Huub Stevens hat sich darauf spezialisiert, als Feuerwehrmann in Not geratene Clubs wieder auf Vordermann zu bringen. Seine neue Mission ist die Rettung der TSG 1899 Hoffenheim.

Hoffenheim/Stuttgart - Huub Stevens ist ein beneidenswerter Mann. Als gefeierter Retter verabschiedete er sich im Mai beim VfB Stuttgart und trat (mitsamt der Nichtabstiegsprämie im Gepäck) einen ausgedehnten Urlaub an. Der 61-Jährige spielte in Berlin mit seinen Enkelkindern, kümmerte sich zu Hause in Eindhoven um seinen Garten – und lag ansonsten zumeist auf der Terrasse seines Ferienhauses in Cala Ratjada. Und jetzt, da auch auf Mallorca die Zahl der Sonnenstunden zurückgeht und die Regenwahrscheinlichkeit steigt, denkt sich der Trainer: Dann gehe ich eben wieder für ein paar Monate nach Deutschland und verdiene meine nächste Million.

 

Huub Stevens ist stets zu Diensten, wenn irgendwo in der Bundesliga ein Verein in Not gerät. Auf Schalke war er schon, in Berlin, Köln, Hamburg und Stuttgart. Diesmal hat ihn der Hilferuf aus Hoffenheim erreicht. Dort wollte Dietmar Hopp nicht mehr länger tatenlos dabei zuschauen, wie Markus Gisdol mit seinem Team Spiel um Spiel verliert. Am Montag entließ der allmächtige Vereinschef den Trainer samt den beiden Assistenten – und schon an diesem Dienstag wird im Kraichgau Huub Stevens als Nachfolger vorgestellt. Das Gesicht gut gebräunt, das Haar streng nach hinten gekämmt, der Blick entschlossen – so dürfte der Fußballlehrer wieder auf dem Podium sitzen und angesichts des vorletzten Tabellenplatzes (sechs Punkte aus zehn Spielen) sinngemäß das sagen, was er bei diesen Gelegenheiten immer zu sagen pflegt: Die Aufgabe ist schwierig, aber nicht unlösbar; der Berg an Arbeit ist groß, aber mit vereinten Kräften zu bewältigen.

Ein Feuerwehrmann muss keine Konzepte entwerfen

Seinen Job als Feuerwehrmann hat Stevens zu einem äußerst erfolgreichen Geschäftsmodell gemacht. Gleich zweimal hintereinander bewahrte er zuletzt den VfB vor dem Abstieg , um seinen Platz nach erfolgreicher Mission wieder frei zu machen, erst für Armin Veh, dann für Alexander Zorniger. Die Vorzüge der Nothilfe in einer bereits laufenden Saison weiß Stevens im Herbst seiner Trainerkarriere sehr zu schätzen: Er muss in der Vorbereitung nicht wochenlang in Trainingslagern beschwerliche Grundlagenarbeit leisten; er ist nicht schuld, wenn die neuen Spieler am Tor vorbeischießen, weil er bei ihrer Auswahl nicht beteiligt war; und er muss auch keine langfristigen Konzepte entwerfen und sich rechtfertigen, wenn sie nicht aufgehen. Sein einziger Auftrag lautet: irgendwie die Klasse halten. Das ist ihm bislang noch immer gelungen.

Eingeständnis einer verfehlten Strategie

Eine Verpflichtung von Huub Stevens beinhaltet also ein Art Erfolgsgarantie – ist aber auch stets mit dem Eingeständnis der jeweiligen Clubführung verbunden, mit ihrer Strategie in einer Sackgasse gelandet zu sein. Das war zweimal beim VfB so, und das ist jetzt in Hoffenheim nicht anders. Gescheitert ist das Vorhaben, mit einem ehrgeizigen und innovativen Trainer eine junge und attraktiv spielende Mannschaft aufzubauen.

Gisdols Verhältnis zu Hopp, so heißt es, sei schon seit längerer Zeit zerrüttet gewesen, was Alexander Rosen nicht bestätigen will: „Wir haben Ruhe und Geduld bewiesen und Vertrauen in die Arbeit von Markus gehabt“, sagt der TSG-Sportdirektor, der immer ein enger Vertrauter des Trainers war, sich am Ende aber lossagen musste, um nicht ebenfalls den Job zu verlieren. Man habe handeln müssen, da es Gisdol, auf Schalke einst der Assistent von Stevens, nicht mehr gelungen sei, „die Qualität der Mannschaft entsprechend umzusetzen“. Aufgrund seiner Erfahrung, sagt Rosen, sei Stevens „die optimale Lösung“.

Der Vertrag läuft wieder nur bis zum Saisonende

Natürlich läuft sein Vertrag auch in Hoffenheim nur bis zum Saisonende; und mit großer Wahrscheinlichkeit wird er sich spätestens dann wieder nach Mallorca zurückziehen. Bis dahin aber wird Stevens, ein Vollprofi in jeder Beziehung, alles für den Klassenverbleib tun, das Interesse der Öffentlichkeit auf sich ziehen – und der Vereinsführung die Möglichkeit geben, im Hintergrund die Zukunft zu planen. Schon einen Tag vor Gisdol wurde der Geschäftsführer Peter Rettig entlassen und durch Peter Görlich ersetzt, der sich unter anderem dem neu definierten Themenfeld „Sport und Innovation“ widmen soll. „Gerade ein kleiner Verein wie die TSG muss innovativ, kreativ und mutig seinen Weg gehen, um angesichts der finanziellen Entwicklungen im Profifußball auch weiterhin eine Rolle spielen zu können“, sagt Dietmar Hopp.

Die Gegenwart aber besteht nicht aus Innovation, sondern aus Huub Stevens.