In Russland hat die Nichtregierungsorganisation Sova in jüngerer Vergangenheit mehr als 200 Vorfälle von Diskriminierung dokumentiert: Affenlaute gegen schwarze Spieler, Fans mit Hakenkreuz-Tätowierungen. Regelmäßig gehen Schläger aus Moskau und St. Petersburg aufeinander los. Viele Russen feiern ihren „Sieg“ gegen englische Hooligans nun mit Fotos von erbeuten Fahnen. Igor Lebedew, Parlamentsvize in Moskau, schrieb auf Twitter: „Gut gemacht Jungs. Weiter so.“ Es gibt Verbindungen zwischen russischen Fanbetreuern und rechtsextremer Szene.

 

In vielen Betrachtungen werden Hooligans als widersprüchliche Nebendarsteller des Fußballs dargestellt, die außerhalb der Stadien keine Existenz haben. Doch Gewalt, Bürgerlichkeit und Politik sind nicht voneinander zu trennen. Politisch wollen sich die Hooligans offiziell nicht vereinnahmen lassen, doch auf Kundgebungen von rechten Parteien lassen sie sich umgarnen, bei den Schwedendemokraten, bei „Recht und Gerechtigkeit“ in Polen, bei „Jobbik“ in Ungarn, bei Pegida in Dresden. Vor allem in Osteuropa sind Fankurven oft die sichtbarste Ausdrucksform des gesellschaftlichen Rechtsrucks. Auf dieser Basis können Parteistrategen leichter ihre Arbeit verrichten.

Auch antirassistische Gruppen sind aktiv

Und sie erhalten indirekt Unterstützung: In Polen veröffentlichte Fußball-Verbandschef Zbigniew Boniek auf Twitter ein Foto von Jacek Purski, einem Gründer des Antirassismus-Netzwerks „Nie Wieder“. Dazu platzierte Boniek den Verweis zu einem rechten Magazin, es folgten Drohungen gegen Purski. In Paris sagte Marine Le Pen, die Vorsitzende des Front National, dass das multikulturelle Team Frankreichs nicht den Werten ihrer Heimat entspreche. Und In Deutschland äußerte AfD-Politiker Alexander Gauland eine diffuse Kritik gegen den schwarzen Abwehrspieler Jérôme Boaten. Wie weit ist es von solchen Ressentiments bis zum ersten Fausthieb nationalistischer Fans?

Im deutschen Fußball jedenfalls gibt es weit mehr antirassistische als rechte Fangruppen. Das liegt vor allem an der Ultra-Bewegung, deren Ursprung im Italien der sechziger Jahre liegt. Fans in Rom, Mailand oder Turin hatten ihre farbenfrohe und lautstarke Unterstützung früh mit sozialen Aktivitäten verbunden. Sie sammelten Spenden für Kinderheime oder nahmen an antifaschistischen Demonstrationen teil.

Ultras sind die Brücke zwischen Jugend und Politik

In Deutschland übernehmen Ultras nun eine Brückenfunktion zwischen Jugendlichen und Politaktivisten. Die Schickeria in München bewahrte Kurt Landauer vor dem Vergessen, unter dem jüdischen Präsidenten hatte der FC Bayern 1932 seine erste Meisterschaft gewonnen. Auch Caillera in Bremen, die Kohorte in Duisburg oder Stradevia in Fürth organisieren Lesungen, Benefizkonzerte und Gedenkstättenfahrten.

Im Hintergrund entstand ein Klima der Angst: In Braunschweig veröffentlichten Hooligans die Adressen von antirassistischen Aktivisten. In Aachen zogen sich linke Anhänger zum eigenen Schutz aus dem Stadion zurück, nach Drohungen, Überfällen und „Hausbesuchen“ von Hooligans. Und in Dortmund wurden Fanbetreuer mehrfach angegriffen. Es war wie so oft: eine Minderheit bedroht eine Mehrheit durch Gewalt.

Der Islam dient als gemeinsames Feindbild

Die Vereine schwiegen – oder wollten Opfer und Täter an einen Tisch bringen, also auf Augenhöhe. Die Lokalpolitiker hielten sich zurück, weil sie schlechte Schlagzeilen für ihre Kommunen befürchteten. So blieb die politische Dimension der Hooligan-Angriffe meist unerwähnt. In einer Zeit, in der bundesweit intensiv über die NSU-Morde diskutiert wurde, konnten sich Rechtsextreme im Fußball-Milieu unbeobachtet fühlen. Daraus schöpften die Hooligans Zuversicht und Machtansprüche. Sie schlossen sich zu „HoGeSa“ zusammen, Hooligans gegen Salafisten. Im Oktober 2014 randalierten mehr als 4000 von ihnen im Zentrum von Köln. Das Bündnis zerstritt sich schnell, doch die Aggressionen blieben in der Gesellschaft.

Die Entwicklungen in Fanszenen und Politik unterscheiden sich mitunter enorm, doch die Vorfälle in Köln symbolisierten die neue Brücke zwischen Hooligans in Europa: die Feindseligkeit gegen den Islam als Selbstermächtigung zur Gewalt: In Brüssel störten 400 Hooligans die Trauerfeier für die Opfer des islamistischen Terrors. In der ungarischen Stadt Szeged patrouillierten Fans an der Grenze, um Flüchtlinge bei zu stoppen. Im Herzen von Stockholm machten Hooligans Jagd auf Einwanderer. In Breslau zeigten Ultras eine Choreografie: Darauf verteidigt ein Kreuzritter Europa mit dem Schwert. Kürzlich in Marseille, wo rund 200000 Muslime leben, brüllten englische Fans: „Isis – Where are you?“ Sie verglichen die Einwohner mit den mordenden Terroristen des sogenannten Islamischen Staates.

Gewalt und Bürgerlichkeit sind nicht zu trennen

In Russland hat die Nichtregierungsorganisation Sova in jüngerer Vergangenheit mehr als 200 Vorfälle von Diskriminierung dokumentiert: Affenlaute gegen schwarze Spieler, Fans mit Hakenkreuz-Tätowierungen. Regelmäßig gehen Schläger aus Moskau und St. Petersburg aufeinander los. Viele Russen feiern ihren „Sieg“ gegen englische Hooligans nun mit Fotos von erbeuten Fahnen. Igor Lebedew, Parlamentsvize in Moskau, schrieb auf Twitter: „Gut gemacht Jungs. Weiter so.“ Es gibt Verbindungen zwischen russischen Fanbetreuern und rechtsextremer Szene.

In vielen Betrachtungen werden Hooligans als widersprüchliche Nebendarsteller des Fußballs dargestellt, die außerhalb der Stadien keine Existenz haben. Doch Gewalt, Bürgerlichkeit und Politik sind nicht voneinander zu trennen. Politisch wollen sich die Hooligans offiziell nicht vereinnahmen lassen, doch auf Kundgebungen von rechten Parteien lassen sie sich umgarnen, bei den Schwedendemokraten, bei „Recht und Gerechtigkeit“ in Polen, bei „Jobbik“ in Ungarn, bei Pegida in Dresden. Vor allem in Osteuropa sind Fankurven oft die sichtbarste Ausdrucksform des gesellschaftlichen Rechtsrucks. Auf dieser Basis können Parteistrategen leichter ihre Arbeit verrichten.

Auch antirassistische Gruppen sind aktiv

Und sie erhalten indirekt Unterstützung: In Polen veröffentlichte Fußball-Verbandschef Zbigniew Boniek auf Twitter ein Foto von Jacek Purski, einem Gründer des Antirassismus-Netzwerks „Nie Wieder“. Dazu platzierte Boniek den Verweis zu einem rechten Magazin, es folgten Drohungen gegen Purski. In Paris sagte Marine Le Pen, die Vorsitzende des Front National, dass das multikulturelle Team Frankreichs nicht den Werten ihrer Heimat entspreche. Und In Deutschland äußerte AfD-Politiker Alexander Gauland eine diffuse Kritik gegen den schwarzen Abwehrspieler Jérôme Boaten. Wie weit ist es von solchen Ressentiments bis zum ersten Fausthieb nationalistischer Fans?

Im deutschen Fußball jedenfalls gibt es weit mehr antirassistische als rechte Fangruppen. Das liegt vor allem an der Ultra-Bewegung, deren Ursprung im Italien der sechziger Jahre liegt. Fans in Rom, Mailand oder Turin hatten ihre farbenfrohe und lautstarke Unterstützung früh mit sozialen Aktivitäten verbunden. Sie sammelten Spenden für Kinderheime oder nahmen an antifaschistischen Demonstrationen teil.

Ultras sind die Brücke zwischen Jugend und Politik

In Deutschland übernehmen Ultras nun eine Brückenfunktion zwischen Jugendlichen und Politaktivisten. Die Schickeria in München bewahrte Kurt Landauer vor dem Vergessen, unter dem jüdischen Präsidenten hatte der FC Bayern 1932 seine erste Meisterschaft gewonnen. Auch Caillera in Bremen, die Kohorte in Duisburg oder Stradevia in Fürth organisieren Lesungen, Benefizkonzerte und Gedenkstättenfahrten.

Die Gruppen bereichern die Zivilgesellschaft ihrer Städte, deren Jugendzentren unter dem öffentlichen Sparzwang leiden. Laut der Shell-Studie von 2015 äußern 41 Prozent der deutschen Jugend ein Interesse an Politik, 2002 lag dieser Wert noch bei dreißig Prozent. Aber: Das Interesse an Parteien ist kaum vorhanden. Mehr Vertrauen bringen die Befragten Menschenrechtsgruppen entgegen. Die Ultras folgen diesem Trend und halten sich nicht an starre Strukturen. Durch das Medium Fußball erhalten sie eine Aufmerksamkeit, die sich so manche Nichtregierungsorganisation seit langem wünscht. In Russland, Polen oder Ungarn aber ist davon kaum etwas zu sehen.