Kerin Black ist Hornistin. Eigentlich will sie Körpertrainerin sein – oder Politikerin in den USA werden.

Stuttgart-Birkach - Das Handy auf dem Wohnzimmertisch bringt das Holz zum Vibrieren. „Das ist vermutlich mein Vater, der gratulieren möchte“, sagt Kerin Black und grinst. Nämlich zur Wiederwahl von Barack Obama zum Präsidenten der USA. Wie viel Überwindung ihn das kostet, weiß die US-Amerikanerin, die in Birkach lebt. Er ist nämlich Anhänger der konservativen Republikaner, während sie überzeugte Demokratin ist. „Bei George W. Bush habe ich ihm aber auch gratuliert, also muss er das jetzt auch machen“, sagt die 35-Jährige mit unverkennbarem Akzent.

 

Ihr Vater muss sich jedoch erst einmal gedulden, sie wird später mit ihm sprechen. Kerin Black setzt sich in ihrem schwarzen Kostüm wieder auf die weiße Ledercouch. Auf ihrer linken Brust prangt ein pinkfarbener Anstecker mit dem Schriftzug „Obama 2012“. An der blassblau getünchten Wand hängt eine Girlande aus kleinen Stars-and-Stripes-Flaggen – ein Überbleibsel der Wahlparty. „Bis neun Uhr morgens haben wir vor dem Fernseher gesessen“, erzählt Black, die sich bei den „Democrats abroad“ engagiert, der Auslandsorganisation der Demokraten.

Politisch interessiert sei sie schon immer gewesen, sagt sie. Mit zwölf Jahren habe sie ihrem Vater Vorträge über den Klimawandel gehalten und sich für soziale Themen und den Umweltschutz engagiert. „Ich war, was das angeht, ein bisschen das schwarze Schaf in der Familie“, meint sie. Richtig viel Zeit in die politische Arbeit investiert sie erst seit einigen Monaten.

In ihrer Wohnung gibt sie Unterricht in der Alexandertechnik

Etwa 500 Arbeitsstunden seien es seit Februar gewesen, erzählt Black. Sie nennt vor allem einen Grund, warum sie Obama im Wahlkampf so stark unterstützt hat: Irgendwann will sie in ihre Heimat zurückkehren, „aber nicht in Mitt Romneys Amerika“. In dem Land laufe so viel schief, dagegen müsse etwas getan werden, sagt Black. Inzwischen könne sie sich sogar vorstellen, selbst Politikerin zu werden. Die Freunde raten ihr das schon lange. „Ich stehe ganz gerne im Rampenlicht“, gibt die Obama-Anhängerin aus Washington zu.

Wären da nicht noch zwei andere Dinge, die das Leben der 35-Jährigen dominieren – ihre zwei Berufe. Black ist professionelle Hornspielerin. In ihrer Wohnung gibt sie zudem Unterricht in der Alexandertechnik, einer Methode zum richtigen Gebrauch des Körpers. Das Training soll unter anderem helfen, Schäden zu verhindern, die durch eine schlechte Haltung entstehen. Kerin Black springt auf und zieht einen ungemütlich aussehenden Holzstuhl heran – andere Stühle gibt es in ihrer Wohnung nicht. „Das reicht, wenn man richtig zu sitzen weiß.“ Sie setzt sich, steht auf, setzt sich wieder und zeigt, was man dabei alles falsch machen kann. Zum Kostüm trägt sie hohe schwarze Stiefel. „Ich weiß, dass das meinem Rücken nicht gut tut, aber man muss auch leben“, sagt sie. Nur eben bewusst.

Mit Esoterik habe die Alexandertechnik nichts zu tun. „Sie ist sehr bodenständig, man muss an nichts glauben“, erklärt Black. Sie selbst glaube nur an die Wissenschaft. „Ich bin jüdische Atheistin. Und ich weiß, dass Gott meinem Rücken nicht helfen kann“, meint sie pragmatisch.

Mit acht Jahren begann sie mit dem Hornspielen

Am liebsten würde sie die Alexandertechnik zum Hauptberuf machen. Die Deutschen seien jedoch nicht so offen, darum sei die Methode hier noch nicht verbreitet. Ihre Brötchen verdient Black deshalb noch mit der Musik. Mit acht Jahren begann sie mit dem Hornspielen, „weil das Instrument so schön aussah“, sagt sie.

Schließlich besuchte sie ein Musikinternat und studierte an der Londoner Royal Academy of Music – Horn und Alexandertechnik. Danach arbeitete sie in Hamburg als Musikerin. Beim Udo-Jürgens-Musical „Ich war noch niemals in New York“ spielte sie von Anfang an mit und wechselte mit dem Ensemble nach Stuttgart.

Hier sitzt sie heute mit so vielen Ideen. Vielleicht wird sie die Musik irgendwann nur noch als Hobby betreiben, ein Ausbildungszentrum für Alexandertechnik in Stuttgart gründen oder zurück in die USA gehen und Politikerin werden – Demokratin natürlich. Ihrem Vater wird sie das vorerst wohl nicht erzählen.