IBA StadtRegion Stuttgart eröffnet Festivalzentrale Die Zukunft des Bauens zum Anfassen

IBA-Intendant Andreas Hofer (l.) bei der Eröffnung des IBA-Festivalzentrums, das sich im Erdgeschoss der Königstraße 1c befindet. Foto: /Franziska Kraufmann

Die internationale Bauausstellung, die 2027 die Region bespielt, wirft ihre Schatten voraus. Ein Festival gibt Einblicke, in seiner Zentrale werden Projekte und Ideen greifbar.

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Zwischen den Werbeschildern für einen Schuhladen, eine Reinigung und einen asiatischen Supermarkt geht der Neuzugang in diskretem Violett fast etwas unter. „IBA’27-Festival-Zentrale“ steht auf dem neuen Schild an der Königstraße 1c. Der Blick durchs Schaufenster fällt auf lange Tische, im Sitzen und Stehen kann hier gearbeitet werden. Dahinter kleben an Stellwänden sehr viele Ausdrucke.

 

Das sieht nach schaffiger Studierstube aus. Doch der erste Eindruck täuscht, wie so oft. Denn wer durch die Theaterpassage den Showroom betritt, den die internationale Bauausstellung (IBA) nun zum Start ihres Festivals eröffnet hat, der kann nicht nur das „Hirn“ des Projekts arbeiten sehen, sondern auch sein Herz schlagen fühlen. Coworking-Space und Wohnzimmer mit Sitzecke ist dieser Ort zugleich, aber auch Werkstatt, Veranstaltungsbühne, Diskussionsforum – und vor allem ein niederschwellig zugänglicher Raum für Begegnungen. Es gibt Kaffee und einen Kühlschrank, Ideen und Impulse.

Anlaufstelle fürs Festivalpublikum

Vier Wochen lang zeigt die IBA bei ihrem Festival, was bis zum Jahr 2027 alles entstehen soll; bei vielen der bislang 17 Projekte steht der Schritt an vom Planungsstadium zur Baustelle. „Auch das Zentrum soll sich ständig verändern. Wir wollen einen offenen Ort der Begegnung schaffen, eine Quartierswerkstatt“, sagt der IBA-Intendant Andreas Hofer beim Rundgang. Hier laufen die Fäden während des Festivals zusammen, hier ist eine Anlaufstelle für Festivalgäste. Zudem gibt es Informationen über die IBA, über ihre Geschichte und Projekte. Welche Programmpunkte andere Festivalgäste empfehlen, zeigt ein Bildschirm, über den die Einträge im IBA-Blog mit Tipps flimmern. Vor allem aber gibt es in fünf Kapiteln und auf vielen Pinnwänden einen analogen Überblick über die Kernthemen der IBA.

Gutes Wohnen für alle

„Die Zukunft der Zentren“. „Der Neckar als Lebensraum“. „Das Erbe der Moderne“. „Die produktive Stadt“. „Orte der Begegnung und Bewegung“: Das sind die Überschriften, unter denen Probleme und Lösungen am Beispiel von Referenzprojekten nicht nur der IBA verhandelt werden. Blicke in neue Quartiere von Amsterdam erläutern, wie schön es sich am Wasser wohnt. In Paris ermuntert David Chipperfield mit dem Ensemble „La Felicité“ dazu, das Konzept des guten Wohnens wieder für alle und nicht nur im Luxussegment umzusetzen. Ein Beispiel aus Calgary löst Wohnungsnot, indem leer stehende Büros umgebaut werden. Und ein Parkhaus aus Holz in Wendlingen ist so wandelbar, dass es in einer einmal autofreien Zukunft zum Bürogebäude mit begrüntem Innenhof werden könnte.

Wie etwa Ladenschließungen ein Umdenken darüber anstoßen, was Städte heute leisten sollen, zeigt das Festivalzentrum selbst. Es nutzt eine leer stehende Verkaufsfläche zur Zwischenmiete, bevor das Gebäude als Teil des Schlossgartenquartiers, das ein Modell anschaulich macht, saniert werden wird. „Ursprünglich sollte das komplette Areal abgerissen und neu bebaut werden“, sagt Hofer und nimmt seinen Erhalt als neues Leitbild dafür, wie nachhaltiger wir heute mit dem Bestand und „grauer Energie“ umgehen. Ein Schutthaufen gleich beim Eingang des Festivalzentrums ist für den IBA-Chef Symbol dafür, „wie wir nicht weitermachen wollen“.

Zukunft zum Anfassen

Ganz handfest geht es im Festivalzentrum um Materialien, mit denen die Zukunft des Bauens nachhaltig und am besten zirkulär wird. Sogar die plüschigen Sessel bringen eine Geschichte mit. Sie kommen aus dem Fundus der Staatstheater und laden nun zum Verweilen ein. Überhaupt ist anfassen an vielen Stellen erwünscht. Reste von Dachziegeln etwa liegen wie archäologische Ausgrabungsstücke am Boden, daneben steht ein Backenbrecher, der sie zu Granulat mahlt, und einen Schritt weiter haben sie sich, verklebt mit Biopolymeren, in glatte, schicke Bauelemente verwandelt. Recycelte Ziegelsteine warten im Regal dahinter auf ihren Einsatz. Ein ganzes Materiallager der Zukunft findet sich in seinen aus Gerüstelementen gebauten Fächern: Mosaiksteine aus Altglas, schallabsorbierende Elemente aus Holzfasern, aus Schadholz gepresste Bauklötze.

Weil der Gebäudesektor für 40 Prozent der Treibhausgase und für jährlich 230 Millionen Tonnen Müll verantwortlich ist, wird die Bauindustrie zum wichtigen Hebel, um viel zu bewegen. „Die IBA will zeigen, wie es anders geht“, sagt Hofer. Und das fängt bereits beim Festivalzentrum an.

„Wir reden nicht nur darüber, sondern wir machen auch“, so der IBA-Intendant. Alles ist hier wiederverwertbar, die Stellwände zum Beispiel sind aus Dachplatten und -latten. Im Juli werden darauf neue IBA-Projekte auftauchen. Überhaupt soll die Ausstellung wie ein Denkprozess immer in Bewegung bleiben. Wer wiederkommt, wird viel Neues entdecken können.

Info

Termine
Das IBA-Festivalzentrum ist von Mo-Fr von 10-20 Uhr geöffnet, samstags von 10-18 Uhr. Das Festival mit Ausstellungspunkten in vielen Städten der Region dauert bis zum 23. Juli. Das Zentrum bleibt darüber hinaus bis zum 23. September geöffnet.

Veranstaltungen
Das ganze Programm steht unter www.festival.iba27.de/programm

Orte
Um Aspekte des Zusammenlebens und der Nachhaltigkeit geht es beim Festival vor Ort: in Stuttgart-Rot unter dem Stichwort „Wohnen“ um genossenschaftliches Bauen, im Quartier Backnang-West ums „Bauen“ und damit auch um Rohstoffkreisläufe, im Fellbacher Klenk-Areal ist im Umfeld von Landwirtschaft und Industrie das „Produzieren“ Thema. Bei Führungen sind Gebäude wie der Prototyp eines adaptiven Hochhauses auf dem Uni-Campus in Vaihingen zu erleben.

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