kreis Esslingen setzt auf Individualität – selbst internationale Spitzenpolitiker betten sich auf ihren Matratzen.

Der Rahmen war vornehm, die Teilnehmerliste ein Who’s who der internationalen Diplomatie. Und die Voraussetzung dafür, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wohl ruhten, kamen von der Schwäbischen Alb: Für das Treffen der G7-Außenminister im Schloss Weißenhaus in Schleswig-Holstein vor gut einem Jahr lieferte die Holzmadener Traditionsfirma Haible die Matratzen – der Überzeugung verpflichtet, dass gut gebettete Politiker klügere Entscheidungen treffen als unausgeschlafene.

 

Die Konkurrenz in diesem Segment ist rar

Auf Aufträge wie diesen ist der Firmenchef Thomas Haible stolz. Betriebe wie seine Polster- und Bettenmanufaktur Haible sind rar geworden. Man braucht schon die große Deutschlandkarte, um ein paar Stecknadeln zu setzen, wo die Konkurrenz in Haibles Segment sitzt: in Westfalen, in Coburg und im Schwarzwald. Im Kreis Esslingen, in der Region Stuttgart eher nicht. Dominiert wird der Möbelmarkt von großen Ketten, die auf preisgünstige Massenware und Einerlei setzen und im industriellen Maßstab produzieren. Haible hingegen setzt auf Handarbeit und fertigt auch kleinere Stückzahlen.

Die Kundenanforderungen sind vielfältig und mitunter speziell. Haible zeigt auf ein Sofateil: „Es ist abwaschbar, wasserdicht und schwer entflammbar“, erklärt der 46-Jährige. Ein Pflegeheim hat es bestellt, der Brandschutz spielt dort wegen der oftmals eingeschränkten Mobilität der Bewohner eine noch größere Rolle als in anderen öffentlichen Einrichtungen oder im privaten Bereich. Das Sofa ist eine Spezialanfertigung, wie auch die Sitzmöbel für eine Kinderklinik in Freiburg, deren Polster ebenfalls nicht entflammbar sein dürfen.

Die Kundenwünsche fließen in die Produktentwicklung ein

Individualität sieht Haible als maßgebliches Kriterium im Wettbewerb seiner Firma mit Ikea und Co. Jährlich entwickelt der Raumausstattermeister mit seinem Team drei bis vier Prototypen für Polstermöbel und neue Matratzen. Die Anforderungen der Kundschaft fließen ein: So habe das Hotel Feldberger Hof im Südschwarzwald seine Mitarbeiter beim Bettenmachen entlasten wollen. „Die Matratzen sollten leichter werden“, sagt Haible. Entwickelt wurde schließlich eine spezielle Matrazenauflage – ein sogenannter Topper –, die das Zimmerpersonal leichter beziehen kann. Dem Zufall überlässt Haible dabei nichts: Der Chef erprobt alle Matratzenmodelle selbst. Manchmal schläft er alle vier Wochen auf einer anderen Matratze, manchmal jedes halbe Jahr.

25 Mitarbeitende sind bei Haible beschäftigt. Im Erdgeschoss des Unternehmenssitzes in Holzmaden werden Polstermöbel produziert, im ersten Stock die Matratzen, auf denen auch die Staatsgäste ruhen durften. Zum Team gehören unter anderem Raumausstatter, Polsterer und Näherinnen. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben in der Firma einst ihr Handwerk gelernt. So wie Franz Schierz. Der 56-Jährige hat vor Jahrzehnten bei Haible eine Ausbildung zum Raumausstatter absolviert, ging dann in den Verkauf und kam schließlich zurück in die Produktion. „Ich wollte wieder etwas Handwerkliches machen“, sagt er. Das ist nun schon 30 Jahre her.

Ausbildung wird bei Haible großgeschrieben

Mitarbeiter zu finden sei nicht einfach, sagt Haible. Aber „bislang haben wir immer wieder Glück gehabt“. Glück, dem die Firma als Lehrbetrieb kräftig nachhilft. Haible legt Wert darauf, stets ausgebildet zu haben. Derzeit gibt es zwei Auszubildende, einer ist ein aus Syrien stammender Mitarbeiter, der als Hilfskraft in der Firma angefangen hat und nun eine Lehre als Raumausstatter macht.

Der Anspruch, nicht auf Masse, sondern auf Klasse zu setzen, spiegelt sich auch im Vertriebskonzept. Die Firma habe ein mittleres bis gehobenes Segment und sei flexibel, auch Sondermaße herzustellen. Seit 25 Jahren bietet das Unternehmen einen Fabrikverkauf für Privatkunden an. Nach seiner Ausbildung zum Raumausstatter bei Rolf Benz in Nagold hatte Thomas Haible die Idee an seinen Vater herangetragen. Für die Präsentation im Verkaufsraum ist heute Haibles Frau Bettina zuständig. Oft seien es die Frauen, die in den Laden kämen, weil das Sofa zusammengesessen oder der Stoff nicht mehr sauber sei, sagt sie. Während der Coronazeit sei den Menschen so etwas stärker aufgefallen, die Nachfrage stieg deutlich. Zielgruppe seien nicht Erstausstattende, sondern Menschen, die sich zum zweiten oder dritten Mal einrichten, sagt Haible.

Die meisten Kunden kommen aus der Region

Fast 70 Prozent des Umsatzes kommen laut Thomas Haible mittlerweile aus dem Verkauf an Endkunden, Tendenz steigend. Zwei Drittel des Direktverkaufs gehen demnach an Privatkunden aus der Region. Hotels stattet Haible bundesweit aus. Mitunter vermischen sich die Geschäftsfelder auch: Gelegentlich komme es nämlich vor, dass ein Gast in einem Hotel auf einer Haible-Matratze so gut schlafe, dass er anschließend selbst zum Privatkunden wird. Ob aus dem Kreis der G7-Außenminister schon eine Bestellung vorliegt, fällt freilich unter das Geschäftsgeheimnis.

Von Ohmden nach Holzmaden

Firmengeschichte
 Hans Haible gründete 1950 die Firma Haible in Ohmden. 1981 übergab er sie an seinen Sohn Hans Haible junior. Unter seiner Ägide entstand in Holzmaden 1998 der erste Bauabschnitt für den Verkauf, 2018 ein zweiter, in der die Produktion ebenfalls nach Holzmaden verlegt wurde. Thomas Haible stieg nach der Ausbildung als Raumausstatter in den väterlichen Betrieb ein und führt ihn bis heute gemeinsam als Geschäftsführer mit ihm. Thomas Haible, der auch Betriebswirtschaft studiert hat, ist für den laufenden Betrieb und für die Entwicklung neuer Produkte zuständig.

Arbeitgeber
Die Firma Haible erzielte im Jahr 2022 rund 3,5 Millionen Euro Umsatz mit ihren Produkten. Am Firmensitz in Holzmaden sind 25 Mitarbeiter beschäftigt.

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